Ein Wettlauf mit der Zeit

Saarbrücken · Wird ein Kind als vermisst gemeldet, ist schnelles Handeln geboten. In den Niederlanden wird in Extremfällen ein öffentliches Alarmsystem ausgelöst. Auf diese Möglichkeit können saarländische Fahnder nicht zurückgreifen.

Ein zweijähriges Mädchen aus den Niederlanden wird im Auftrag ihres Vaters, eines reichen indischen Geschäftsmanns, gewaltsam entführt. Die Ermittler vermuten, das Kind könnte nach Deutschland verschleppt worden sein, um von dort aus nach Indien ausgeflogen zu werden. Sie bitten ihre deutschen Amtskollegen, auf der anderen Seite der Grenze nach dem Kind öffentlich zu fahnden. Die Geschichte der kleinen Insiya ist symptomatisch dafür, wie Verbrecher die offenen Grenzen nutzen, meint Frank Hoen, Leiter der Einrichtung "Amber Alert Netherlands". Gestern schilderte er seine Erfahrungen vor der Kommission für Innere Sicherheit des Interregionalen Parlamentarierrates (IPR) der Großregion in Saarbrücken . Auf der Suche nach Insiya war in den Niederlanden ein "Amber Alert" ausgelöst worden. Durch dieses reaktionsschnelle Alarmsystem wird die Bevölkerung über die klassischen und sozialen Medien, aber auch über Infotafeln im öffentlichen Raum (zum Beispiel auf den Autobahnen) um Hinweise gebeten. "Wir erreichen innerhalb von fünf Minuten zwölf Millionen Menschen", so Frank Hoen. Im Wettlauf mit der Zeit sei dies extrem wichtig.

Im Saarland gibt es "Amber Alert" nicht. "Wir haben da stringentere Datenschutzbestimmungen für Öffentlichkeitsfahndungen", erklärt Kriminaldirektor Stefan Noll von der Landespolizei. Doch die Behörde arbeite eng mit ihren französischen und luxemburgischen Kollegen zusammen, und das nicht nur in den glücklicherweise extrem seltenen Fällen, dass ein Kindesleben unmittelbar bedroht und eine Öffentlichkeitsfahndung notwendig wird. Die meisten Minderjährigen, die als vermisst gemeldet werden, werden innerhalb sehr kurzer Zeit gefunden. Dabei helfen vor allem Hinweise aus der Umgebung des Vermissten. 2015 waren lediglich sechs Prozent der vermissten Jugendlichen länger als 30 Tage abgängig. "Die allermeisten sind Unbegleitete Minderjährige Ausländer (UMA)", sagte Noll. Viele von ihnen verschwänden bereits nach einer Nacht in der Vorclearing-Einrichtung in Tholey, berichtete Herbert Heyd vom Sozialministerium. "Das heißt aber nicht, dass sie von Verbrechern entführt wurden, sondern dass sie ein festes Ziel verfolgen und nicht die Absicht haben, im Saarland zu bleiben", so Heyd. Die Suche nach abgängigen UMA sei insofern schwieriger, da man über keine Informationen aus dem Familienkreis verfüge, so Noll. Aber auch da arbeite man mit den Nachbarländern eng zusammen - unter anderem über das Schengener Informationssystem.

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