Ein süßes Exil für Herzog Stanislaus

Lunéville · Einige der prächtigsten Bauten und der beliebtesten Süßspeisen Lothringens sind untrennbar mit Stanislaus I. Leszczynski verbunden. Der abgesetzte polnische König fand hier im 18. Jahrhundert ein lebenswertes Exil.

 Das Schloss von Lunéville erlebte unter Herzog Stanislaus seine Blütezeit. Foto: Département 54/T. Franz

Das Schloss von Lunéville erlebte unter Herzog Stanislaus seine Blütezeit. Foto: Département 54/T. Franz

Foto: Département 54/T. Franz

Morgens um halb sieben sitzt Stanislaus in seinem Sessel und lässt sich vom Kaminfeuer wärmen. Es muss kalt gewesen sein im Schloss Lunéville , an jenem Februarmorgen 1766. Wie es genau geschah, hat der lothringische Herzog mit ins Grab genommen: Jedenfalls finden Diener den 88-Jährigen, Minuten oder Stunden später, ohnmächtig vor dem Kamin liegend. Feuer züngelt auf seinen Gewändern, die linke Hand, der dicke Bauch und das Gesicht sind verbrannt.

Der Sturz wird sich als folgenreich erweisen. Doch bis zu jenem Morgen hatte der Herzog fast 30 Jahre Zeit, Lothringen zu prägen. Die sichtbarsten Spuren zeigt die Architektur: Stanislaus ließ ab 1737 die Schlösser in Commercy und Lunéville erweitern und die barocke Place Stanislaus in Nancy bauen. Der helle, weite Platz mit Brunnen und Torbögen wurde 1755 vollendet, inzwischen gehört er zum Unesco-Weltkulturerbe. In der Stadt gründete er zudem die Königliche Bibliothek und die Akademie von Nancy.

Dabei waren die Umwege zum lothringischen Herzogstitel unerfreulich. Zweimal wurde Stanislaus von seinem polnischen Königsthron vertrieben, bis ihm 1738 der Frieden von Wien die Herzogtümer Lothringen und Bar zusprach. Seine Tochter Maria hatte Stanislaus schon 1725 mit dem französischen König Louis XV. verheiratet. Eingefädelt hatte die Hochzeit eine einflussreiche Mätresse - später wird Maria hinter der Geliebten ihres Mannes, der berühmten Madame de Pompadour, zurückstehen. Natürlich verzichtete auch Marias Vater nicht auf Liebschaften: Seine Mätressen ließ Stanislaus wenige Meter vom Herzogshof in Lunéville unterbringen - das Liebesnest im Château de la Favorite war über den Schlossgarten zu erreichen. Der vertriebene König genoss seine Zeit in Lothringen aber auch kulinarisch. In seiner Hofküche gab es talentierte Köche, die den Baba au rhum - ursprünglich ein süßer Kuchen aus Polen - verfeinerten. Im Schloss von Commercy entstand 1750 das berühmteste Sandteiggebäck Frankreichs, die muschelförmige Madeleine.

Essen, Luxus und Geliebte - das Leben als mächtigster Mann am lothringischen Hof hatte beim Herzog Spuren hinterlassen. "Er ist fettleibig, impotent, fast blind und fast taub, er leidet unter Nierenschäden, an Krampfadern und Hämorrhoiden", schreibt der Nancyer Pharmazie-Professor Pierre Abrude Jahrhunderte später. Nach dem Kaminsturz wird Stanislaus zwei Wochen von seinen Ärzten behandelt, allerdings ist die Brandwunde an der Bauchdecke sehr tief. Mit Stanislaus' Tod am 23. Februar 1766 fiel das unabhängige Herzogtum Lothringen an die französische Krone. Doch die prächtige Place Stanislaus bewundern heute zahlreiche Touristen und nicht wenige Lothringer spazieren im herausgeputzten Schlossgarten von Lunéville . Auch Stanislaus' süßes Erbe ist quicklebendig: Während es der Baba au rhum längst auf die Speisekarten lothringischer Restaurants geschafft hat, wurde die Madeleine zu dem französischen Gebäck schlechthin: Dank Stanislaus' Tochter Maria gelangte es an den französischen Hof, dank Marcel Prousts Roman "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" in die Literatur.

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