Ein Schlafsack, der Leben rettet

Saarbrücken. Nur ein Kind starb 2008 im Saarland den so genannten plötzlichen Säuglingstod (SID). In früheren Jahren waren es bis zu acht. Ein Riesenerfolg? Nein, so rechnet Harald Schönhofen nicht. Der Kinderarzt vertritt den Landesverband der Selbsthilfeorganisation "Gemeinsame Elterninitiative Plötzlicher Säuglingstod" (GEPS)

 Ein spezieller Schlafsack kann den plötzlichen Kindstod verhindern. Foto: dpa

Ein spezieller Schlafsack kann den plötzlichen Kindstod verhindern. Foto: dpa

Saarbrücken. Nur ein Kind starb 2008 im Saarland den so genannten plötzlichen Säuglingstod (SID). In früheren Jahren waren es bis zu acht. Ein Riesenerfolg? Nein, so rechnet Harald Schönhofen nicht. Der Kinderarzt vertritt den Landesverband der Selbsthilfeorganisation "Gemeinsame Elterninitiative Plötzlicher Säuglingstod" (GEPS). "Man muss wissen, dass der unerwartete Kindstod topgesunde Säuglinge trifft. Bundesweit sind es immer noch 220 Kinder jährlich. Jeden zweiten Tag könnte also ein Kind mehr leben." Mehr noch: Vielleicht könnten alle 220 Kinder weiterleben, wenn die Eltern besser informiert gewesen wären.

Vorsorge hilft also, das bestätigt auch die Statistik. 1991, als das Thema noch nicht entdeckt war, starben in Deutschland jährlich 1285 Säuglinge. Nach den ersten Aufklärungskampagnen gehen die Todeszahlen, auch im Saarland, konstant nach unten. Je mehr Aufmerksamkeit die GEPS erzeugt, etwa durch ihre Schlafsack-Geschenk-Aktionen zusammen mit der Techniker Krankenkasse, umso rapider gehen die Zahlen zurück. So geschehen 2004, nach der ersten Schlafsack-Aktion: 2005 starb nur mehr ein Kind (2004: fünf). Doch dann stieg die Zahl wieder.

"Wir müssen bei jeder Elterngeneration neu ansetzen. Es gibt kaum noch Großfamilien, in denen Wissen weitergegeben wird", sagt Schönhofen. Es gelte eine einfache "Drei-R-Regel" zur Vorsorge: Rückenlage, rauchfreie Zone, richtige Schlafumgebung (Schlafsack statt loser Decken, nur mäßige Wärme). Denn in überhitzten Räumen mit verbrauchter Luft schlafen Säuglinge zu gut. Sie werden bei Atemstörungen nicht unruhig, die Eltern können nicht reagieren.

Der Kindstod ist eine Schockerfahrung, an der viele Familien zerbrechen. Scheidungs- und Selbstmordraten seien in betroffenen Familien überduchschnittlich hoch, sagt Schönhofen. Er war lange Jahre in der Kohlhof-Klinik als Kinderonkologe tätig. "Ich dachte, ein Kind an Krebs zu verlieren, sei das Schlimmste, was passieren kann." Doch um krebskranke Kinder könne man kämpfen, der gänzlich unerwartete Verlust sei das einschneidendere Erlebnis. Selbst-Vorwürfe und Schuldzuweisungen verfolgten die Eltern oft noch Jahrzehnte nach dem Vorfall. Die GEPS leistet hier Beratungsarbeit.

Vorsorge groß geschrieben

Doch vordringlich geht es der Organisation nicht um Trauerbewältigung, sondern darum, Kinder zu retten. So wurden in Rheinland-Pfalz und im Saarland in den vergangenen sechs Jahren in Kliniken rund 5000 Schlafsäcke an junge Eltern verteilt. Doch da im Saarland jährlich etwa 7500 Kinder geboren werden, erreicht man mit den rund 500 Schlafsäcken pro Aktion noch nicht einmal zehn Prozent eines Jahrgangs. Mittlerweile haben laut Schönhofen fast alle 14 saarländischen Geburtskliniken auf die Schlafsack-Unterbringung umgestellt, obwohl dies mehr Reinigungs-Kosten verursacht.

Die GEPS hat noch eine weitere "Angel" ausgeworfen, um das Interesse der Eltern zu finden: Erste-Hilfe-Workshops mit speziellen Reanimationspuppen. Letztere werden ebenfalls an Kliniken verschenkt und von der Techniker Krankenkasse finanziert. Bis Ende des Jahres soll jede Klinik mit zumindest einer solchen Puppe ausgestattet sein. Rund 200 Euro kostet eine Puppe - keine Unsumme, die die Millionen-Etats der Kliniken überforderte. Trotzdem braucht es offensichtlich Impulse wie die der GEPS. Denn: Das Problem plötzlicher Kindstod ist eines der wenigen, das man nicht mit Geld, sondern mit Information bewältigen kann.

Selbsthilfegruppe Gemeinsame Elterninitiative Plötzlicher Kindstod - Landesverband, Tel.: (0 63 32) 7 64 83.

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