Ein Mann und eine akustische Gitarre: Sigi Becker im TiV

Saarbrücken · Unter dem Titel „Amour anarchie“ zündete der Barde Sigi Becker im Theater im Viertel ein wahres musikalisch-literarisches Feuerwerk. Dabei sparte er nicht an Ironie und augenzwinkernder Selbstkritik.

 Sigi Becker. Foto: Reichhart

Sigi Becker. Foto: Reichhart

Foto: Reichhart

"Mit diesem Programm liebäugele ich schon lange", verriet Sigi Becker sogleich im gut besuchten Theater im Viertel (TiV). Um dann unter der Überschrift "Amour anarchie" ein wahres musikalisch-literarisches Feuerwerk zu zünden. Ein Mann und eine akustische Gitarre, sowas kann durchaus zäh werden, zumal wenn ambitionierte Botschaften unters Volk gebracht werden sollen. Nicht so bei dem saarländischen Chansonnier, der einen schier atemlosen Spurt durch Jahrhunderte und Kontinente hinlegte - da war Konzentration gefragt. Um Individualität, Minderheiten, Mehrheiten, Massen, Autoritäten, Abhängigkeiten, Gewerkschaften, Revolutionäre und "freie Radikale" gings.

Becker zitierte Einschlägiges von Mikail Bakunin bis Gustav Landauer, er sang deutsch, französisch, spanisch, italienisch und englisch. Zu flink gezupften Gitarrensaiten eilte er durch Lieder von Georges Brassens, Léo Ferré, Pietro Gori bis Rio Reiser und wechselte auch noch zu seinem neuen Zweitinstrument. Zur Banjo-Begleitung wurde das begeisterte Auditorium über den großen Teich in die Appalachen zum illusteren Arbeiterführer Joe Hill entführt. Was auf den Nägeln brennt, weckt Emotionen - und so schwang sich Beckers angerauhtes, sonst eher sanftes Organ schon mal zu ungewohnter Inbrunst empor. Der Barde kommentierte es mit kräftig augenzwinkernder Selbstkritik und ließ es nicht an ironischer Abkühlung fehlen: Erich Mühsams "Der Anarchisterich" strapazierte pfiffig die Lachmuskulatur. Und was bei tumben Sangeskollegen leicht peinlich werden kann, beim charmanten Sigi Becker gelang es untadelig. Bei manchem Refrain ließ er die TiV-Gemeinde mit einstimmen. Bei den Zugaben trällerte der ganze Saal vergnügt die 70-Jahre-Antifa-Hymne: "Juppheidi, juppheida, Hausdurchsuchung, Razzia".

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