Ein Klavier wird zum GrenzgängerWarum Grenzgänger in Frankreich Steuern sparen

Spichern. Der Grund, warum Denis Uwer und Ingrid Uwer-Pintarelly in Lothringen wohnen, ist braun, über 100 Jahre alt und steht in der Ecke neben der Terrasse zum Garten. Es ist ein Klavier. Ingrids Mutter, eine französische Konzertpianistin, kannte da in Spichern jemanden, der ein Klavier verschenkt - wegen eines Umzugs. Ein Nachmieter war noch nicht gefunden

 Bei der Besichtigung dieses Klaviers haben Denis und Ingrid Uwer ihr Traumhaus entdeckt. Foto: mwi

Bei der Besichtigung dieses Klaviers haben Denis und Ingrid Uwer ihr Traumhaus entdeckt. Foto: mwi

Spichern. Der Grund, warum Denis Uwer und Ingrid Uwer-Pintarelly in Lothringen wohnen, ist braun, über 100 Jahre alt und steht in der Ecke neben der Terrasse zum Garten. Es ist ein Klavier. Ingrids Mutter, eine französische Konzertpianistin, kannte da in Spichern jemanden, der ein Klavier verschenkt - wegen eines Umzugs. Ein Nachmieter war noch nicht gefunden. "Uns hat das Haus sofort gefallen. Wir haben uns sehr schnell entschieden, dass wir hier wohnen wollen", erzählt das Paar, das bis dahin noch im Elternhaus in Saarbrücken lebte und ein Haus zur Miete suchte. Die Miete ist zwar nicht ganz günstig, doch Zustand und Lage überzeugen die beiden. "Das Haus hat Garten und Keller. Die Nachbarschaft ist freundlich und die Umgebung ruhig", sagt Ingrid, die beim Saarbrücker Jugendamt arbeitet. Außerdem kann Denis, der medizin-technische Produkte vertreibt, dadurch Steuern sparen. Die Ruhe auf dem Land ist ihm - der jahrelang als Rettungsassistent gearbeitet hat - wichtig.

Für ihn, der im Grenzgebiet groß wurde, existiert die Grenze fast nicht. Es sei "wie immer halt". Früher fuhr man wegen der Baguettes und dem Wasser rüber und heute lebt man da. Noch dazu ist seine Frau Deutsch-Französin und erledigt die bürokratischen Dinge.

Da existiert die Grenze aber dann doch. Sohn Jonas, gerade vier Monate alt, ist ebenfalls Deutsch-Franzose und bekommt zwei Ausweise - in Deutschland einen Pass und in Frankreich einen Personalausweis. "Man könnte doch einen europäischen Pass haben", moniert Denis. Doch nicht nur das. Die Franzosen weisen den Antrag zurück, weil das Format der Fotos nicht stimmte. Die Pass-Fotos hatte Ingrid in Deutschland gemacht. "Da könnte man sich mal auf einheitliche, europäische Richtlinien einigen", sagt Denis und schüttelt den Kopf. Und lobt den ADAC, der die Ummeldung nach Frankreich klaglos akzeptierte, so dass der Versicherungsschutz erhalten blieb. Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherung hingegen musste Denis in Frankreich neu abschließen. "Der Euro ist ja gut und schön, doch Europa geht darüber hinaus", sagt Denis.

Im August 2009 zieht das Paar in das Haus ein, das etwas zurückversetzt an der Verbindungsstraße zwischen Spichern und Alsting liegt. Ingrid will nicht mehr weg aus Spichern, sie fühlt sich hier wohl. Die Straßen seien sehr gepflegt, würden jedes Jahr neu bepflanzt. Geschäfte wie Simply, Edeka, Cora oder Globus sind nur ein paar Kilometer mit dem Auto entfernt. Nach Saarbrücken sind es gerade sieben Kilometer. Es ist ein kleiner Ort. Ob auf der Mairie oder im Supermarkt, die Leute kennen Ingrid schon. Oft wird die Familie auf Deutsch - mit ein paar "Platt-Ausrutschern" - angesprochen. Wenn man sich ein wenig bemühe und versuche sich anzupassen, meint Denis, - mit Bonjour und wenigstens einer Frage auf Französisch - seien die Leute auch bereit, Deutsch zu sprechen.

Und das Klavier? Es steht wieder an seinem angestammten Platz, nachdem es zuerst nach Saarbrücken und - als der Mietvertrag unterzeichnet ist - wieder zurück nach Spichern transportiert wurde. Innerhalb weniger Wochen habe das Klavier Grenzgänger-Status erreicht, sagt Denis. "Da ist es gleich zwei Mal über die Grenze geflitzt."Saarbrücken. Grenzgänger zahlen in Frankreich etwa nur halb so viel Einkommensteuer wie in Deutschland. Zwar müssen die Franzosen höhere Sozialabgaben zahlen - Grenzgänger liefern diese in der Regel in Deutschland ab. Allerdings wird in Frankreich Wohnsteuer (taxe d'habitation) fällig - je nach Lage und Einkommen zwischen 500 und 900 Euro pro Jahr. "In Frankreich sind alle obligatorischen Sozialversicherungsbeiträge in voller Höhe abzugsfähig", erklärt Steuerberaterin Ingrid Reichertz, Autorin des Ratgebers "Steuererleichterungen" für Grenzgänger. Auf das Netto-Einkommen (ohne Sozialversicherung) könne der Arbeitnehmer in Frankreich zehn Prozent Werbungskosten veranschlagen, maximal 13 948 Euro. Ein weiterer Steuervorteil liegt im französischen Familiensplitting. Wer verheiratet ist, kann das zu versteuernde Einkommen durch zwei sogenannte "parts" teilen. Wer zwei Kinder hat, teilt es durch drei (das erste und zweite Kind zählen je ein halbes part). Wer drei Kinder hat, teilt durch vier (ab dem dritten Kind zählt das Kind 1 part). Sprich: Je mehr Kinder, desto weniger Steuerlast. Auch beim Einkommenssteuertarif ist Frankreich günstiger. Während der Eingangssteuersatz in Deutschland bei 14 Prozent liegt, sind es in Frankreich nur 5,5 Prozent, zudem fallen weder Kirchensteuer noch Solidaritätszuschlag an. mwi

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