Ein Gruß aus der Vergangenheit Albert Schwarz wollte Schlafhaus erhalten

St. Ingbert. Die Kopie einer alten Postkarte von Reichenbrunn, schwarz-weiße Fotografien eines jungen Mannes und ein vergilbtes Schreiben auf Firmenpapier - mit diesem Bündel steht Klaus Zimmer in unserer Redaktion. Ein Amerikaner namens Dale Schultz hatte per Mail Kontakt mit ihm aufgenommen, da er einen Mann aus St. Ingbert beziehungsweise dessen Verwandten sucht

St. Ingbert. Die Kopie einer alten Postkarte von Reichenbrunn, schwarz-weiße Fotografien eines jungen Mannes und ein vergilbtes Schreiben auf Firmenpapier - mit diesem Bündel steht Klaus Zimmer in unserer Redaktion. Ein Amerikaner namens Dale Schultz hatte per Mail Kontakt mit ihm aufgenommen, da er einen Mann aus St. Ingbert beziehungsweise dessen Verwandten sucht. Schultz' Schwiegermutter Maureen O'Connell war verstorben und in deren Besitz hatte er die alten Dokumente gefunden. In der Familie O' Connell mit Vater John Vincent, Mutter Myra und den Töchtern Maureen und Eileen hatten kurz nach dem Zweiten Weltkrieg drei Kriegsgefangene gelebt. Darunter auch der gesuchte St. Ingberter Albert Schwarz. Mit dem hatte die Familie O'Connell auch nach seiner Rückkehr nach St. Ingbert noch Kontakt. "Ich habe überlegt, ob er noch leben könnte und dann würde er vielleicht wissen wollen, dass meine Schwiegermutter die Briefe und Fotos all die Jahre aufbewahrt hat", begründet Dale Schultz seinen Wunsch, Albert Schwarz zu finden. Er hatte sich an Klaus Zimmer gewandt, da dieser eine Internetseite betreibt, die sich mit Flugzeugabstürzen im Zweiten Weltkrieg im Saarland und Umgebung beschäftigt. In einem Artikel taucht ein Albert Schwarz auf. "Ich kriege öfter solche Mails, weil ich diese Seite betreibe", sagt Zimmer. Menschen weltweit, die Angehörige im Krieg verloren haben, erhoffen sich von ihm Informationen. "Ich freue mich, wenn ich helfen kann." Im Falle von Albert Schwarz sucht Zimmer Hilfe bei unserer Zeitung. Die Suche beginntDer Name, die Adresse "Dudweilerstraße 79" in St. Ingbert und Briefpapier der Firma August Brandenburger sind die einzigen Hinweise, die es auf den einstigen Kriegsgefangenen gibt. Damit beginnt eine spannende Suche .... Ein Besuch im Stadtarchiv ist der erste Schritt, um mehr zu erfahren über Albert Schwarz. Ein Hauch Geschichte wird spürbar in den Kellerräumen des Rathauses, in denen sich alte Dokumente und Fotografien türmen. In alphabetisch sortierten Karteikästen verbergen sich viele Lebensgeschichten und Schicksale. Auch das von Albert Schwarz? Archivleiter Dieter Wirth schaut den Kasten mit "Sch" durch und findet eine alte Karte. Name und Adresse passen und es gibt einen Vermerk auf eine Kriegsgefangenschaft in England. In der 50er Jahren ist er nach Saarbrücken umgezogen - nach Fechingen. Ein Blick ins Telefonbuch bringt allerdings nicht den erhofften Erfolg. Unter der Adresse auf der Karteikarte lebt kein Albert Schwarz mehr. Das Schreiben auf Firmenpapier, das ebenfalls zu den Dokumenten aus der Vergangenheit zählt, ist nur schwer zu entziffern. Deutlich zu erkennen, ist nur der Firmenkopf: "August Brandenburger, Eisenwarenhandlung" in Brebach. Tatsächlich existiert noch eine Firma mit diesem Namen und dem Zusatz Eisen in Saarbrücken. Ein Mitarbeiter erklärt, dass er keine alten Unterlagen habe, aber es gäbe noch einen Geschäftsmann aus dieser Familie: Hans-Joachim Brandenburger. Dieser bringt seine Mutter ins Spiel. "Das ist der Albert Schwarz, den ich kenne", sagt Doris Brandenburger lächelnd, als sie eines der alten Fotos aus England in Händen hält. Er hat für die Firma August Brandenburger, die auf Haushaltswaren spezialisiert war, gearbeitet. Ende der 50er Jahre, erinnert sich die 67-Jährige, ist er zur Firma Karl Stamm in Saarbrücken gewechselt. "Das weiß ich deshalb so genau, weil ich da gelernt habe", erzählt Doris Brandenburger. Sie hat viele alte Fotos in ihrer Wohnung: von der erfolgreichen Familie Brandenburger. 1896 hat Johann Brandenburger die Firma gegründet. Später spezialisierten sich seine Söhne August, Johann junior und Friedrich auf verschiedene Geschäftszweige. "Ich bin ein bisschen nostalgisch", gesteht sie und sucht in ihrem Gedächtnis nach Informationen über Albert Schwarz. "Ich erinnere mich an seine Frau", sagt sie. "Else". Sie sei früh gestorben und Albert - so glaubt sie - bald darauf. "Sie hatten keine Kinder". Über den Bruder, den Albert in einem seiner Briefe erwähnt, weiß sie nichts. Soll die Suche damit enden? Eines ist gewiss: Der Albert Schwarz von der Karteikarte ist tatsächlich der gesuchte ehemalige Kriegsgefangene, der Freundschaft mit einer englischen Familie geschlossen hatte. Aber gibt es im Archiv vielleicht noch mehr Informationen? Hinweise auf Alberts Bruder? Dieter Wirth macht sich noch einmal auf die Suche - dieses Mal nach dem Vater von Albert. Denn auf dessen Karteikarte müssten alle Kinder vermerkt sein. "Das Archiv ist öffentlich, hier können auch Privatpersonen nach ihren Verwandten suchen", erzählt Wirth, während er die Kästen durchstöbert. Auch dieses Mal wird der Fachmann fündig. Albert hat nicht nur den erwähnten Bruder, sondern auch eine Schwester, die verheiratet ist und auch Kinder hat. Unter dem Namen Kaulfuß findet sich in Saarbrücken nur ein einziger Eintrag. Kann das wirklich Alberts Schwester sein? Eine Frau mit schneeweißem Haar steht lächelnd an der Tür. Es ist Therese Kaulfuß, die Schwester von Albert Schwarz. Beim Blick auf die alten Fotos nickt sie: "Ja, das ist Albert." Auch ihre Töchter Renate Luckas und Rosemarie Kaulfuß erkennen den Onkel sofort. Die Geschichte von Alberts Verbundenheit zu der englischen Familie und vor allem die Sprüche, die er Eileen, einer der Töchter der O'Connells, ins Poesiealbum geschrieben hat, überrascht seine Nichten. Es passe nicht ganz zu dem Albert, den sie gekannt habe, sagt Rosemarie Kaulfuß. Ihre Mutter hingegen kann sich gut an Eileen erinnern. "Von dem Mädchen hat er immer erzählt." Zum ersten Mal bekommt für Therese der Name Eileen auch ein Gesicht. Die Fotos und Briefe werden von der Familie ausführlich begutachtet. Dann knallt sogar ein Sektkorken und die drei Frauen stoßen gut gelaunt auf die Nachrichten aus der Vergangenheit an. Therese bedauert es, dass ihr Sohn nicht dabei sein kann. Auch ihn hätte die Geschichte der Suche, die im Endeffekt auch zum Ziel führte, interessiert. Beim Namen Doris Brandenburger lächelt Therese. "Ich kann mich gut an sie erinnern. Sie war damals als Lehrmädchen bei Karl Stamm." Bei dieser Firma in Saarbrücken arbeitete Albert Schwarz einige Jahre als Geschäftsführer. "Er war sehr ehrgeizig"Mitte der 60er Jahre zog er dann nach Sindelfingen. Seine Frau Else, die er 1950 geheiratet hatte, verlor er - wie bereits Doris Brandenburger erwähnte - sehr früh. Doch er selbst wurde 86 Jahre alt und verstarb im November 2008. Nach Else hatte er noch einmal geheiratet: eine Frau mit Sohn, den er adoptierte. "Sie waren bestimmt 40 Jahre verheiratet", sagt Rosemarie. Renate beschreibt den Onkel als "sehr ehrgeizig". Deshalb sei es ihm auch gelungen, sich hoch zu arbeiten. Auch in Sindelfingen war er Geschäftsführer einer großen Firma. In einem ist sich die Familie ganz sicher: Wenn er erfahren hätte, dass man ihn so gesucht hat, "das wäre das Größte für ihn gewesen".St. Ingbert. Ehrgeizig, ordentlich, manchmal abwesend und im Alter etwas sentimentaler - so beschreibt Therese Kaulfuß ihren Bruder Albert Schwarz, mit dem sie sich immer gut verstanden hat. "Er wäre nie mit schmutzigen Schuhen aus dem Haus gegangen", sagt sie schmunzelnd. Im Krieg sei er zunächst in Kaiserslautern stationiert gewesen und dann nach Afrika geschickt worden, erinnert sich Therese. Nach seiner Rückkehr hat er sich rasch zum Geschäftsführer hochgearbeitet. Auch seine erste Frau Else hatte eine sehr gute Arbeitsstelle. "Sie war Chefsekretärin in der Brauerei Becker", erzählt Therese. Mitte der 60er Jahre zog es den gebürtigen St. Ingberter nach Sindelfingen, doch vergessen hat er die alte Heimat nie. Denn er setzte sich für den Erhalt des Schlafhauses in der Dudweiler Straße 79 ein. In diesem Haus hatte er selbst mit seiner Familie gelebt. "Albert hat Pläne erstellt, wie die Häuser auf der Alten Schmelz früher ausgesehen haben", erzählt Renate Luckas, Alberts Patentochter. Sie erinnert sich auch, dass Albert leidenschaftlich gerne Kassenwart bei einem Fliegerverein in Sindelfingen war. Er habe gerne organisiert und Ordnung sei ihm wichtig gewesen. Aber er war auch ein Familienmensch. "Wenn etwas gewesen wäre mit der Familie, wäre er da gewesen", ist sich seine Nichte Rosemarie Kaulfuß sicher. evy "Wenn er gewusst hätte, dass man ihn so sucht, das wäre für ihn das Größte gewesen." Rosemarie Kaulfuß

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