Ein ganzes Leben lang hat sie andere betreut

Großrosseln. So richtig kann es Rosemarie Dillinger (83) aus Großrosseln noch nicht glauben. Aber sie fühlte sich geehrt, als sie die Pflegemedaille für die Pflege ihrer Eltern und ihrer Kinder überreicht bekam. "Ich sehe die Pflege als eine Selbstverständlichkeit an. Das war mein Schicksal, dass ich tragen musste" - so sieht es die 83-Jährige

 Rosemarie Dillinger aus Großrosseln - über die Ehrung hat sie sich gefreut. Foto: Nadja Bender

Rosemarie Dillinger aus Großrosseln - über die Ehrung hat sie sich gefreut. Foto: Nadja Bender

Großrosseln. So richtig kann es Rosemarie Dillinger (83) aus Großrosseln noch nicht glauben. Aber sie fühlte sich geehrt, als sie die Pflegemedaille für die Pflege ihrer Eltern und ihrer Kinder überreicht bekam. "Ich sehe die Pflege als eine Selbstverständlichkeit an. Das war mein Schicksal, dass ich tragen musste" - so sieht es die 83-Jährige.19 Jahre alt war sie, als ihr Mann an Malaria erkrankte. Über Jahre hinweg pflegte sie ihn, musste dadurch Freizeitaktivitäten und oft auch Schlaf opfern. "Hier hat der Verlauf meines Schicksals begonnen", sagt Dillinger. 1948 wird ihr ältester Sohn Hans-Josef geboren. Durch eine Virusinfektion bekommt er im Alter von 15 Jahren eine spastische Behinderung und wird ebenfalls pflegebedürftig. Doch für Rosemarie Dillinger kommt es noch härter. 1952 und 1955 wird sie zunächst Mutter zweier gesunder Töchter, Cornelia und Katharina. 1960 bringt sie die Zwillinge Gottfried und Michael zur Welt. Michael hat von Geburt an einen Hirnschaden, leidet an Psychose und Schizophrenie. Noch heute, sagt Dillinger, sei er ein "Mann mit einer kindlichen Natur". Hinzu kommt in den 70er Jahren die Pflege ihrer Eltern bis zu deren Tod.

Der schlimmste Tag ihres Lebens aber folgt 1975, als ihre zweitälteste Tochter Katharina Heinemann im Kindbett im Alter von gerade mal 20 Jahren an einer Lungenembolie stirbt. "Diesen Tag werde ich nie vergessen. Das habe ich bis heute noch nicht überwunden!", sagt Dillinger. Fünf Jahre später, nachdem ihr Sohn Gottfried gerade seine Ausbildung als Pharmareferent abgeschlossen hat, wird er ebenfalls ein Pflegefall durch Schizophrenie. Kaum hat Dillinger diesen Rückschlag einigermaßen überwunden, steht sie vor der nächsten Hürde: 1991 stirbt ihr Mann, von nun an muss sie sich allein um die Kinder kümmern. Und die Schicksalsschläge scheinen kein Ende zu nehmen. 1994 unterzieht sich ihr Sohn Michael, der ja bereits an Psychose und Schizophrenie leidet, einer scheinbar harmlosen Operation. Doch die Folge der Operation ist eine Lähmung - Michael ist nun auch noch an den Rollstuhl gefesselt.

Trotz alledem gibt Rosemarie Dillinger nie auf, nimmt sich auch mal Zeit für sich selbst und achtet als gelernte Modeberaterin immer noch auf ihr Aussehen. Und ein paar Jahre nach der Operation scheint das Unmögliche wahr zu werden. An Weihnachten sitzt die Familie gemütlich am Tisch. Michael stützt sich von seinem Rollstuhl auf und erklärt stolz: "Ich kann stehen!" Von nun an geht es aufwärts für ihn, der zwar heute noch an seiner Krankheit leidet, aber wie durch ein Wunder wieder laufen kann. "Diesen Moment werden wir alle nie vergessen", erzählt Tochter Cornelia Wernet. Sie wohnt heute mit ihrer Mutter und ihren Zwillingsbrüdern in einem gemeinsamen Haushalt und unterstützt ihre Mutter in der Pflege.

Voriges Jahr stand es um Rosemarie Dillinger selbst nicht gut. Herzprobleme machten ihr zu schaffen. Dennoch kümmerte sie sich sogar vom Bett aus um ihre pflegebedürftigen Kinder. "Wenn man sich immer um jemanden gekümmert hat, kann man es, auch wenn es einem schlecht geht, nicht lassen", sagt sie. Heute fragt sie sich manchmal, wie das alles seinen Lauf genommen hat. Doch wenn sie dann beim Abendessen gemütlich mit ihren Kindern zusammensitzt, weiß sie, wofür sie die Lasten auf sich genommen hat. "Wenn man sich immer um jemanden gekümmert hat, kann man es, auch wenn es einem schlecht geht, nicht lassen."

Rosemarie Dillinger, 83

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