Ein Dankesbrief vom Ex-Reichskanzler

Völklingen. Es ist kein historisch bedeutsamer Fund, nichts, was den Geschichtskundlern den Atem rauben würde. Aber es handelt sich um ein Schmuckstück, das nicht jedes Stadtarchiv sein Eigen nennt und auf das man stolz sein darf: eine Originalhandschrift des deutschen Reichskanzlers a.D. Otto von Bismarck, gesendet an einen Stammtisch in Völklingen am 5. April 1893

Völklingen. Es ist kein historisch bedeutsamer Fund, nichts, was den Geschichtskundlern den Atem rauben würde. Aber es handelt sich um ein Schmuckstück, das nicht jedes Stadtarchiv sein Eigen nennt und auf das man stolz sein darf: eine Originalhandschrift des deutschen Reichskanzlers a.D. Otto von Bismarck, gesendet an einen Stammtisch in Völklingen am 5. April 1893. Der gebürtige Völklinger Michael Groß, 53 und kinderlos, hat den Brief dem Archiv vermacht, auf dass er gut verwahrt werde.

Groß ist Urenkel von Josef Schwarz, der in der Völklinger Karl-Janssen-Straße 32 Ende des 19. Jahrhunderts eine Metzgerei mit Poststelle und Gasthaus betrieb. Hier kam, wie Groß von einem noch lebenden Onkel erfuhr, regelmäßig ein Stammtisch ehrenwerter Bürger zusammen. Im März 1893 beschlossen die Herren, vermutlich in einer Bierlaune und ohne Erwartung einer Antwort, dem (seit 1890) entlassenen Reichskanzler Otto von Bismarck zu dessen Geburtstag (am 1. April) zu gratulieren. Sie schrieben eine Karte.

Kneipen-Wandschmuck

Der Völklinger Stadtarchivar Achim Becker erinnert daran, dass Bismarck in der Bevölkerung nie besonders beliebt gewesen war. Nach seiner Demission aber habe sich die Stimmung gedreht, viele Kritiker sahen seine Regentschaft rückblickend in milderem Licht. So wohl auch besagter Stammtisch, der bereits am 5. April Post aus Friedrichsruh erhielt, dem Ruhesitz Bismarcks bei Hamburg. Der Reichskanzler a. D. schrieb, stellvertretend adressiert an den Ingenieur Ferdinand Gerhard: ".. . für Ihre freundlichen Geburtstagswünsche bitte ich Sie und alle mitbeteiligten Herren, meinen verbindlichsten Dank entgegenzunehmen - Bismarck".

Dieser Brief wurde vom Wirt Josef Schwarz auf Karton geklebt und hing bis zum 2. Weltkrieg an der Wand der Wirtschaft. Danach verschwand er in einem Keller und kam erst 1981 bei einem Hausverkauf ans Licht beziehungsweise in den Besitz von Michael Groß. Er ist Sohn vom Lehrer und Konrektor Josef Groß und von Mia Schwarz, die in der Karl-Janssen-Straße lange ein Spielwarengeschäft hatte. Er lebt seit 15 Jahren als Unternehmensberater in Freiburg und hat sich nun entschlossen, seiner Heimatstadt den Brief zu schenken.

Archiv-Konservierung

Archivar Achim Becker kündigte an, das Schriftstück von einem Fachbetrieb von dem Karton abnehmen zu lassen und damit haltbarer zu machen. Auch Teile des Kuverts mit der Briefmarke und dem Poststempel sind erhalten und bereichern das Stadtarchiv.

 Otto von Bismarck lebte nach seiner Entlassung aus dem Amt des Reichskanzlers (1890) in Friedrichsruh bei Hamburg. Von dort schrieb er 1893 nach Völklingen. Foto: dpa

Otto von Bismarck lebte nach seiner Entlassung aus dem Amt des Reichskanzlers (1890) in Friedrichsruh bei Hamburg. Von dort schrieb er 1893 nach Völklingen. Foto: dpa

 Markante Sütterlin-Schrift: Bismarcks Brief nach Völklingen. Michael Groß (Bild oben, rechts, mit Archivar Achim Becker) schenkte ihn dem Völklinger Stadtarchiv. Foto: Engel

Markante Sütterlin-Schrift: Bismarcks Brief nach Völklingen. Michael Groß (Bild oben, rechts, mit Archivar Achim Becker) schenkte ihn dem Völklinger Stadtarchiv. Foto: Engel

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