Ein Bunker erzählt Geschichte(n)

Neunkirchen. Hinter dieser Advent-Tür liegt ein Ort, den sogar die meisten Mitarbeiter des Rathauses noch nie betreten haben. "Viele wissen nicht einmal, dass es so etwas unter ihrem Arbeitsplatz gibt", sagt Brigitte Neufang-Hartmuth

 Brigitte Neufang-Hartmuth öffnet die Bunkertür. Foto: Seeber

Brigitte Neufang-Hartmuth öffnet die Bunkertür. Foto: Seeber

Neunkirchen. Hinter dieser Advent-Tür liegt ein Ort, den sogar die meisten Mitarbeiter des Rathauses noch nie betreten haben. "Viele wissen nicht einmal, dass es so etwas unter ihrem Arbeitsplatz gibt", sagt Brigitte Neufang-Hartmuth. Als Öffentlichkeitsarbeiterin der Stadt macht sie der Redakteurin und dem Fotografen der Saarbrücker Zeitung den Zugang zum Luftschutzstollen möglich. Denn die dicken Eingangstüren aus Stahl sind normalerweise fest verschlossen.Neufang-Hartmuth selbst ist erst zum zweiten Mal in den Gewölben, Hausmeister Uwe Wettmann macht dagegen regelmäßig seine Kontrollgänge, um zu schauen, ob alles in Ordnung ist und nicht etwa Wasser eindringt. Mit einer wattstarken Taschenlampe erhellt er wenigstens punktuell den Weg, denn die Beleuchtung an den Decken ist ausgefallen. Ein bisschen mulmig ist es den Besuchern schon. Der Bunker erinnert daran, dass die lange Friedenszeit, die die heutige Generation in Deutschland genießt, keine Selbstverständlichkeit ist. Muffig riecht es in den Katakomben aus Sandstein, durch die Kleider kriecht die feuchte Luft. Die Schaltzentrale mit den bunten Tasten lässt die Besucher zusätzlich frösteln. "Rot" steht für Luftalarm, bei "Schwarz" soll das Rundfunkgerät eingeschaltet werden und bei "Weiß" ertönt die Sirene AB. Brigitte Neufang-Hartmuth versucht, die seltsame Stimmung mit einem Scherz aufzulockern. "Wenn ich auf Grün drücke, komme ich bei Obama raus."

Weiter geht es durch die Gänge des Bunkers, die mit Bänken und Hochbetten aus verzinktem Rohr und PVC-Planen vollgestellt sind. Rund 400 bis 500 Menschen fanden hier, dicht gedrängt, Platz. Das Mobiliar gab es zu Kriegszeiten natürlich noch nicht. Zeitzeuge Horst Schwenk erinnert sich später im SZ-Gespräch: "Mein Bunkerstühlchen von damals hab' ich noch." Den Klappstuhl hatte der Neunjährige unter den Arm geklemmt, als im Mai 1944 die ersten Bomben auf Neunkirchen fielen und seine Familie aus dem Haus in der Schlossstraße in den Bunker flüchtete. In der Schlossstraße gab es einen von zwei Eingängen, die tief hinab in den Stollen führten. Die Kreisleitung hatte vom Jägermeisterhaus einen eigenen Zugang.

 Der ursprüngliche Stolleneingang in der Schlossstraße ist auf diesem Foto um 1960 (im Hintergrund der Rathausrohbau) rechts unten zu erkennen. Foto: Archiv Schwenk

Der ursprüngliche Stolleneingang in der Schlossstraße ist auf diesem Foto um 1960 (im Hintergrund der Rathausrohbau) rechts unten zu erkennen. Foto: Archiv Schwenk

Nach dem Krieg wurden diese zugeschüttet. Ende der 50er Jahre, als das Neunkircher Rathaus erbaut wurde, herrschte der Kalte Krieg. Ein Zugang zu dem weitverzweigten Stollensystem, das bis unter den heutigen Paulussaal reicht, wurde als notwendig erachtet. Der Bunker erhielt sein heutiges Aussehen, wurde bis zum Mauerfall 1989 sorgfältig instand gehalten. "Seither ist er in Vergessenheit geraten", berichtet Schwenk. Kein Wunder, dass selbst die Rathausmitarbeiter nicht wissen, was unter ihrem Arbeitsplatz schlummert.

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