Ein Abend mit Behinderungen im Theater im Viertel

Saarbrücken

Saarbrücken. Wie fühlt sich ein Mensch mit Behinderung? Wie ist es, blind oder gehörgeschädigt zu sein, Arm-amputiert oder gehbehindert oder gar mit mehreren Beeinträchtigungen gleichzeitig geschlagen? Angestarrt zu werden, hilflos zu sein, um Beistand bitten zu müssen? Wie erlebt man die Kontaktaufnahme zur Umwelt, und wie händelt man Tätigkeiten oder Bedürfnisse, die für Gesunde selbstverständlich sind? Zu einem Theaterexperiment über Begegnung, Austausch und Schärfung der Wahrnehmung lud am Freitag und Samstag die Bochumer Gruppe "dorisdean prod" ins Theater im Viertel. Dass sich an beiden Abenden zu "Behinderungen I - Die Recherche" jeweils nur sehr wenig Publikum einfand, liegt in der Natur der Sache - das Thema verspricht nicht eben einen unbeschwerten Abend, und obendrein wurden alle Zuschauer als aktive Teilnehmer eingebunden: Mit Schaumstoffprothesen bekam jeder eine Behinderung verpasst und wurde in Speed Datings mit den anderen geschubst. Eine sehr lehrreiche Erfahrung, weil man sich seinem unbekannten Partner gegenüber ungewohnt aufmerksam, hilfsbereit und fürsorglich verhalten musste und dabei mitunter rasch in Körperkontakt kam.So gut die Idee auch ist, ganz rund läuft die Ausführung von Nadja Godzina, Miriam Michel und Charis Nass als "Betreuerinnen" noch nicht. Dass ihre elegante Kostümierung, die Salon-Ausstattung und die Grammophonmusik eine Anspielung sind auf die 20er Jahre, als plötzlich Kriegskrüppel zum Straßenbild gehörten und Behinderte auf Jahrmärkten zur Schau gestellt wurden, erschließt sich einem inhaltlich nicht zwangsläufig. Und wird der Zuschauer anfangs sehr liebevoll gepäppelt, fühlt er sich am Ende mit seinen Fragen und Empfindungen recht allein gelassen - ein abschließendes gemeinsames Gespräch wäre vielleicht hilfreich. kek

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