Ehemalige schauen heutigen Saarstahl-Azubis über die Schulter

Völklingen. Manches ändert sich nie. "Es kommt auf die richtige Körperhaltung an", sagt Erich Webers. Der Rentner zeigt dem Saarstahl-Auszubildenden Marco Lorson, wie er sein Lehrstück noch verbessern kann. "Den rechten Ellenbogen zur Seite, den linken Arm fast gerade aussstrecken und dann so", sagt er und macht ein paar Feilenstriche vor

Völklingen. Manches ändert sich nie. "Es kommt auf die richtige Körperhaltung an", sagt Erich Webers. Der Rentner zeigt dem Saarstahl-Auszubildenden Marco Lorson, wie er sein Lehrstück noch verbessern kann. "Den rechten Ellenbogen zur Seite, den linken Arm fast gerade aussstrecken und dann so", sagt er und macht ein paar Feilenstriche vor. "So trägst du das Material nur auf dem Buckel in der Mitte ab und das wird dann schön plan", erklärt er. Webers ist nicht etwa der Ausbilder des angehenden Industriemechanikers. Er hat vor ziemlich genau 60 Jahren seine Lehre als Elektro-Installateur bei Saarstahl begonnen, und der damals etwa 90-köpfigeLehrgang ist der einzige, der in dieser Weise die Beziehung zum alten Arbeitsplatz pflegt. Das sagt Detlef Thieser, der zusammen mit Arno Hübschen diese Treffen organisiert. Während vieles unverändert geblieben ist, ist anderes nicht mehr, wie es war. "Als wir am 1. August 1950 angefangen hatten, waren wir ja noch die Lehrlinge. Heute werden die jungen Leute Auszubildende oder Azubis genannt", so Hübschen. Wer damals die dreimonatige Testphase überstanden hat, wurde je nach seinen Leistungen den verschiedenen Berufen zugeteilt. Hübschen ist stolz auf seinen Jahrgang. Denn: Alle haben im Metier Karriere gemacht, Thieser und Hübschen haben den Meisterbrief erworben. Hübschen war später stellvertretender Betriebsratsvorsitzender und Aufsichtsratsmitglied. Zudem war er drei Jahre lang Meister für die Werkzeugfertigung für Saarstahl in Indien. Damals wie heute ging die Schere zwischen Bewerbern und eingestellten Azubis weit auseinander. Waren es aktuell mehr als 2200 auf 90 Stellen, mussten sich Webers, Thieser und Co nur gegen 450 Mitbewerber durchsetzen. Da war gut beraten, wer einen Tippgeber zur Hand hatte, wie Thiesers Anekdote beweist: "Wir sollten an einer Konstruktion mit einer Holzplatte, verschiedenen Rädern und einem Lederriemen den Riemen so verstellen, dass sich das Rad anders rum dreht." Eine knifflige Aufgabe, und er verrät heute schmunzelnd: "Ich hatte vorher einen Tipp bekommen."Alles ging bei ihm aber auch nicht glatt. Oft habe er heimlich Schweißen geübt. Das war seine Leidenschaft, gehörte aber nicht zu seinem Tätigkeitsfeld als Werkzeugmacher. Einmal hat er sich dabei verletzt. "Das gab vielleicht eine Zigarr' ", erinnert er sich. Fest steht jedenfalls, die damaligen Röchling-Lehrlinge hatten ein solides Rüstzeug mitbekommen, auf dem sich aufbauen ließ. "Fast alle haben sich auf dem zweiten Bildungsweg fortgebildet", sagt Hübschen. So auch Hermann Backes, den die Karriere nach Oberbayern verschlagen hat: "Nachdem ich bei der ersten Ausbaustufe für das BMW-Werk Dingolfing mitgearbeitet habe, habe ich mich mit einem Ingenieursbüro in München selbstständig gemacht." Die ersten Feilstriche haben nicht nur Webers geprägt. Thieser erinnert sich: "In der Lehrwerkstatt hing der Spruch: ,Eisen erzieht'." Er erklärt: "Nach zwei Wochen hatten wir vom Feilen Blasen an den Fingern, wir haben dort innerhalb von drei Monaten viele persönliche Grenzen erfahren." "Fast alle haben sich auf dem zweiten Bildungsweg fortgebildet." Arno Hübschen, ehemaliger Saarstahl-Lehrling

HintergrundDer Ausbildungsjahrgang 1950 des heutigen Saarstahl-Unternehmens traf sich erstmals 1975 zum 25-jährigen Berufsjubiläum. Seitdem gab es einige Ausflüge, etwa zu Arcelor in Paris. 1990 war die Gruppe bei der Einweihung des neuen Stahlwerkes mit dabei, 2000 wurde die Maginot-Linie besucht. Von den einst 90 Auszubildenden sind nach Arno Hübschens Recherchen 27 verstorben, von 32 besitzt er keine Adressdaten. Ein einstiger Kollege lebt heute in Australien, einer in Spanien und einer in der Schweiz. 22 Azubis des 1950er Jahrgangs fanden sich jetzt mit ihren Partnern zum Treffen ein. al

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