Atomkraft Großes Rätselraten um Pläne für Cattenom

Saarbrücken/Trier/Cattenom · Der Energiekonzern EDF will Grundstücke neben den vier Reaktoren kaufen. Aber wozu? Atomkraft-Gegner fürchten Schlimmes.

Rund um das Atomkraftwerk Cattenom will der französische Energiekonzern EDF angeblich hunderte Hektar Land für neue Projekte kaufen. Das Saar-Umweltministerium hat noch keine Erkenntnisse dazu.

Rund um das Atomkraftwerk Cattenom will der französische Energiekonzern EDF angeblich hunderte Hektar Land für neue Projekte kaufen. Das Saar-Umweltministerium hat noch keine Erkenntnisse dazu.

Foto: dpa/Christophe Karaba

Es hat wohl keiner ernsthaft damit gerechnet, dass der französische Staatspräsident Emmanuel Macron die baldige Schließung des grenznahen Kernkraftwerks Cattenom verkünden würde. Bis 2025 sollen 14 der insgesamt 58 Reaktoren im Nachbarland abgeschaltet werden. Cattenom gehört allerdings nicht dazu. Für die seit 1986 laufende Anlage gibt es keine Abschaltperspektive.

Im Gegenteil: Laut französischen Medienberichten beabsichtigt der Kraftwerksbetreiber, der französische Energiekonzern EDF, Grundstücke neben den vier Reaktoren zu kaufen. Der Direktor der Anlage, Thierry Rosso, sagte der Tageszeitung „Le Républicain Lorrain“, die EDF kaufe rund um die Anlage „mehrere Hundert Hektar“ Grundstücke für Projekte, die „morgen entstehen könnten“. Es gebe viele Möglichkeiten wie Photovoltaik-Anlagen oder Windräder, sagte Rosso. Bislang gebe es noch nichts Konkretes, man sei „einfach vorausschauend“.

Allerdings soll EDF angekündigt haben, an 18 anderen Standorten von Atomkraftwerken auf zusätzlich gekauften Flächen weitere Reaktoren zu bauen. Das Projekt läuft unter dem Titel „Die Zukunft vorbereiten“. Kritiker befürchten, dass die Grundstücke auch zur Lagerung abgebrannter Brennstäbe verwendet werden könnten.

Das saarländische Umweltministerium hat bislang noch keine Erkenntnisse über die Pläne für Cattenom. „Wir bemühen uns um Informationen aus Frankreich“, sagte Sprecherin Sabine Schorr der SZ.

Grünen-Landeschef Markus Tressel fordert schnelle Klarheit über die Pläne der EDF. „Cattenom muss als Standort für mögliche neue Druckreaktoren ausgeschlossen werden.“ Die Bundesregierung, müsse klären, ob und gegebenenfalls welche neuen Anlagen in Cattenom geplant werden.

Die Ankündigung Macrons, Fessenheim vom Netz zu nehmen, sei eine Aufforderung an die Bundes- und die Landesregierung, schnell in Paris vorstellig zu werden. Allen voran die Saarländer Heiko Maas (SPD) und Peter Altmaier (CDU), aber auch der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) müssten den günstigen Zeitpunkt nutzen und sich für eine Abschaltung Cattenoms einsetzen. Der Bund, so Tressel, solle der französischen Seite zudem Energiewende-Knowhow und auch Hilfe beim Rückbau der Atomanlagen anbieten. Die Linke ist auch dafür, Frankreich bei den Kosten eines Ausstiegs unter die Arme zu greifen.

Rosso, der Direktor in Cattenom, hatte im Frühjahr angekündigt, dass Cattenom länger als die bislang vorgesehenen 40 Jahre (das wäre bis 2026) am Netz bleiben soll und es dafür auch entsprechende Investitionen geben werde. Der erste der vier Reaktoren ist 1986 ans Netz gegangen. Seitdem haben Landesregierungen in Saarbrücken und Mainz mit politischen und rechtlichen Mitteln erfolgslos versucht, Frankreich zum Abschalten der Anlage zu bewegen. Der Europa-Abgeordnete Jo Leinen (SPD), der in den 80er Jahren als saarländischer Umweltminister gegen Cattenom kämpfte, sagt heute enttäuscht: „Seit 32 Jahren bedrohen die vier Meiler Umwelt und Menschen in der Großregion.“

Bislang hat das Thema bei hochrangigen Treffen mit französischen Spitzenpolitikern nicht auf der Tagesordnung gestanden. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage Tressels hervorgeht, hat es seit Mai 21 Treffen von Vertretern der Bundesregierung, darunter Wirtschaftsminister Altmaier und Außenminister Maas, mit französischen Regierungsmitgliedern gegeben. Das Kernkraftwerk Cattenom sei nicht Gegenstand gewesen, heißt es in der Antwort aus Berlin.

„Die Energiepolitik liegt in der Verantwortung der Nationalstaaten. Deshalb bleibt es der erfolgversprechendste Weg, in den ständigen Gesprächen mit den französischen Regierungsvertreterinnen und -vertretern die Abschaltung Cattenoms zu thematisieren und damit die Forderung aufrechtzuerhalten“, sagt Justizministerin Katarina Barley (SPD) aus Schweich bei Trier. Sie habe das kürzlich auch bei einem Treffen mit Macron thematisiert. Mit dem Hinweis auf die energiepolitische Souveränität der EU-Staaten haben es bisher alle Bundesregierungen vermieden, Frankreich zu einer Abschaltung von Cattenom zu drängen – selbst der damalige grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin.

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