"Durchhalten bis Grewenig kam"

Völklingen. Dienstag, 15.02 Uhr. Der erste Bus hat eine Gruppe älterer Herrschaften ausgespuckt. "Das ist der Busfahrer aus der Pfalz, der jetzt gleich auf eigene Faust eine Führung beginnt", sagt Peter Backes. Er nimmt es gelassen, dass ihm da jemand ein bisschen ins Handwerk pfuscht. Peter Backes führt seit mehr als 25 Jahren Besucher durch das Weltkulturerbe Völklinger Hütte

Völklingen. Dienstag, 15.02 Uhr. Der erste Bus hat eine Gruppe älterer Herrschaften ausgespuckt. "Das ist der Busfahrer aus der Pfalz, der jetzt gleich auf eigene Faust eine Führung beginnt", sagt Peter Backes. Er nimmt es gelassen, dass ihm da jemand ein bisschen ins Handwerk pfuscht. Peter Backes führt seit mehr als 25 Jahren Besucher durch das Weltkulturerbe Völklinger Hütte. Dienstags, wenn der Eintritt von 15 Uhr an frei ist, übernehmen das auch schon mal andere für ihn. Ohnehin, sagt Backes, leite er eher "Promi-Führungen".Backes, der Soziologe, hat sich schon in den achtziger Jahren mit dem späteren Weltkulturerbe auseinandergesetzt. 1986 wurde die Hütte geschlossen, im selben Jahr noch die Initiative Völklinger Hütte gegründet. Menschen mit Begeisterung für das industrielle Erbe taten sich zusammen. Die Völklinger, vor allem viele ehemalige Hüttenarbeiter, hielten sich hingegen zurück. Zu groß war bei vielen der Schmerz, zu heftig die Wut über das Ende der Hütte.

Als die Hütte 1986 stillgelegt wurde, hatte Peter Backes eine Stelle im Konservatoramt. Eine Dokumentation über die Gebläsehalle war Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für den Soziologen. Das Interesse an der Hütte blieb. Als sie 1994 zum Weltkulturerbe erklärt wurde, war das Gelände schwer zugänglich, erinnert sich Backes. Verschlossen die Tür. Bis 1999. Fast eine verbotene Stadt. Dann kam Meinrad Maria Grewenig. Von ihm, sagt Backes, habe er viel gelernt. Zwei Zahlen nennt er als eine Art Beleg: Zwischen 1986 und 1999 seien es insgesamt 25 000 Besucher gewesen - 1999 sei die Zahl auf 100 000 gestiegen, heute seien es 200 000 pro Jahr.

"Industriekultur funktioniert nur, wenn man die Leute reinlässt", sagt Backes. Und ihnen viel erklärt. Peter Backes hatte viele Jahre lang Zeitverträge, hat "zwischendurch auch mal was anderes gemacht".

"Durchhalten bis Grewenig kam", nennt er das heute. Ein Jahr später hatte Backes seine Festanstellung. Er lebt in Saarbrücken, ist bekennender Saarbrücken-Fan, doch sein Herz hängt an der Hütte. "Am meisten fuchst es mich, dass ich nicht mehr erleben kann, wie es hier in 50 Jahren aussehen wird." Backes ist 60, hat drei Enkel ("Ein unbeschreiblich schönes Gefühl"), die in Hofheim am Taunus leben.

Peter Backes ist Reisender in Sachen Weltkulturerbe. Vor nicht allzu langer Zeit war er in Polen, kurz darauf in Moskau. Dort hat er die alte Völklinger Hütte bei einer großen Museumsmesse vorgestellt. Ansonsten ist sein Platz der Schreibtisch. Backes verantwortet alle Texte, die im Gelände und in den Ausstellungen benötigt werden; er redigiert auch Katalogtexte. Und er schult Besucherbegleiter. Die müssen wissen, "warum der rostige Riese Weltkulturerbe ist". Und sie müssen es den Besuchern genau und gut erklären können. Backes selbst führt etwa alle vierzehn Tage eine Gruppe über den sechs bis sieben Kilometer langen Besucherweg. Ob er alle Ecken kennt? Nein, auch er, der Fachmann, entdeckt immer noch Neues. Oder preist Bekanntes an: Hier hat eine Fuchsfamilie gelebt, dort sieht Farn aus wie in der Urzeit. Ein paar Meter weiter lehnt er sich ans Viadukt der Schlackenbahn ("finde ich klasse") und erzählt, dass es auf dem riesigen Gelände auch ein paar Stellen gibt, wo er sich nicht mehr hintraut.

Danach sofort wieder Begeisterung, als er beschreibt, wie schön der Tag für ihn war, an dem die Restaurierungsarbeiten an der Trockengasreinigung begannen. Backes ist längst unheilbar mit dem Weltkulturerbe-Virus infiziert. Seine Arbeit nennt er den "absoluten Traumjob" und verleiht ihr obendrein das Prädikat "besser geht es nicht". Wer so begeistert ist, behält seine Gelassenheit, auch wenn es mal nicht so gut läuft. Besucher sich beispielsweise beschweren. Das tun sie, wenn sie sich nicht ausreichend informiert fühlen oder zu wenig Bänke zum Ausruhen finden. Der Weg durchs Weltkulturerbe ist weit - und manchmal auch beschwerlich. Etwa wenn es nach oben geht und Höhenangst den Überblick trübt. Beschwerdemanagement gehört zu seinem Job dazu. Er selbst bleibt positiv: "Mich macht es froh, zu sehen, dass die Leute zu uns kommen und das Weltkulturerbe als ihr Weltkulturerbe annehmen."

Zur Person

Peter Backes ist gebürtiger Saarbrücker, Jahrgang 1952, wohnt im Nauwieser Viertel, ist verheiratet, hat einen Sohn und drei Enkel. Er hat Soziologie, Sozialpsychologie und Psychologie in Saarbrücken studiert und u.a. im Landeskonservatoramt gearbeitet. Seit 1999 ist er fest bei der Völklinger Hütte und als Projektleiter zuständig für Besucher-Mangement,Tourismus und Internationale Projekte. Neben seiner Leidenschaft für seinen Job ist er treuer Fan des 1. FC Saarbrücken. red

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