Dunkle Vergangenheit eines Ortes

Saarwellingen. Ein Mann kniet am Boden und verlegt einen viereckigen, vergoldeten Stein. Eine Gruppe von Menschen umringt ihn und beobachtet ihn stumm. Diese Szene ist in Saarwellingen bereits bekannt. In einer ersten Aktion verlegte der Kölner Künstler Gunter Demnig schon im Frühjahr 2011 Gedenksteine für Opfer des Nationalsozialismus, in der Engel- und Schlossstraße in Saarwellingen

 Das Foto zeigt Alfred Grünfeld, Sohn des Lehrers Leo Grünfeld, und Josefine Blass, Tochter des Hausbesitzers in der Vorstadtstraße. Der kleine Alfred wurde als Siebenjähriger in Lodz ermordet.

Das Foto zeigt Alfred Grünfeld, Sohn des Lehrers Leo Grünfeld, und Josefine Blass, Tochter des Hausbesitzers in der Vorstadtstraße. Der kleine Alfred wurde als Siebenjähriger in Lodz ermordet.

Saarwellingen. Ein Mann kniet am Boden und verlegt einen viereckigen, vergoldeten Stein. Eine Gruppe von Menschen umringt ihn und beobachtet ihn stumm. Diese Szene ist in Saarwellingen bereits bekannt. In einer ersten Aktion verlegte der Kölner Künstler Gunter Demnig schon im Frühjahr 2011 Gedenksteine für Opfer des Nationalsozialismus, in der Engel- und Schlossstraße in Saarwellingen. Nun wurden an weiteren vier Stellen in der Vorstadtstraße Stolpersteine für jüdische Mitbürger gesetzt. Eine dritte Aktion ist im kommenden Jahr geplant.

Vertrieben und ermordet

In der Vorstadtstraße 53 wohnte die Familie Worms, bis sie ihren Heimatort unfreiwillig verlassen musste: Johanna Worms, geborene Wertheim, Jahrgang 1884, wurde 1939 nach Kassel deportiert und 1941 in Riga ermordet. Ihr Mann, der Saarwellinger Kleinviehhändler Isidor Worms, Jahrgang 1871, starb gedemütigt und entrechtet 1941. Der gemeinsame Sohn Helmut Worms, geboren 1920, floh als 16-Jähriger nach Frankreich, wird jedoch interniert und 1942 deportiert; er wurde 1944 in Auschwitz-Birkenau ermordet. Sein zwei Jahre jüngerer Bruder Walter Worms floh ebenfalls nach Frankreich, wurde aber 1940 ins Lager Gurs deportiert. Ihm gelang jedoch mit falschen Papieren die Flucht nach Lyon, als einziger seiner Familie überlebte er.

Keine Gnade für Kinder

In ihrem Elternhaus in der Vorstadtstraße 16 (früher Saarlouiser Straße 41) lebte Ella Bonnem, Jahrgang 1888, mit ihrer Tochter Sarah Wilma, geboren 1922, nach ihrer Scheidung. 1935 mussten die beiden mit der Großmutter Rosina Löb nach Luxemburg fliehen. 1942 wurden Ella und Wilma Bonnem nach Auschwitz deportiert, wo sie zwei Jahre später ermordet wurden.

In der Vorstadtstraße 38, dem Haus von Josefine Blass, wohnte die Familie des in Auschwitz ermordeten Saarwellinger Lehrers Leo Grünfeld, der bereits 2011 in der Engelstraße mit einem Stolperstein bedacht wurde. Seine Frau Zerlinde, geborene Unna, und sein siebenjähriger Sohn Alfred wurden ebenfalls 1941 deportiert und im Getto Lodz ermordet.

Zwei Familien zerstört

 Angehörige der Opfer und Saarwellinger Bürger wohnten der Verlegung der Stolpersteine in der Vorstadtstraße bei. In der Mitte am Boden kniet Gunter Demnig. Fotos: Gemeinde Saarwellingen

Angehörige der Opfer und Saarwellinger Bürger wohnten der Verlegung der Stolpersteine in der Vorstadtstraße bei. In der Mitte am Boden kniet Gunter Demnig. Fotos: Gemeinde Saarwellingen

Vor dem Aktiv-Markt in der Vorstadtstraße wird mit den Stolpersteinen zwei Saarwellinger Familien gedacht, deren Leben der Holocaust zerstörte: Der Saarwellinger Handelsmann Morel Levie, Jahrgang 1881, wurde 1940 deportiert und in Auschwitz 1942 ermordet, ebenso seine Frau Erna Levie, geborene Haas. Die Tochter Erika, geboren 1920, musste als 16-Jährige Saarwellingen verlassen, sie wurde ebenfalls 1940 deportiert und zwei Jahre später in Auschwitz ermordet. Ihr zwei Jahre jüngerer Bruder Kurt überlebte den Holocaust, weil er 1937 aus Saarwellingen nach Israel floh. Morel Levies Bruder Waldemar Levie, Jahrgang 1890, starb nach der Deportation ins Lager Gurs 1944 in Auschwitz-Birkenau. Seine Frau Anna Levie, geborene Kahn, musste 1940 mit ihren drei Söhnen, dem elfjährigen Paul, dem ein Jahr jüngeren Hans und dem Neugeborenen Salo, fliehen, zunächst nach Mannheim zu Verwandten, später in die USA; nur so überlebten sie die Judenverfolgung.

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