Droht Stiftung Hospital die Insolvenz?

St Wendel · Der Anbieter von Kinder-, Jugend- und Altenpflege mit jahrhundertelanger Tradition macht Miese. Darum müssen Angestellte Gehaltseinbußen hinnehmen. Die Gewerkschaft Verdi kritisiert diesen Schritt. Kuratoriumschef Klaus Bouillon kündigt Strukturreformen an.

 Von hier aus wird die offenbar finanziell angeschlagene St. Wendeler Stiftung Hospital verwaltet. Foto: Zimmermann

Von hier aus wird die offenbar finanziell angeschlagene St. Wendeler Stiftung Hospital verwaltet. Foto: Zimmermann

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Der Stiftung Hospital steht das Wasser bis zum Hals. Diesen Eindruck vermittelt ein dramatisches Schreiben der Geschäftsführung an alle Mitarbeiter. Darin ist von "drohender Insolvenz" die Rede. Von wirtschaftlicher Lage, die es zu stabilisieren gelte. Das haben nun die Angestellten zu bezahlen. Auf sie wirkt sich die klamme Finanzlage drastisch aus, sie müssen auf Gehalt verzichten. Konkret: "Die Jahressonderzahlung 2013 wird um 50 Prozent abgesenkt", kündigen Chefetage und Mitarbeitervertretung gemeinsam an.

Laut Hospitaldirektor Karl Kasper (63) sind 600 Kollegen betroffen - "auch ich". Ausgenommen seien 50 Mitarbeiter der Kinderhilfe sowie rund 150 Beschäftigte der ausgegliederten Stiftung-GmbH. Mit dem Einschnitt wolle das Unternehmen 300 000 Euro einsparen. Die Jahressonderzahlung, in anderen Branchen Weihnachtsgeld genannt, mache je nach Lohngruppe zwischen 60 und 85 Prozent eines Monatsbruttogehalts aus.

Wodurch rutschte die Stiftung in diese Notlage? "Es ist die Kopplung unserer Löhne an die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst", argumentiert der Chef. So seien in den vergangenen Jahren insbesondere in der Jugendhilfe die Gehälter gestiegen, die Leistungsentgelte in diesem Bereich aber nicht in dem Maße angehoben worden, um mit den Personalkosten Schritt zu halten. Kasper: "Hier klafft eine seit 2008 immer größer werdende Lücke, die die Stiftung nicht stopfen kann." Durch das gekürzte Weihnachtsgeld verschaffe sich die Stiftung Luft. "Wir mussten die Notbremse ziehen." Bei einem Jahresumsatz aller Bereiche von 35 Millionen Euro mache die Stiftung dieses Jahr 385 000 Euro Miese in der Jugendhilfe. Seit 2008 liefen laut Kasper knapp 1,5 Millionen Euro auf. Neben der gekürzten Sonderzahlung will der Direktor zudem am Personal sparen, aber Entlassungen vermeiden. Kaspers leicht optimistischer Ausblick auf 2014: "Es wird besser als eine schwarze Null."

Unverständnis bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. "Das hat wenig mit Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitern zu tun", kritisiert Lisa Summkeller (28). Die Gewerkschaftssekretärin ist für kirchliche Einrichtungen verantwortlich und trifft damit die Stiftung Hospital als korporatives (körperschaftlich zusammenhängendes) Mitglied des christlichen Deutschen Caritas-Verbands im Mark. Denn erst kurz vor dem erwarteten Gehalt sei die Belegschaft schriftlich informiert worden. Dabei planten viele diese Zusatzleistung fest ein, um wie jetzt zum Jahreswechsel eintrudelnde Versicherungsrechnungen zu begleichen. "Ich finde das unverantwortlich", klagt Summkeller.

Mit dem aufgezwungenen Verzicht gewährten die Mitarbeiter dem Arbeitgeber einen zinslosen Kredit, während sie womöglich einen zinsbelasteten bei Banken aufnehmen müssten. "Gleichzeitig steht nicht fest, wie lange das Darlehen gewährt werden soll." Im Brief heißt es zur späteren Gutschrift des einbehaltenen Lohns: "Sofern ab den Kalenderjahren 2014 ff. ein Jahresüberschuss von mindestens 300 000 Euro erwirtschaftet wird, erfolgt eine Auszahlung". Für die Gewerkschafterin bedeutet das: "Es steht nicht fest, wann das Geld ausbezahlt wird. Verlangen Sie mal bei Ihrer Bank einen zinslosen Kredit auf unbestimmte Laufzeit."

Der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung (MAV) bei der Stiftung, Martin Grundhöfer-Degel (47), verteidigt die von seinem Gremium mitgetragene Entscheidung: "Wir sichern langfristig Arbeitsplätze in der Stadt und im Landkreis." Außerdem schließe die Vereinbarung mit der Geschäftsführung über die gekürzte Sonderzahlung betriebsbedingte Kündigungen aus. "Wenn es die doch gäbe, wäre der Vertrag null und nichtig." Weitere Zugeständnisse seien unter anderem, dass die MAV kompletten Einblick in die Geschäftsbücher erhalte, um später das jetzt zurückbehaltene Gehalt auszubezahlen.

Kuratoriumsvorsitzender, St. Wendels Bürgermeister Klaus Bouillon (65), kündigt indes an: "Wir werden strukturell einiges verändern, um effektiver zu werden." Er versichert, dass es keine Entlassungen geben werde, allerdings "werden freiwerdende Stellen nicht wiederbesetzt".

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StichwortStiftung Hospital: Die Einrichtung, heute mit Kinder-, Jugend-, Altenhilfe, wurde 1455 ins Leben gerufen. Eheleute vermachten Kirche und Stadt ein Areal zum Bau eines Spitals, woraus das erste Seniorenhaus wurde. Bis 1800 blieb die Stiftung unverändert. Auch Waisenkinder wurden betreut. Vorläufer eines Kindergartens und der Jugendbetreuung kamen hinzu. 1852 bis 1972 kümmerten sich auch Ordensschwestern um die Menschen. Über die Geschicke befindet ein Kuratorium mit den geborenen Mitgliedern Bürgermeister und Pastor der Pfarrei St. Wendelin sowie fünf weitere nicht ständige Mitglieder (Bürger der Stadt).Rund 800 Mitarbeiter (kirchlich: Dienstnehmer) sind beschäftigt, davon 150 in einer ausgelagerten Gesellschaft. Standorte der Altenpflege und Jugendhilfe verteilen sich auf den Landkreis St. Wendel. (Quelle: Stiftung/SZ) hgn

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