Dreistadt drängt auf Luft-Messungen

Dorf im Warndt/Karlsbrunn/ Carling · Nächtliches Gas-Abfackeln auf der Carlinger Chemieplattform, begleitet von Übelkeit erregenden Gerüchen, beunruhigt seit Monaten die Warndt-Bewohner. Großrosselns Bürgermeister Jörg Dreistadt (SPD) fordert jetzt energisch regelmäßige Messungen der Luftqualität.

 Carlinger Fackel-Flammen, von Karlsbrunn aus gesehen: Diese Aufnahme hat SZ-Leserin Heike Schreiner aus Dorf im Warndt am vorigen Mittwoch um 19.22 Uhr gemacht. Foto: Heike Schreiner

Carlinger Fackel-Flammen, von Karlsbrunn aus gesehen: Diese Aufnahme hat SZ-Leserin Heike Schreiner aus Dorf im Warndt am vorigen Mittwoch um 19.22 Uhr gemacht. Foto: Heike Schreiner

Foto: Heike Schreiner

Großrosselns Bürgermeister Jörg Dreistadt (SPD) treibt heiliger Zorn um. Das ganze Wochenende lang, sagt er im SZ-Gespräch, habe auf der Chemieplattform im französischen Carling wieder die Fackel gebrannt. Auch an den beiden Wochenenden zuvor. Jedoch habe die Gemeinde dazu keine Meldung aus Frankreich erhalten. Auch wochentags hätten Großrosseler allabendlich die Fackel und die Übelkeit erregenden süßlichen Gerüche wahrgenommen, die die Bürger schon länger beunruhigen (wir haben berichtet). Das französische Messnetz Atmolor habe zeitgleich Verschlechterungen der Luftqualität verzeichnet.

Auf deutscher Seite aber, sagt Dreistadt, werde die Luftqualität gar nicht erst gemessen. Beziehungsweise wichtige Mess-Parameter würden nicht erfasst - etwa in Lauterbach: Die dortige Station misst ausschließlich Feinstaub und Schwefeldioxid.

Aber die sind bei den Emissionen, die der Westwind aus Carling über die Grenze trägt, nicht das Problem. Sondern eher so genannte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK): Benzol, Toluol, Styrol - alle mehr oder minder giftig und krebserregend.

Zwei französische Stationen nahe der Chemieplattform messen stündlich auch Benzol, Toluol und Styrol. Äthylen und Butyl aber - sie werden in der zweiten, "unsichtbaren" Carlinger Fackel verbrannt (siehe Artikel unten) - misst niemand. Das könne nicht angehen, meint Dreistadt: "Wir brauchen Messungen. Und zwar aktive Messungen, die auch kurzfristige Spitzen zeigen, keine heruntergerechneten Mittelwerte."

In einem geharnischten Brief, den er am vorigen Freitag per Bote ins Umweltministerium geschickt hat, fordert er das ein. Das Ministerium, sagt er, müsse endlich die Schadstofffracht aus Frankreich dokumentieren. Es müsse handeln, gemeinsam mit den französischen Überwachungsbehörden. Mit Standardfloskeln - auf Melde-Faxen aus Carling steht seit Jahren, der Fackelbetrieb bedeute keine Gesundheitsgefahr - mag sich Dreistadt nicht zufriedengeben: "Wie kann das Umweltministerium versichern, dass keine Gefahr für die Gesundheit der Bürger bestehe, wenn es über die Zusammensetzung der Fackelgase gar nichts weiß?"

Auch sonst sei viel zu undurchsichtig, was auf der Chemieplattform vorgehe. Allein von Juni bis Ende August habe die Fackel 153 Stunden lang gebrannt, seither noch öfter - im ganzen Vorjahr hingegen seien es nur 74 Stunden gewesen: "Da muss doch was los sein!"

Dreistadt will es jetzt wissen. Komme das Ministerium der Gemeinde in Sachen Messungen nicht entgegen - "was ich vermute" -, werde die Kommune selbst messen lassen: "Wir sind schon mit einer Firma im Gespräch." Unruhe und Sorge der Bürger seien enorm gewachsen. "Und ich möchte mir nachher nicht vorwerfen lassen, ich hätte nichts getan."

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