Dreier-Koalition will Juncker stürzen

Luxemburg · Nach 18 Jahren an der Spitze der luxemburgischen Regierung steht Premier Jean-Claude Juncker vor dem Aus: Seine Partei CSV ist nach der Parlamentswahl zwar weiter stärkste Fraktion. Aber Liberale, Sozialisten und Grüne wollen eine Regierung bilden.

 Jean-Claude Juncker hat kaum noch Chancen, in Luxemburg weiterzuregieren. Foto: Epa/Nicolas Bouvy

Jean-Claude Juncker hat kaum noch Chancen, in Luxemburg weiterzuregieren. Foto: Epa/Nicolas Bouvy

Foto: Epa/Nicolas Bouvy

Rot, Blau, Grün - das sind die Nationalfarben des afrikanischen Landes Gambia. Rot, Blau und Grün könnten aber auch die Farben der künftigen Regierung Luxemburgs sein. Die Sozialdemokraten der LSAP, die liberale DP - in Luxemburg die Blauen - und die Grünen wollen ein Regierungsbündnis bilden, genannt Gambia-Koalition. Die drei Parteien kommen nach der Parlamentswahl vom vergangenen Sonntag zusammen auf 32 der 60 Sitze im Luxemburger Parlament. Sie könnten den seit 1995 regierenden Premierminister Jean-Claude Juncker ablösen.

Zunächst hat es so ausgesehen, als würden die seit 1979 regierenden Christsozialen (CSV) mit Juncker an der Spitze samt der DP eine Regierung bilden. Die CSV hat drei Sitze eingebüßt und kommt im neuen Parlament auf 23 Sitze, bleibt damit stärkste Fraktion. Zusammen mit der DP, die sich von neun auf 13 Sitze verbessern konnte und als Wahlgewinner gilt, wäre die CSV stärker als die Gambia-Koalition. Doch offensichtlich will DP-Chef Xavier Bettel, Bürgermeister der Stadt Luxemburg, nicht mit der CSV koalieren. Beobachter führen das auf eine Beleidigung Bettels durch eine CSV-Politikerin wegen dessen Homosexualität zurück.

DP, LSAP und die Grünen haben sich gestern zu Koalitionsgesprächen getroffen. Das letzte Wort in Luxemburg hat jedoch das Staatsoberhaupt, Großherzog Henri. Er kann aus den Reihen der Parlamentsparteien einen Politiker mit der Koalitionsbildung beauftragen, einen sogenannten Formateur. Er kann aber auch einen sogenannten Informateur bestimmen, der zunächst einmal sondiert, welche Koalitionen überhaupt möglich sind.

1974 hatte die DP - unter unter dem späteren Präsidenten der EU-Kommission, Gaston Thorn, - schon einmal mit den Sozialisten regiert. Sie lösten damit erstmals in der Nachkriegsgeschichte die CSV ab. Genau das könnte sich nun wiederholen. Ein Bündnis mit der CSV kommt für Bettel schon deswegen nicht in Betracht, weil er dann nicht Premierminister werden würde. Die Liberalen haben zudem Angst vor einem Sympathieverlust wie 2004, als sie nach fünfjähriger Koalition mit der CSV bei der Wahl fünf Sitze verlor.

Obwohl der LSAP-Spitzenkandidat und bisherige Wirtschaftsminister Etienne Schneider vor der Wahl mit dem klaren Ziel angetreten ist, Premierminister zu werden, überlässt er nun wohl Bettel den Vortritt. Der 42-jährige Schneider, der sich wie Bettel offen zu seiner Homosexualität bekennt, gilt als ebenso ehrgeizig wie der Liberalen-Chef.

Juncker zeigte sich nach einem Gespräch mit dem Großherzog gestern enttäuscht, dass DP, LSAP und Grüne bereits über eine Koalition redeten, bevor das Staatsoberhaupt überhaupt entschieden habe, wer mit der Regierungsbildung beauftragt werde.

Der Trierer Politikwissenschaftler und Luxemburg-Experte Wolfgang Lorig sieht die größte Herausforderung für eine Gambia-Koalition in der Sanierung der Staatsfinanzen. Außerdem müssten die Gesundung der sozialen Sicherungssysteme, die Überprüfung der Lohnindexierung (also der automatischen Anpassung der Gehälter an die Preissteigerung) sowie die Höhe der Mehrwertsteuer auf die politische Agenda gesetzt werden, sagte Lorig der SZ.

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