Direktor sieht Zoo als moderne Arche Noah

Neunkirchen · Vor einer Woche haben Tierschutzorganisationen einen Bericht veröffentlicht, demzufolge vieles in den europäischen, auch den deutschen Zoos, im Argen liege. Unter den 25 untersuchten Zoos war der Neunkircher nicht dabei. Dessen Zoodirektor Norbert Fritsch war jetzt zu Gast. Er hat viel Verständnis für die Arbeit der Tierschützer, aber keines für ihren Schrei nach Schließung der Tiergärten.

 Vor einem halben Jahr hat Struppi ihr Baby Suraya im Neunkircher Zoo geboren. In freier Wildbahn könnten die Sumatra-Orang-Utans in zehn Jahren ausgestorben sein. Foto: Thomas Seeber

Vor einem halben Jahr hat Struppi ihr Baby Suraya im Neunkircher Zoo geboren. In freier Wildbahn könnten die Sumatra-Orang-Utans in zehn Jahren ausgestorben sein. Foto: Thomas Seeber

Foto: Thomas Seeber

. Rocky ist was ganz Besonderes. Denn Rocky ist - streng wörtlich genommen - das einzige Tier im Neunkircher Zoo, das in Gefangenschaft lebt. "Der Waschbär wollte mal ab über die Straße, da bin ich ihm nach und habe ihn eingefangen", lacht Zoodirektor Norbert Fritsch. Schnell merkt man beim Redaktionsbesuch, dass Fritsch bezüglich der Forderungen der Tierschützer schon mal aus sich rausgehen kann. Lieblingsgruppe: endcap. Das kommt von end captivity, zu Deutsch "beende die Gefangenschaft". "Hier geht es doch nur um eines: die Zoos zu schließen." Die "so genannten Experten, die das immer wieder fordern", können Fritsch richtig sauer machen. Federführend für die Zoountersuchung war die deutsche Organisation Animal Public. Die bezeichnet auf SZ-Nachfrage die Untersuchung als sehr arbeitsaufwändig. Neunkirchen habe man noch nie getestet. Ein paar Jahre alt sei die Untersuchung schon, weiß Fritsch, der selbst mal gerne wüsste, in welchen Zoos die "Tester" waren. Die meisten nämlich unterziehen sich wie Neunkirchen freiwillig der Kontrolle, sind Mitglied im EAZA, dem Europäischen Zooverein, Maßstab auch für die EU-Richtlinien. Für die Mitgliedschaft gelten strenge Maßstäbe. Der Zoo nicht mehr als Freizeiteinrichtung sondern mit Bildungs- und Forschungsauftrag und in Erhaltungszuchtprogrammen. "Den Bildungsauftrag nehmen wir in Neunkirchen ganz besonders ernst", verweist Fritsch auf das breite Angebot, für das nicht zuletzt seit Jahren Zoopädagoge Christian Andres aktiv ist. Leitspruch: "Nur wer Tiere kennt, der schätzt Tiere und schützt sie auch". Deshalb ist Fritsch auch der Kontakt Mensch-Tier wichtig. Dass man bei den Tierschützern gegen "Füttershows" ist, kann er nicht verstehen. Wobei er schon das Wort nicht mag. "Effekthascherei." "Die Tiere werden sowieso gefüttert. Ob da jemand zusieht oder nicht, ist den Seehunden und allen anderen doch völlig schnuppe." Was die Tierschützer als Show bezeichneten sei nichts weiter als medical training: Spielerisch lernen die Tiere Zutrauen zu fassen, um im Falle des Falles stressfrei medizinisch versorgt werden zu können. Sympathie durch Nähe - zu erleben in Neunkirchen beispielsweise beim Giraffenfüttern.

Fritsch sieht die Zoos gerne als moderne Arche Noah. Auch Neunkirchen ist in mehrere Arterhaltungsprogramme eingebunden (siehe Info). Wie wichtig die sind, macht Fritsch am Beispiel der Sumatra-Orang-Utans klar. Noch maximal 6000 gibt es im natürlichen Umfeld, das immer kleiner wird. Claus Becker, Direktor des Europäischen Erhaltungszuchtprogrammes gibt den Tieren noch maximal zehn Jahre bis zur Ausrottung. In Neunkirchen gab es vor einem halben Jahr Nachwuchs. "Da gibt es aber Tierschützer, die sagen: lieber tot oder ausgestorben als im Zoo. Was ist denn das für eine Einstellung?", kann sich Fritsch ereifern. Aktiven Tierschutz kennt er selbst bestens, war nach dem Abitur selbst tätig, Fritschs verstorbener Vater war Landesvorsitzender. "Es gibt viele Dinge, die unterstütze ich voll", denkt er beispielsweise an die Massentierhaltung oder den Transportstress für Schlachttiere. Doch, dass man sich über die Haltung von ein paar Delfinen in einem Zoo aufregen kann, wenn beim Fischfang jährlich 250 000 sich in Treibnetzen verfangen - da kommt der Zoodirektor dann nicht mehr mit. "Aber wir in den Zoos sind ja am angreifbarsten, nirgendwo ist die Tierhaltung so transparent." Das Verhältnis zu den Tierschützern vor Ort ist problemfrei. Oft frage er sich auch, wie der Kontakt von oben an die Basis sei. Die Angriffe gegen die Zoos jedenfalls ist er satt. "Es wird Zeit, dass wir aus unserer ständigen Verteidigungsposition herauskommen und in Politik und Wirtschaft ideelle und finanzielle Untersützung für unsere Arbeit fordern." Das hat Fritsch auch kürzlich bei der Versammlung des Verbandes der Zoodirektoren postuliert.

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Auf einen BlickWeltweit sind Zoos in so genannten Erhaltungszuchtprogrammen engagiert. Ein Koordinator sorgt für Inzucht-freie Vermehrung. Der Neunkircher Zoo nimmt am Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EEP) teil mit Sumatra-Orang-Utan, Liszt-Äffchen, Giraffe, Vietnam-Sikahirsch, asiatischem Elefant, europäischem Nerz und Edwards-Fasan. Beteiligung Europäische Zuchtbücher (darin stehen Populationen, die noch nicht so extrem vom Aussterben bedroht sind, tritt das ein, kommen sie in die obere Gruppe): Hanumanlangur, Braunbär, Wickelbär, Nördlicher Buntmarder, Kleiner Igeltanrek und Spaltenschildkröte. Internationale Zuchtbücher: Timor-Hirsch und Vietnam-Moosfrosch. ji

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