Diese Sieben sind wirklich das „Kleinste“

Am 5. Juli werden viele Menschen in Neunkirchen traurig sein.

 Nach ihrer fesselnden Vorstellung trifft man die sieben Zwerge im Bistro Witches Inn: Zoiing (von links), Ajax, Palle, Minitou, Pille, Bert und Horst. Foto: Thomas Seeber

Nach ihrer fesselnden Vorstellung trifft man die sieben Zwerge im Bistro Witches Inn: Zoiing (von links), Ajax, Palle, Minitou, Pille, Bert und Horst. Foto: Thomas Seeber

Foto: Thomas Seeber
 Und das Original von links: Chris Raap, David Schmidt, Young-Jean Maeng, Texter Frank Felicetti, Ken Chi Kein Duong, Ludwig Mond und Maurice Stocsek. Foto: ji

Und das Original von links: Chris Raap, David Schmidt, Young-Jean Maeng, Texter Frank Felicetti, Ken Chi Kein Duong, Ludwig Mond und Maurice Stocsek. Foto: ji

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Alle diejenigen nämlich, mit denen sieben "kleine" Männer im Laufe von sechs Wochen Freundschaft geschlossen haben. Egal ob sie als Horst, Pille, Palle, Zoiing, Ajax oder Bert über die Bühne der Gebläsehalle wirbeln bei den Aufführungen von "Snowhite" oder ob Maurice Stocsek, Ken Chi Kein Duong, Young-Jean Maeng, Chris Raap, David Schmidt oder Ludwig Mond die Umgebung der ehemaligen Hüttenstadt erforschen - gemeinsam mit ihrem Chef und Erfinder sprich Texter und Personengestalter Frank Felicetti beziehungsweise Oberzwerg Minitou haben es die sieben Zwerge ganz schnell in die Herzen der Neunkircher geschafft. Eine Zuneigung, die auf Gegenseitigkeit beruht.

Denn beim SZ-Besuch dreieinhalb Stunden vor der sechsten von insgesamt 29 Aufführungen sind die jungen Männer voll des Lobes: für die Gastfreundschaft, die vor allem Stadt und allen voran Oberbürgermeister Jürgen Fried ihnen entgegenbringen; für das Publikum, das die schweißtreibenden Einsätze mehr als zu würdigen weiß, für die jungen Menschen, die sie bei Ausflügen in Saarpark-Center oder Neunkircher Kneipen treffen (und mit denen sie schon mal spontane Sessions machen). Alle Sieben sind sie in deutschen Großstädten zu Hause. Vielleicht nicht zuletzt deshalb sind sie sich einig: Das viele Grün rund um und in Neunkirchen, die hügelige Landschaft, das ist toll. Entspannung ist deshalb überwiegend angesagt, wenn es um Fragen der Freizeitgestaltung geht. Vier teilen sich ein Ferienhaus in Wiebelskirchen - und genießen es, dort einfach im Freien zu sitzen. Tipp für die Damen: Bei gutem Wetter trifft man sie im Wiebelskircher Freibad an.

So ist denn auch die Stimmung gut und locker beim Besuch im Aufenthaltsraum für die Künstler. Chef Minitou alias Felix Felicetti lässt "seine" Zwerge plaudern, trinkt derweil im Wechsel Kaffee und Brühe, bastelt (und fotografiert) originelle Snacks wie eine Banaprika (Banane in rote Paprika gesteckt - sieht aus wie ein Pilz, wird dann aber nach mehreren Versuchen doch lieber andersrum gegessen). Die sechs jungen Zwerge sind sich in einem einig: Vom Chef - oder besser: den Chefs, denn auch Regisseur Elmar Ottenthal bekommt sein Lobteil weg - haben sie jede Menge gelernt. Denn Schauspielerfahrung haben sie so gut wie keine, alle sind sie Tänzer, kommen aus Hip-Hop, Breakdance und klassischem Ballett. Vier von ihnen waren schon in Bonn dabei, Pille und Palle, Ken Chi Kein Duong und Young-Jean Maeng, sind neu. Für sie galt das Mammutprogramm: In 14 Tagen musste alles sitzen. Doch wer eigentlich sind diese Sieben, wie sieht ihr Leben hinter den Zwergen aus?

Beginnen wir mit dem Chef. Felix Felicetti alias Minitou, 48, der seine Jungs übrigens "klasse" findet. Der Wahlhamburger hat das Stück getextet, die Figuren geschaffen. In der neuen Version haben alle Zwerge was zu sagen. Der begnadete Parodist mit der wunderbaren Stimme hat seine Begabung fürs Entertainment bei Auftritten mit Top40 Bands entdeckt. "Es war wunderbar, sich eine Rolle auf dem Leib zu schreiben." Für alle, die drauf hoffen, aber nicht zu fragen wagten: Zurzeit arbeitet er an einer 45-Minuten-Parodie-Show. Jede Menge hat Felicetti schon gemacht (Station-Stimme beim SR, Sprecher bei Saar-Light, Rocky-Horror-Show und und und). Das Saarland ist dem Vollprofi zweite Heimat. Das Musical-Projekt könnte ihn reizen. Jedenfalls findet er es toll, "dass Neunkirchen so was zu Wege bringt". Und, dass er "in der glücklichen Lage ist, von meinem Beruf leben zu können".

Mehr oder weniger sprachlos meistert Chris Raap alias Zoiing seine Rolle. Der 27-Jährige ist gebürtiger Berliner, studiert in Köln. Raap ist eigentlich viele Zwerge. Denn in Bonn war er als Springer bei "Snowhite" mit dabei. Sprich: Palle, Horst, Ajax - sie alle hat er im Programm, hat er in Bonn gespielt, wenn der Darsteller ausfiel. Der gelernte Tänzer, der auch mit seiner Gruppe Beat Nuggets als Street-Artist für Festivitäten buchbar ist, hat die Zwergenrolle als große Herausforderung gesehen. Den Zoiing vor allem deshalb, "weil er keinen Text hat, alles muss durch Gesten extrem mit ausgedrückt werden". Im wahren Leben besticht Raap eher durch Schlagfertigkeit. Nach "Snowhite" steht eine Street-Show-Tour mit neun Leuten in Italien an.

Auf die Touren, die an den freien Montagen angeboten werden, da freut sich David Schmidt alias Ajax. Der 25-jährige Dortmunder ist der Punkerzwerg, "die Drecksau" - will sagen: nimmt kein Blatt vor den Mund. Ein hibbeliger Zwerg ist er, der Ajax, der Spuren hinterlässt. Viele Dialoge hat der Spaßvogel mit dem Besen auf dem Kopf, der den einhändigen Seitwärtshandstand macht wie nix. "Ich habe probiert, meinen eigenen Tanzstil auszubauen." Bis zu elf Stunden Training pro Tag waren da in der Probenzeit normal (für alle). Gut identifizieren kann sich Schmidt mit seinem anarchistischen Zwergencharakter. Schließlich sind auch seine vielen Tattoos eine Aussage. Im "normalen" Leben hat Schmidt zwei Großprojekte: Eine Move-and-Soul-Company, die beim Bundespräsidenten 150 Jahre DRK feiert, und eine Förderschule für Jugendliche.

Umdenken musste Ludwig Mond alias Bert für die Neunkircher Aufführungen. Der 23-jährige Dance-Captain war nämlich in Bonn als Pille auf der Bühne. "Eine große Herausforderung", meint der Kölner. Zumal die Rolle das Gegenteil seines wirklichen Charakters sei. Er ist der Macho-Zwerg, der, der immer nur an das Eine denkt, oberflächlich und triebgesteuert. "Im wahren Leben bin ich deutlich einfühlsamer - aber gerade diese Herausforderung macht Spaß." Mond studiert in Köln, arbeitet als Tänzer viel im Fernsehen, wird dies auch nach Neunkirchen wieder tun. Als Dance-Captain ("eine Ehre") war es nicht zuletzt seine Aufgabe, die je zwei neuen Tänzer und Tänzerinnen in die Truppe zu integrieren.

Komplett neu ist für Ken Chi Kein Duong alias Pille das Genre Musical. Der Frankfurter (Main) ist neu im Team, fühlt sich "mit offenen Herzen empfangen". Die Rolle steht ihm gut zu Gesicht. Denn Pille, der Spaßvogel, ist Duong sehr nah. "Das macht so viel Spaß, den zu spielen." Er ergänze sich prima zu Maeng, der ja eher den Softie spiele. Sein Charakter passe super. Auch der 29-Jährige ist als Tänzer schon im Fernsehen zu sehen gewesen. Duong schwärmt von den Menschen in Neunkirchen. Viel von der Freizeit, die ihm bleibt, verbringt er im Saarpark-Center. "Die Menschen sind hier alle so wahnsinnig nett." Viele junge Leute gebe es hier, wirkt er fast erstaunt. So viel wie möglich will er gerne noch sehen von Neunkirchen und Umgebung - bisher kennt er immerhin eines mehr als die anderen: die Post.

Gelassener als sein "Zwilling" so sieht Young-Jean Maeng alias Palle seine Zwergenrolle. Aber auch er ein alberner Spaßvogel, dem vor allem die Wort-Wiederholungen, das Markenzeichen der Zwerge, viel Spaß machen. Auch er hat keine Vorerfahrung im Musical- beziehungsweise Schauspielbereich. Normalerweise gibt er Breakdance-Kurse. Und - es fällt ihm fast beiläufig ein - steht als Mediengestalter Bild und Ton hinter der Kamera. Da hat er auch schon oft Kurzfilme mit Schauspielern gemacht. Der 25-Jährige wird jetzt bei einer Doku erstmals Regie führen.

Er sticht heraus in jeder Hinsicht: Maurice Stocsek alias Horst überragt die übrigen, ebenfalls nicht gerade klein geratenen Zwerge noch um einige Zentimeter. Stolze 1,94 Meter misst der 21-jährige Düsseldorfer. Und weil das noch lange nicht genug ist, stöckelt er während der Aufführung auch noch in Highheels über die Bühne. "Alles eine Sache der Übung", lacht Stocsek, schließlich komme er aus dem klassischen Ballett, habe gut gedehnte Bänder. Horst ist süß, liebt Pflanzen, vor allem Kakteen, und alles, was duftet. Er steht gerne im Mittelpunkt. "Die Rolle ist sehr polarisierend, wird aber durchweg positiv aufgenommen." Wie gemacht ist er für solch androgyne Rollen (wenn er auch in Wirklichkeit viel schüchterner sei als Horst). Das weiß er auch und - er hat selbst schon gemodelt - unterrichtet Models in den verschiedenen Laufstilen. Außerdem hat er sich der Körpersprache verschrieben, hat beispielsweise Shakespeares "Sieben Sünden" choreografiert. Er, der mitten in der Stadt lebt, hat sich augenscheinlich am meisten in das Saarland verliebt. "Dieser Wald hier, die Hügel, das ist alles irre schön. Gucken Sie doch nochmal hier (zeigt durch die geöffnete Tür in den Hüttenpark) und dann die Leute, die lächeln einem einfach ins Gesicht." Und sechs kleine große Männer lächeln und nicken ...

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