Die zurückgeholten Erinnerungen von Joho

Saarbrücken · Er gilt als umstrittenster Politiker im Saarland nach 1945: der erste Ministerpräsident Johannes Hoffmann (CVP). Sein Buch „Das Ziel war Europa“ ist nun 50 Jahre nach dem Erscheinen neu aufgelegt worden.

 Der frühere saarländische Ministerpräsident Johannes Hoffmann unterzeichnet 1950 die französisch-saarländischen Konventionen. Rechts neben ihm sitzt der damalige französische Außenminister Robert Schuman. Foto: SZ Archiv

Der frühere saarländische Ministerpräsident Johannes Hoffmann unterzeichnet 1950 die französisch-saarländischen Konventionen. Rechts neben ihm sitzt der damalige französische Außenminister Robert Schuman. Foto: SZ Archiv

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 Chiara Meisberger betrachtet die Hoffmann-Stele vorm Saarlandmuseum.Foto: B&B

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Das Ziel eines vereinten Europas scheint mit der Währungs- und Wirtschaftsunion erreicht. "Entscheidend ist nicht der Weg, sondern das Ziel: das Ziel war Europa", lautet das Vermächtnis von Johannes Hoffmann, des bis heute zweifelsfrei markantesten und umstrittensten Politikers im Saarland nach 1945. Doch den Blick auf ihn überlagern Karikaturen des Mannes mit der runden, schwarzen Brille, "JoHo" genannt, begleitet vom bis heute nachhallenden Ruf "Der Dicke muss weg". Es war die hochfahrende Propaganda während der Abstimmung über das Saar-Statut im Jahr 1955, die einen Politiker traf, der "mit dem Verstand argumentierte", nicht mit dem Gefühl, wenn es um die Zukunft des Saarlandes ging, sagt Markus Gestier, Historiker, profunder Kenner der Politik der Nachkriegsjahre und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Union-Stiftung Saarbrücken. Dort ist nun in der Reihe "Malstatter Beiträge aus Gesellschaft, Wissenschaft, Politik und Kultur" im Conte-Verlag die Neuauflage von Hoffmanns politischen Erinnerungen erschienen.

"Aus Anlass des 50-jährigen Jahrestages des Erscheinens der Erstausgabe entschlossen wir uns, Hoffmanns Autobiographie neu aufzulegen. Wir wollten den ersten Ministerpräsidenten des Saarlandes selbst zu Wort kommen lassen", erklärt Markus Gestier diese Entscheidung. Dabei geht es um den Weg, auf dem das Ziel Europa angestrebt und mit der Ablehnung des Saar-Statuts am 23. Oktober 1955 für Hoffmann verloren ging. Das Buch verstand Hoffmann nicht als Abrechnung mit seinen politischen Gegnern, die ihm vorwarfen, eine "Demokratur" im Saarland errichtet zu haben. Dennoch, der Saarstaat unter Hoffmann war "ein demokratisches Staatswesen", stellt Markus Gestier klar. Eines, das Hoffmann jedoch mit "oftmals unnötiger Härte" verteidigte, unter anderem mit einem "Überwachungsapparat einer politischen Polizei", und das verdunkle "das Bild der Hoffmann-Ära erheblich".

Ins Licht rücken sollen hingegen zwei gerne übersehene Aspekte seiner Politik, so Markus Gestier: So schloss das Saar-Statut Wirtschaftsbeziehungen nach "Frankreich und Deutschland" ein. Zudem habe Hoffmann mit seinem Eintreten für ein autonomes Saarland letztlich dafür gesorgt, dass das Saarland kein Regierungsbezirk von Rheinland-Pfalz, sondern ein selbständiges Bundesland wurde. Orientierung in und Einschätzung der Ära Hoffmann bietet ein einleitendes Interview von SZ-Redakteur Daniel Kirch mit Gestier. Mit der Neuauflage wolle man, fügt er hinzu, "die Erinnerungen von Johannes Hoffmann allen Saarländerinnen und Saarländern zugänglich machen, gerade auch all' denen, die diese Zeit nicht mehr selbst erlebt haben".

Johannes Hoffmann: Das Ziel war Europa. Der Weg der Saar 1945-1955. Conte-Verlag, 2013. Preis: 19,90 Euro.

. Der der SPD nahestehende Verein Saarländische Gesellschaft für Kulturpolitik hat am Montagabend dem ersten Saar-Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann (1948-1955, CVP) eine späte Ehre erwiesen. An der Saarbrücker Bismarckstraße links der Einfahrt auf den Parkplatz des Saarlandmuseums weihte Vereinschef Kurt Bohr (Ex-Chef der Saar-Staatskanzlei unter Ministerpräsident Oskar Lafontaine) eine etwa zwei Meter hohe, rostende Erinnerungsstele ein. Diese steht nun just an der Stelle, an der bis Mitte der 60er Jahre das "Weiße Haus" des Saarlandes stand - die Staatskanzlei in der "Villa Rexroth", in der Hoffmann von 1948 bis 1955 seinen Regierungsgeschäften nachging. Das "Weiße Haus" musste dem Bau des Saarlandmuseums von Hanns Schönecker weichen. Bei der Einweihung der Stele, entworfen von Vera Brandenburger-Schmitt, waren auch Familienmitglieder Hoffmanns, wie der Enkel Heiner Linsenmeier, anwesend. Bohr stellte später im Museum "das exemplarische Schicksal" des vor den Nazis nach Brasilien geflohenen Hoffmann heraus. Kultusminister Ulrich Commerçon (SPD) lobte den neuen Dokumentar-Film von Ex-Ophüls-Filmfestival-Leiter Boris Penth über Hoffmann, der "nicht voreingenommen" sei. Der Film sei bestens geeignet, um an den Schulen Zeitgeschichte zu vermitteln, so der Minister. Nach der Filmvorführung entspann sich eine Debatte, als ein Kritiker dem Film Parteinahme für Hoffmann vorwarf ("Die Ausweisungen fallen unter den Tisch"). Die Mehrheit der Anwesenden argumentierte aber, dass Hoffmann dem Saarland als visionärer Europäer gedient habe.

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