Die Vergangenheit für die Zukunft bewahren

St. Wendel · Seit drei Jahren digitalisiert das St. Wendeler Stadtarchiv seine Bestände. Ziel ist es, historische Dokumente für spätere Generationen zu erhalten. Gut 40 Prozent sind schon geschafft.

 Stadtarchivleiter Dieter Mertes (rechts) und sein Stellvertreter Gerhard Schnur inmitten des Archivbestandes. Foto: Lukas Kowol

Stadtarchivleiter Dieter Mertes (rechts) und sein Stellvertreter Gerhard Schnur inmitten des Archivbestandes. Foto: Lukas Kowol

St. Wendel. "Geschichte ist das Bewußtwerden und das Bewußtsein der Menschheit über sich selbst", schrieb der Historiker Johann Gustav Droysen 1882. Der Mensch ist geprägt von seiner Vergangenheit und daher Veränderungen unterworfen. Somit ist es wichtig, dass Zeugnisse der Vergangenheit erhalten bleiben. Archive sind hierbei von größter Bedeutung. Doch an den dort aufbewahrten Akten nagt der Zahn der Zeit: Viele alte Dokumente, Zeitungen oder Bücher drohen im wahrsten Sinne des Wortes auseinanderzufallen, durch unsachgemäße Aufbewahrung oder aufgrund ihres Alters. Auf diese Gefahren reagiert das St. Wendeler Stadtarchiv seit rund drei Jahren: Die Bestände werden digitalisiert. "Etwa 30 bis 40 Prozent, vor allem Akten und Zeitungen, wurden bis jetzt eingescannt", gibt Gerhard Schnur, stellvertretender Leiter des Stadtarchivs, an. Keine leichte Arbeit: Die Dokumente werden im Rathaus V an einem eigens angeschafften Scanner digitalisiert. Jede Seite einzeln, bis zu 1000 pro Tag. Danach werden die Daten auf DVDs gebrannt. Doch diese Datenträger bilden noch nicht die endgültige Lösung. Vielmehr sollen die darauf gespeicherten Dokumente bei einer speziellen Firma auf Mikrofilmen abgebildet und so der Nachwelt erhalten bleiben. Grund hierfür sei die erwartete hohe Lebensdauer dieses Speichermediums.Dieter Mertes, Leiter des Stadtarchivs, nennt drei Ziele der Digitalisierung: den Bestand sicher und schonen, die Akten für spätere Generationen erhalten und nicht zuletzt eine Vereinfachung für Benutzer. "Bis zu 200 Anfragen im Jahr erhalten wir von Historikern, Institutionen oder Privatleuten, die nach Vorfahren suchen", erläutert Mertens' Stellvertreter Schnur.

Anhand der Einteilung des Archivs kann man einen kleinen Überblick über die wechselhafte Geschichte St. Wendels erhalten. Im Bestand A sind die ältesten Überlieferungen bis zum Ende der kurtrierischen Zeit gesammelt, Bestand B knüpft nahtlos an und enthält jene Dokumente, die von der französischen Zeit 1790 bis 1815 erhalten geblieben sind. Diese beiden Bestände wurden bereits vollständig eingescannt. Die Bestände C (sachsen-coburgische und preußische Zeit 1816 bis 1908) und D (1909 bis 1935) solle als Nächstes digitalisiert werden.

Doch findet sich im Stadtarchiv noch Weiteres: Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden von 1799 bis 1900, Zeitungen, die Archivbibliothek mit 3000 Bänden zur Lokal- und Regionalgeschichte, Gesetzessammlungen, Kirchenbücher, Fotografien oder über 1000 historische Karten. Weitere Dokumente werden von Ämtern oder Privatpersonen zur Verfügung gestellt oder - auf der Müllkippe gefunden. "Anfang der 1990er Jahre haben Mitarbeiter des städtischen Bauhofs über 400 Akten auf der Mülldeponie gefunden. Scheinbar haben die Bürgermeister ihre Keller geräumt und meinten, die Dokumente seien nicht mehr zu gebrauchen", erläutert Mertes. Nach mühseliger Restauration sind diese Akten nun als Bestand Obertal aufbewahrt.

Das Archiv befindet sich seit 1989 in der Tiefgarage. Ein spezielles Belüftungssystem sorgt dafür, dass die Dokumente keine Schäden nehmen. Dies war nicht immer so. Bis dieser Platz gefunden wurde, lagen sie ungeschützt auf dem Speicher des Schmollschen Hauses in der St. Wendeler Balduinstraße. In den 1960er Jahren hat die Stadt begonnen, die Zeugnisse der Region zu schützen. "Man hat versucht zu retten, was zu retten war", fügt Josef Dreesen, Historiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Archiv, an. Jedoch seien die Bestände willkürlich zusammengelegt worden, Sachregister, wenn überhaupt, nicht immer richtig erstellt worden. Momentan arbeite das Archiv daran, Ordnung und Struktur in dieser Angelegenheit zu schaffen.

Das Archiv habe für die Zukunft noch einige Ziele: Die Bestände A bis D sollen neu verzeichnet werden, eine Internetedition zu einzelnen Aspekten der Stadtgeschichte sei geplant. Und natürlich werde die Digitalisierung fortgeführt. Mit Stolz bemerkt Mertes aufgrund dieses Arbeitspensums: "Saarlandweit, und vielleicht darüber hinaus, ist unser Archiv einmalig." "Saarlandweit ist unser Archiv einmalig."

Dieter Mertes, Stadtarchivleiter

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