Straßenzeitungen Falsche Obdachlosen-Zeitung?

Saarbrücken/Neunkirchen · Das Magazin „Streetworker“, das im Saarland immer wieder mal angeboten wird, will offenbar mit Mitleid Kasse machen.

  Mit dem Verkauf von Straßenzeitungen (hier das Hamburger „Hinz&Kunzt“) sollen Obdachlose ein Einkommen sowie einen niederschwelligen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Zudem ermöglicht es Kontakt mit der Gesellschaft.

Mit dem Verkauf von Straßenzeitungen (hier das Hamburger „Hinz&Kunzt“) sollen Obdachlose ein Einkommen sowie einen niederschwelligen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Zudem ermöglicht es Kontakt mit der Gesellschaft.

Foto: imago/epd/imago stock

Die angebliche Obdachlosen-Zeitung „Streetworker“ scheint es offenbar auch im Saarland auf die Hilfsbereitschaft vieler Menschen abgesehen zu haben. Nach Angaben einer SZ-Leserin wurde das Blatt am Donnerstagmorgen vor einem Supermarkt in Wellesweiler zum Verkauf für 1,50 Euro pro Exemplar angeboten. Beim Durchblättern wurde die SZ-Leserin jedoch skeptisch. Es habe von Rechtschreibfehlern gewimmelt, zudem sei der Satzbau häufig falsch gewesen. Das ganze Blatt habe gewirkt, als sei es auf die Schnelle „zusammengekloppt“ worden, sagt sie. Im Internet sei sie dann auf eine Recherche des ARD-Magazins „Plusminus“ gestoßen, derzufolge es sich bei dem „Streetworker“ nicht um eine Obdachlosen-Zeitung handelt, sondern um ein Blatt, das kommerzielle Zwecke verfolge. Mehrere Medien in anderen Bundesländern hatten bereits darüber berichtet.

Straßenmagazine werden meist von Obdachlosen oder anderen hilfsbedürftigen Menschen verkauft. Das Prinzip dahinter: Käufer und Verkäufer haben beide etwas davon. Der Käufer hat das Magazin erworben und die finanzielle Unterstützung geliefert, und der Verkäufer darf einen Teil des Verkaufspreises behalten. Doch offenbar nutzen Betrügerbanden die Hilfsbereitschaft vieler Menschen aus, um an schnelles Geld zu kommen.

Nach Recherchen des ARD-Magazins „Plusminus“ ist der Herausgeber des Magazins „Streetworker“ ein Dönerbuden-Besitzer in Darmstadt. Das Land Rheinland-Pfalz hat den Verkauf 2014 verboten. Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Trier erklärte dazu seinerzeit: „Der ,Streetworker’ ist keine klassische Obdachlosen-Zeitung, weil kommerzielle Zwecke verfolgt werden. Die Gestaltung der Zeitung jedoch vermittelt den Eindruck, dass auch soziale Projekte in der Obdachlosenhilfe unterstützt werden, aber tatsächlich geht es um kommerzielle Absichten.“ Infolgedessen sei ein Sammlungsverbot ausgesprochen worden. Hintergrund dafür ist das sogenannte Sammlungsgesetz, mit dem unrechtmäßige Spendensammlungen verhindert werden sollen und das es nur in vier Bundesländern gibt. So auch im Saarland. Überall anders muss jede Gemeinde selbst entscheiden, ob sie den Verkauf duldet oder verbietet. Aus dem saarländischen Innenministerium, wo die hiesige Spendenaufsicht angesiedelt ist, war am Freitag auf SZ-Anfrage kurzfristig keine Auskunft zu dem bisherigen oder noch geplanten Umgang mit dem „Streetworker“ zu erhalten.

Dabei ist der Verkauf des „Streetworker“ im Saarland offenbar kein Novum. Vor mehreren Jahren habe das Blatt massiv versucht, im Saarland Fuß zu fassen, berichtet Dennis Müller von der bislang einzigen eingetragenen Straßenzeitung im Saarland namens „Guddzje“. Als Reaktion darauf habe das „Guddzje“ seinerzeit eigene Straßenverkäuferausweise eingeführt, um die Legitimität ihrer Verkäufer herauszustellen. Wenngleich die Verkaufsversuche des „Streetworker“ im Saarland seither insgesamt zurückgegangen seien, vereinzelt tauche das Blatt hierzulande bis heute auf, so Müller. Die Artikel im „Streetworker“ seien „wahllos aus Wikipedia herauskopierte Texte“, so Müller.

Das saarländische „Guddzje“, das Sprachrohr für Wohnungslose und zugleich Einnahmequelle für sie ist, erscheint zwei bis drei Mal im Jahr mit einer Auflage zwischen 5000 und 8000 Exemplaren. Von dem Verkaufspreis von 1,60 Euro pro Exemplar erhalte der Verkäufer die Hälfte, so Müller. Und dieser sei auch der Einzige, der an dem Produkt verdiene, denn die Redaktion arbeite ehrenamtlich.

Der Polizei im Saarland sind bislang keine aktuellen Vorfälle im Zusammenhang mit dem „Streetworker“ bekannt. Auch die Verbraucherzentrale im Saarland hat bisher keine Beschwerden im Zusammenhang mit der angeblichen Obdachlosen-Zeitung erhalten, wie es auf SZ-Anfrage hieß. Die Masche erinnere aber an Betrügereien à la „Liborius“-Blatt, das als vermeintliches Kirchenblättchen an Haustüren zum Abonnement angeboten werde, tatsächlich aber einen gewerbsmäßigen Hintergrund habe, so die Verbraucherzentrale. Die Vertriebsadresse des „Streetworker“ in Darmstadt war für eine Stellungnahme bislang nicht zu erreichen.

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