Guide Michelin Die Sternstunden des guten Geschmacks

Saarbrücken/Potsdam · Das Saarland ist spitze, was die Sterneküche angeht. Das finden auch die Kritiker des „Guide Michelin“. Sie haben gestern unter anderem vier Restaurants im Land ausgezeichnet. Hilft das beim Image?

 Der neue «Guide Michelin» 2018 wurde in Potsdam präsentiert.

Der neue «Guide Michelin» 2018 wurde in Potsdam präsentiert.

Foto: dpa/Lino Mirgeler

Manchmal hilft ein Perspektivwechsel, um Dinge besser einzuordnen – und das ist auch bei der Spitzengastronomie nicht anders. Also gut: Kochen ist jetzt nicht mehr kochen, sondern Fußball. Der Breitensport Nummer eins in Deutschland. Welchen sportlichen Stellenwert hätte dann das Saarland in dieser Disziplin? Die Antwort ist ganz einfach: Das kleine Bundesland, dessen Umrisse auf der Landkarte an ein Schwein erinnern, würde diesen Sport dominieren. Unangefochten. Seit Jahren. Nicht nur wegen der Optik. Mehr noch: Das Land wäre quasi der FC Bayern München der Haute Cuisine – wenn man die Zahl der Drei-Sterne-Restaurants an der Größe und Einwohnerzahl eines Bundeslandes zum Erfolgsmaßstab macht.

Das Paradoxe ist: Der Perspektivwechsel ist eigentlich keine reine Tagträumerei, sondern Realität. Seit gestern steht das einmal mehr fest. Bestätigt vom „Guide Michelin“. Die gefürchteten Kritiker des renommierten Restaurantführers haben ihre berühmten und berüchtigten Sterne vergeben. Und in der roten „Bibel für Feinschmecker“ spielen das „GästeHaus Klaus Erfort“ in Saarbrücken und das „Victor’s Fine Dining by Christian Bau“ in Perl mit drei Sternen wieder in der Champions League der deutschen Restaurants. Es gibt nur elf Häuser in Deutschland, denen diese Ehre zu Teil geworden ist. Eins mehr als die Jahre zuvor. Jüngstes Mitglied ist das „Atelier“ in München. Dessen Koch, Jan Hartwig, ging übrigens eineinhalb Jahre durch die Kochschule von Erfort. Unabhängig davon sind alle Top-Restaurants, wie es der Michelin durchaus nüchtern schreibt, „eine Reise wert“.

„Da sind wir sehr stolz drauf. Das ist eine tolle Sache für uns und für das Saarland“, freute sich Klaus Erfort gestern am Rande der Gala in Babelsberg über die Auszeichnung seines Hauses. Denn, auch wenn die Restaurants die Sterne bekommen, sind doch die Köche die kreativen Köpfe dahinter. Insgesamt wurden erstmals 300 Restaurants mit ein, zwei oder drei Sternen gewürdigt. Darunter zwei weitere Saarländer, ebenfalls erneut: Cliff Hämmerle mit dem „Restaurant Barrique“ in Blieskastel-Webenheim und das „Restaurant Kunz“ von Alexander Kunz in St. Wendel-Bliesen – mit je einem Stern. Auch ihre Häuser sind laut Michelin „einen Stopp wert“. Hämmerle: „Für uns als kleines, familiengeführtes Restaurant ist das eine Riesenehre, dass wir weiter mit einem Stern dabei sind.“ Die Saar-Köche wissen, wem sie diesen Erfolg mit zu verdanken haben. „Man muss gute Leute haben, ein starkes Team ist das A und O“, sagt Kunz.

Nicht nur die Saarländer; die ganze Branche stand gestern im Fokus. Anders als beim Fußball passiert ihnen das so nur einmal im Jahr. Die übrigen 364 Tage plagt sie ein Imageproblem. Das sagen die Köche selbst. Sie kämpfen deshalb gegen Klischees und Vorurteile an, dass ihre Menüs elitäre Spinnereien für Snobs sind. Klar, es klingt gehoben, was auf einer Karte wie beispielsweise der von Erfort steht: „Offener Raviolo vom Kalbsbries mit jungem Lauch und Trüffeljus“. Bei Otto-Normal-Koch heißt das wohl nur Ravioli mit Gemüsesauce. Aber bei Laien ist dann eben auch „nur“ Ravioli mit Gemüsesauce auf dem Teller. Keine Kochkunst. Und genau dafür stehen die Häuser im Michelin.

Um das den Menschen rüberzubringen, betreiben die Sterne-Köche inzwischen verstärkt Marketing, versuchen neue Berührungspunkte zu schaffen, um mit jungen Menschen in Kontakt zu kommen. Damit „sie lernen, dass Sterne-Küche ganz anders ist, als sie sich das vorstellen. Nicht steif und verklemmt. Wir sind ganz normale Menschen“, sagte Erfort einst im SZ-Interview. Immer mehr Häuser entziehen den Restaurants deshalb beispielsweise den strengen Charakter, so der Deutschland-Chef des „Guide Michelin“, Ralf Flinkenflügel. Weniger weiße Tischtücher und anderes Chichi; „Casual fine dining“, heißt das dann. „Sie schaffen den Gästen eine Atmosphäre, in der sie sich wohler fühlen“ – und auch die Köche.

 Klaus Erfort

Klaus Erfort

Foto: Oliver Dietze
 Cliff Hämmerle

Cliff Hämmerle

Foto: Thomas Reinhardt
 Alexander Kunz

Alexander Kunz

Foto: Alexander Kunz Theatre

Denn irgendwann kommt im Leben eines Sternekochs der Moment, aus dem Restaurant-Olymp abzutreten. Wie jetzt bei Harald Wohlfahrt. Der Chef der „Traube Tonbach“ in Baiersbronn (Baden-Württemberg) wurde 25 Jahre lang mit drei Sternen ausgezeichnet, hat Generationen von Spitzenköchen geprägt. Jetzt macht er Schluss. Vielleicht hält er es künftig mit Gastro-Besuchen so, wie es Fußball-Ikonen machen: Ein gutes Spiel als Stadion-Besucher mitzuerleben, hat auch seinen Reiz.

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