Die Seele vergisst keinen Schlag

Neunkirchen. Angst, Schläge, Streitereien und endlos viele Tränen - so war die Ehe von Melanie S. (Name von der Redaktion geändert). Über zehn Jahre hat sie ausgeharrt in diesem Alptraum. "Ich habe an meine Kinder gedacht. Ich wollte nicht, dass sie ohne Vater aufwachsen", erklärt Melanie

 Schläge, Streitereien, seelische Graumsamkeiten - das bestimmt das Leben mancher Frauen. Um sich zu schützen, bleibt oft nur der Weg ins Frauenhaus. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Schläge, Streitereien, seelische Graumsamkeiten - das bestimmt das Leben mancher Frauen. Um sich zu schützen, bleibt oft nur der Weg ins Frauenhaus. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Neunkirchen. Angst, Schläge, Streitereien und endlos viele Tränen - so war die Ehe von Melanie S. (Name von der Redaktion geändert). Über zehn Jahre hat sie ausgeharrt in diesem Alptraum. "Ich habe an meine Kinder gedacht. Ich wollte nicht, dass sie ohne Vater aufwachsen", erklärt Melanie. Vor einem Jahr kam schließlich der Moment, an dem sie die täglichen Erniedrigungen nicht mehr aushalten konnte. In ihrer Not ging sie zu einem Arzt. Sie wusste nicht, an wen sie sich wenden sollte. Denn Freunde hatte sie damals keine. "Ich habe dem Arzt von meinen Problemen erzählt", erinnert sich Melanie. Der zögerte nicht lange und stellte den Kontakt zu einer Beratungsstelle her.Den Moment als sie schließlich ins Neunkircher Frauenhaus kam, wird sie nie vergessen. "Ich wusste zuerst nicht, was ich mir darunter vorstellen sollte." Doch dann sei sie so nett empfangen worden. "Eine Frau ist gleich auf mich zugekommen und hat gefragt, ob ich etwas brauche. Das hatte mich schon so lange niemand mehr gefragt." Aus dieser Begegnung wurde schließlich eine enge Freundschaft. "Ich habe im Frauenhaus gelernt, wieder zu vertrauen." Am Anfang habe sie Angst gehabt, raus zu gehen. Aber die Mitarbeiterinnen haben ihr immer Mut zugesprochen. Insgesamt fünf Monate hat sie mit ihrem Kind im Frauenhaus verbracht. Eine schöne Zeit, wie sie sagt. Auch Weihnachten hat sie in der Einrichtung der Awo verbracht. "Es gab einen Weihnachtsbaum, leckeres Essen und Geschenke." Die menschliche Wärme, die sie im Frauenhaus erlebt hat, musste sie all die Jahre zuvor in ihrer Ehe entbehren. Heute geht es Melanie gut. Sie lebt in einer eigenen Wohnung. "Ich habe nun mein eigenes Leben." Für die Zukunft wünscht sie sich einen Mini-Job. "Denn ich bin froh, wenn ich arbeiten darf." Regelmäßig besucht sie ihre "Familie" im Frauenhaus.

Wenn Leiterin Sylvia Schmidt ihren ehemaligen Schützling sieht, muss sie lächeln. "Es ist schön, sie so glücklich zu sehen. Und wir bewundern sie alle für ihre Stärke." Seit 1989 gibt es das Frauenhaus in Neunkirchen, das gleichzeitig - so sagt Schmidt - auch ein Kinderhaus ist. In dem Gebäude der Awo können sieben Frauen mit ihren Kindern aufgenommen werden. "Wir geben den Frauen Raum und Zeit für Veränderungen." Außerdem kümmern sich die sechs Mitarbeiterinnen auch gezielt um die Kinder. "Denn auch sie müssen das Erlebte verarbeiten", so Schmidt. Die erfahrene Diplom-Pädagogin hat in den vergangenen zehn Jahren positive Veränderungen bemerkt. "Was früher unter dem Wort Familienstreitigkeiten abgetan wurde, wird jetzt als häusliche Gewalt benannt." Trotz der Fortschritte werden nach wie vor Frauen diskriminiert. Darauf soll der heutige "Tag gegen Gewalt an Frauen" aufmerksam machen. Für Sylvia Schmidt ist es wichtig, dass auf dieses Thema aufmerksam gemacht wird, gleichzeitig "finde ich es traurig, dass es diesen Gedenktag immer noch geben muss."

HINTERGRUND

Eine blaue Fahne mit der Aufschrift "Frei leben ohne Gewalt" hängt als Mahnung anlässlich des "Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen" vor dem Neunkircher Rathaus. Seit 1981 gibt es diesen Gedenktag bereits. Frauen, die Hilfe brauchen, können sich rund um die Uhr an das Neunkircher Frauenhaus wenden. Weitere Awo-Frauenhäuser gibt es in Saarbrücken und Saarlouis. Seit Eröffnung des Neunkircher Frauenhauses 1989 wurden 1200 Frauen und 1400 Kinder dort betreut. Kontakt: Frauenhaus Neunkirchen, Telefon (06821) 9 22 50.

Außerdem vermittelt auch die Frauenbeauftrage der Stadt, Doris Eisenbeis, hilfesuchenden Frauen Kontakte zu Organisationen, Telefon (06821) 20 25 12. evy

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