Die Rettung eines verzweifelten Kindes

Sulzbach. Am Montagmorgen saß sie in der Redaktion. Was sie am späten Samstagabend erlebte, wird sie so schnell nicht vergessen: Julia K. (23, Name geändert) aus Neuweiler ist die Frau, die womöglich ein Kind vor dem Kältetod bewahrt hat

Sulzbach. Am Montagmorgen saß sie in der Redaktion. Was sie am späten Samstagabend erlebte, wird sie so schnell nicht vergessen: Julia K. (23, Name geändert) aus Neuweiler ist die Frau, die womöglich ein Kind vor dem Kältetod bewahrt hat. Das achtjährige Mädchen war in der Hühnerfelder Straße in Altenwald von ihr aufgegriffen worden, nachdem es etwa vier Stunden lang durch die Kälte geirrt war. Nach Angaben der Polizei hatte die 33-jährige Mutter im betrunkenen Zustand ihr Kind aus dem Haus geworfen (die SZ berichtete).Julia K. erzählt, dass sie gegen 22.30 Uhr mit Mann und Bruder im Auto auf dem Nachhauseweg vom Trierer Weihnachtsmarkt war, als sie am Straßenrand die Kleine sah. Sie wendeten das Auto und fuhren der Achtjährigen hinterher. Die aber habe versucht wegzulaufen. Julia K.s Mann alarmierte die Sulzbacher Polizei. Der Beamte am Telefon bat dringend darum, das Mädchen nicht aus den Augen zu lassen. Während dessen stieg Julia aus dem Auto aus, holte das Kind ein und redete ihm gut zu. In ihrem Diddlmaus-Pullover, Jeans und offenen Hausschuhen habe die Kleine "nur gezittert". Drei Polizeibeamte waren rasch vor Ort und fuhren das Mädchen ins Krankenhaus. Auch Julia K. nahmen sie bereitwillig mit, weil das Mädchen ihr vertraute.

Die Polizei ist voll des Lobes über das, was Julia K. vollbracht hat. Sie selbst erzählt, dass in der Zeit, in der sie versuchte, das Kind ins warme Auto zu schaffen, viele Leute vorbeigefahren seien: "Niemand hat angehalten."

Im Krankenhaus habe sich sogleich eine Ärztin um die Achtjährige gekümmert. Dort erhielt sie auch etwas Warmes zu essen. Laut Polizei hat sich die Kleine schnell wieder erholt. Bleibende körperliche Schäden seien nicht zu erwarten. In der Nacht zum Sonntag erreichte ein Mitarbeiter des Jugendamtes eine Familie, die das Kind bei sich aufnahm. Julia erzählt, dass die Pflegemutter im Krankenhaus vorbeikam und dem Mädchen ein paar warme Sachen mitbrachte: Jacke, Handschuhe, Mütze.

Nach Angaben des Regionalverbandes, zu dem das zuständige Jugendamt gehört, handelt es sich um eine so genannte Bereitschaftspflegefamilie. Sie sprang kurzfristig ein, bis für das Kind eine Pflegefamilie auf Dauer oder eine geeignete Einrichtung gefunden worden ist. Regionalverbands-Sprecher Stefan Kiefer erklärte überdies, dass das Kind künftig eine andere Grundschule besuchen wird.

Nach Hause, sagt Julia K., habe die Kleine nicht mehr gewollt. Die Mutter sei in der Klinik erschienen und habe ihr Kind sehen wollen. Die Polizei habe das nicht zugelassen.

"Wie verzweifelt muss dieses Kind gewesen sein?", fragte sich noch gestern die 23-jährige Frau aus Neuweiler in Hinblick auf das stundenlange Umherirren durch Sulzbach bei eisiger Kälte.

Sonntagfrüh um 1.30 Uhr war für Julia K., selbst Mutter eines kleinen Kindes, der Einsatz beendet. Polizeibeamte fuhren sie nach Hause. Die Mutter der Achtjährigen war gestern noch nicht verhört worden. Laut Sulzbacher Inspektion muss sie mit einer Anzeige wegen Aussetzung und Körperverletzung rechnen. Ein Beamter, der am Samstag im Einsatz war, gegenüber der SZ: "Auch uns ging das alles sehr, sehr nahe."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort