Die Nazi-Gräuel nicht vergessen

Saarbrücken. Eine in der vergangenen Woche veröffentlichte Studie zeigt: In Deutschland haben viele Jugendliche eine rechtsextreme Einstellung (wir berichteten). Da tut Aufklärung not. Etwa durch den holländischen KZ-Überlebenden Menachem Kallus, 76. Der berichtet in dieser Woche saarländischen Schülern von seinem Schicksal

Saarbrücken. Eine in der vergangenen Woche veröffentlichte Studie zeigt: In Deutschland haben viele Jugendliche eine rechtsextreme Einstellung (wir berichteten). Da tut Aufklärung not. Etwa durch den holländischen KZ-Überlebenden Menachem Kallus, 76. Der berichtet in dieser Woche saarländischen Schülern von seinem Schicksal. Gestern war er zu Gast an der Erweiterten Realschule Bruchwiese in Saarbrücken.

Über eineinhalb Stunden nimmt er sich Zeit. Der Klasse 10.1 erzählt er von seiner Kindheit in den Niederlanden, der Unterbringung in verschiedenen KZs und der Befreiung durch alliierte Soldaten. Unterstützt wird er von der saarländischen Schauspielerin Alice Hoffmann. Sie fasst Kallus' englische Erzählungen auf Deutsch zusammen. Ihr mittlerweile verstorbener Lebensgefährte Rudi Ben-Yahou war Kallus' Bruder.

Dass er die NS-Zeit überstanden habe, verdanke er zu 95 Prozent seinem Glück, sagt Kallus. Als Sohn eines ungarischen Juden sei er in den besetzten Niederlanden gegenüber anderen jüdischen Kindern bevorzugt behandelt worden. Denn Ungarn kooperierte zu dieser Zeit mit Nazi-Deutschland. So musste er zum Beispiel keinen Judenstern tragen und entging anfangs den Restriktionen der deutschen Besatzer. Als Zehnjähriger kam er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern ins KZ Ravensbrück. Sie mussten jedoch direkt ins Vernichtungslager - nach Auschwitz. In Ravensbrück erlebt er als Junge Dinge, die schon für Erwachsene schwer zu ertragen sind. Etwa, als sich auf den von der SS erzwungenen Todesmärschen gegen Kriegsende KZ-Häftlinge freiwillig erschießen ließen. "Sie wollten nicht mehr leiden," sagt Kallus.

Ob es nicht schwer sei, über all dies zu reden, fragt ein Schüler. Natürlich sei es hart, sagt Kallus. Aber er wisse, wie wichtig es sei, diese Erfahrungen weiterzugeben. Ein anderer will wissen, ob er nie daran gedacht habe, aufzugeben. Kallus verneint. "Der Wille zu leben ist stärker als alles Andere."

Fast 60 Jahre hatte er nicht über seine Vergangenheit gesprochen. "Ich brauchte lange, um zu verstehen, wie das alles passieren konnte", erklärt er. Erst 2001 beschreibt er sein Leben in einem Buch.

Die Schüler der Klasse 10.1 sind tief beeindruckt von Kallus. "Dass er so viel Kraft hat, uns das alles zu erzählen", staunt Mesut Kaynak. Marko Mastantonie fügt hinzu: "Unglaublich, dass hier einer sitzt, der das erlebt hat." Auch für Stella Körösi ist die Begegnung besonders: "Man sieht das alles jetzt ganz anders."

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