"Die nächsten Milliarden für uns!"

Saarbrücken. Manchmal stellen sich die Gewerkschaften mit einem gut organisierten Warnstreik selbst ein Bein. Eigentlich wollte die Verhandlungsführerin der Lehrer- und Erzieherinnen-Gewerkschaft GEW gestern vor dem Saarbrücker Staatstheater zu tausenden Streikenden aus dem öffentlichen Dienst sprechen

 Verdi-Chef Frank Bsirske spricht vor dem Saarbrücker Staatstheater zu mehreren tausend Streikenden. Foto: Becker&Bredel

Verdi-Chef Frank Bsirske spricht vor dem Saarbrücker Staatstheater zu mehreren tausend Streikenden. Foto: Becker&Bredel

Saarbrücken. Manchmal stellen sich die Gewerkschaften mit einem gut organisierten Warnstreik selbst ein Bein. Eigentlich wollte die Verhandlungsführerin der Lehrer- und Erzieherinnen-Gewerkschaft GEW gestern vor dem Saarbrücker Staatstheater zu tausenden Streikenden aus dem öffentlichen Dienst sprechen. Doch weil mehrstündige Warnstreiks der Bodenabfertigung die größten deutschen Flughäfen lahmlegten, saß Schaad in Berlin fest.Einen Tag vor der dritten und entscheidenden Verhandlungsrunde für die Beschäftigten von Bund und Kommunen (im Saarland rund 50 000) haben die Gewerkschaften Verdi und Deutscher Beamtenbund (DBB) gestern noch einmal den Druck auf die Arbeitgeber erhöht, nicht nur an den Flughäfen. Im Saarland legten Beschäftigte unter anderem in Krankenhäusern, Kitas, bei Müllabfuhren, Stadt- und Gemeindewerken und in den Kommunalverwaltungen die Arbeit nieder. Rund 80 Kitas blieben geschlossen, in den kommunalen Krankenhäusern gab es nur eine Notbesetzung. "Die Notfälle werden behandelt, alles andere wird verschoben", sagte Verdi-Sprecher Bernd Oleynik. Zehntausende Mülltonnen blieben ungeleert.

Die Gewerkschaften sprachen von 6000 Streikenden im Saarland. Die meisten von ihnen - laut Polizei rund 5000 - versammelten sich um die Mittagszeit mit Transparenten und Trillerpfeifen auf dem Theatervorplatz in Saarbrücken, um ihrem Unmut über das bisherige Angebot der Arbeitgeber Luft zu machen. "Das ist ein klares kraftvolles Signal an die Arbeitgeber", rief Verdi-Chef Frank Bsirske den Demonstranten zu. "Wir erwarten spürbare und nachhaltige Lohnerhöhungen." Sollten die Arbeitgeber heute und morgen in Potsdam kein akzeptables Ergebnis vorlegen, gebe es eben eine Urabstimmung. "Ich habe keinen Zweifel, dass es dann in dieser Urabstimmung zu einer überwältigenden Mehrheit für Arbeitskampf kommen wird."

Verdi und DBB verlangen 6,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 200 Euro monatlich mehr - bei einer einjährigen Laufzeit des Tarifvertrages. "Natürlich kostet das Geld", räumte Bsirske ein. Es schaffe aber auch Nachfrage und sei damit in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation "ein Gebot der ökonomischen Vernunft". Er bezifferte die bundesweiten Kosten auf 3,7 Milliarden Euro und bei einer Übertragung auf die Beamten des Bundes auf weitere zwei Milliarden Euro. "Für die Banken werden Milliarden und Abermilliarden locker gemacht, die Managergehälter explodieren. Jetzt sind wir dran. Die nächsten Milliarden für uns!"

Das Angebot der Arbeitgeber aus der zweiten Verhandlungsrunde - 3,3 Prozent für zwei Jahre - würde nach Berechnungen der Gewerkschaften nur auf ein durchschnittliches Plus von 1,77 Prozent hinauslaufen. "Das war kein Angebot, sondern eine Zumutung", meinte DBB-Vorstand Willi Russ, der nach Bsirske zu den Streikenden sprach. "Wir lassen uns nicht mit Rechenkunststückchen der Arbeitgeber abspeisen, die uns am Ende nicht mal den Inflationsausgleich bringen. Wir sind nicht nur enttäuscht. Wir sind wütend über diese Haltung."

Die öffentlichen Arbeitgeber verweisen auf die finanzielle Lage der öffentlichen Hand. Der Vorsitzende des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Saar, der Schmelzer Bürgermeister Armin Emanuel (SPD), spricht von zwei Milliarden Euro Kassenkrediten der Saar-Kommunen. "Unter dieser Prämisse muss man sehen, wo die kurze Decke wärmen soll." Den Glauben an eine Einigung bei der dritten Verhandlungsrunde in Potsdam heute und morgen hat Emanuel trotzdem nicht aufgegeben. Im Gegenteil: Seinen Rückflug aus Potsdam hat er erst für Freitag geplant. "Wenn wir der Meinung gewesen wären, das wird wieder nur ein Schaulaufen, hätten wir nicht bis Freitag gebucht." "Für Banken

werden Milliarden

locker gemacht.

Jetzt sind wir dran!"

Verdi-Chef Frank Bsirske

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