Die Grünen suchen ihr Spitzen-Duo

Saarbrücken. Beim Parteitag der saarländischen Grünen am 10. Juni könnte es erstmals seit 1993 wieder eine Kampfabstimmung um den Landesvorsitz geben. Vor 19 Jahren zog der evangelische Jugendpfarrer Jochen Bohl gegen Parteichef Hubert Ulrich den Kürzeren. Diesmal geht es um den Posten in der Doppelspitze neben Ulrich, den seit 2002 die ehemalige Landtagsabgeordnete Claudia Willger innehat

 Claudia Willger und Hubert Ulrich bei Wehingen. Foto: Maurer

Claudia Willger und Hubert Ulrich bei Wehingen. Foto: Maurer

Saarbrücken. Beim Parteitag der saarländischen Grünen am 10. Juni könnte es erstmals seit 1993 wieder eine Kampfabstimmung um den Landesvorsitz geben. Vor 19 Jahren zog der evangelische Jugendpfarrer Jochen Bohl gegen Parteichef Hubert Ulrich den Kürzeren. Diesmal geht es um den Posten in der Doppelspitze neben Ulrich, den seit 2002 die ehemalige Landtagsabgeordnete Claudia Willger innehat. An diesem Amt ist auch die frühere Umweltministerin und Spitzenkandidatin Simone Peter interessiert. Willger und Peter suchen seit Wochen nach einem Kompromiss.Ursprünglich hatte Willger eine erneute Kandidatur nur für den Fall erwogen, dass Peter nicht antritt (die SZ berichtete). Doch dann ließ sich die Rechtsanwältin nach eigenen Worten von "etlichen" Menschen in und außerhalb der Partei umstimmen. Sie sehe ihre Rolle auch darin, die thematische Vielfalt der Partei abzudecken. Willger hat ein sozial- und innenpolitisches Profil, während Ulrich und Peter eher die Themen Wirtschaft, Bildung, Umwelt und Energie beackern.

Im Peter-Lager vermutet man Ulrich hinter Willgers Meinungswandel. "Unsinn", sagt dazu der Landeschef. Auch Willger bestreitet das. Ulrich, seit 1991 der starke Mann der Saar-Grünen, und die ehrgeizige Ex-Ministerin Simone Peter sind sich nicht besonders grün. Die Animositäten rühren teils noch aus den Grabenkämpfen der 90er Jahre. Bei der Frage, wer den Fraktionsvorsitz im Landtag übernimmt, hatten sich der Saarlouiser Realo und die Parteilinke aus Saarbrücken wochenlang gegenseitig blockiert. Nun teilen sie sich den Job: erst er, ab dem Jahr 2014 dann sie.

Weder Peter noch Willger haben ihre Kandidatur bislang öffentlich erklärt. In der Parteispitze wird nach SZ-Informationen jedoch fest mit einer Kampfabstimmung gerechnet. Peter will das Gesicht der Partei verändern, weil sie den Machtpolitiker Ulrich für die schwachen Wahlergebnisse mitverantwortlich macht. Sie hat die besseren Beliebtheitswerte und verweist darauf, bei der Einigung über den Fraktionsvorsitz habe sie mit Ulrich auch eine "Weiterentwicklung" der Partei vereinbart, eine "strukturelle und personelle Erneuerung". Sie will den Regionalproporz stärken und der Grünen Jugend größeres Gewicht geben. Und sie will auch, dass sich ganz oben an der Spitze etwas ändert. "Ich erwarte, dass Hubert Ulrich diesen Prozess aktiv moderiert", sagte sie der SZ. Aus ihrem Lager ist indes zu hören, Ulrich tue genau das Gegenteil. Er beharre auf seiner Machtbasis und mobilisiere seine Truppen gegen Simone Peter. Ulrich bestreitet das und sagt: "Dass wir uns weiterentwickeln müssen, steht außer Frage."

Sollte es beim Parteitag wirklich zum Schwur kommen, werden Willger die besseren Chancen eingeräumt, selbst Peter-Unterstützer sehen das so. Allein Ulrichs Ortsverband Saarlouis, seit Beginn der 90er Jahre das grüne Machtzentrum im Land, stellt ein Drittel der Delegierten. Generalsekretär Markus Tressel sagt, seine "persönliche Einschätzung" sei, dass Willger eine Abstimmung gewinnen würde. Sie sei an der Basis gut verankert. Viele rechneten ihr auch hoch an, dass sie Simone Peter vor der Landtagswahl Platz eins der Saarbrücker Wahlkreisliste überlassen habe. Tressel: "Warum sollte man sie auch noch als Landesvorsitzende abmeiern?" Ein anderer Spitzen-Grüner, der nicht genannt werden möchte, sagt, Peter sei in der Partei längst nicht der "leuchtende Stern", für den sie in der Öffentlichkeit gehalten werde. "Die hat keinen Ortsverband hinter sich." Ob das tatsächlich so ist, wird sich am Sonntag kommender Woche in St. Ingbert zeigen. So spannend war schon lange kein Grünen-Parteitag im Saarland mehr.Foto: dpa

Meinung

Nur Ulrichs Marionetten?

Von SZ-RedakteurBernard Bernarding

Während der Kampf um den Linken-Vorsitz als öffentliches Spektakel inszeniert wird, findet er bei den Saar-Grünen hinter der Bühne statt. Hubert Ulrich sammelt seit Wochen seine Truppen - gegen Simone Peter, die als selbstbewusste Co-Vorsitzende offenbar verhindert werden soll.

Dem Vernehmen nach will Claudia Willger wieder kandidieren, obwohl sie dies eigentlich ausgeschlossen hatte. Dabei hat sie sich als schwache Vorsitzende entpuppt, Ulrich nie Paroli geboten, ja sie war nicht mal über die Ostermann-Spende informiert. Welchen Sinn sollte ihre Kandidatur also machen? Die Grünen haben die Wahl: Weiter so wie bisher oder zumindest den Ansatz einer Neuausrichtung. Unter der Führung Ulrich/Willger sind sie knapp am parlamentarischen Aus vorbei geschrammt. Daran tragen die beiden gewiss nicht die Alleinschuld. Doch wenn sich die Saar-Ökos weiter nur als Ulrichs Marionetten verstehen, verwirken sie den Anspruch, ernst genommen zu werden.

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