"Die Gegentore waren zu einfach"

Hasborn. Abpfiff in Warschau. Deutschland muss nach dem 1:2 (0:2) im Halbfinale der Fußball-Europameisterschaft gegen Italien frühzeitiger als geplant den Flieger besteigen. "Die Mannschaft ist unter ihren Möglichkeiten geblieben. Italien hat ihr die Grenzen aufgezeigt und die Schwächen aufgedeckt", resümiert Gerd Warken

Hasborn. Abpfiff in Warschau. Deutschland muss nach dem 1:2 (0:2) im Halbfinale der Fußball-Europameisterschaft gegen Italien frühzeitiger als geplant den Flieger besteigen. "Die Mannschaft ist unter ihren Möglichkeiten geblieben. Italien hat ihr die Grenzen aufgezeigt und die Schwächen aufgedeckt", resümiert Gerd Warken. Alle von Bundestrainer Löw getroffenen personellen Umstellungen kann er nicht nachvollziehen. "Mario Gomez hätte ich nicht für Miroslav Klose gebracht. Er reißt keine Lücken und hemmt die Spielfortsetzung aus dem Mittelfeld", erklärt der 61-Jährige. Auch der Einsatz von Toni Kroos wirft bei ihm die Frage auf: "Warum richtet sich Löw nach dem Gegner? Es ist doch genügend Qualität für das eigene Spiel vorhanden."Die damit angedachte taktische Maßnahme, Andrea Pirlo früh zu stören, bezeichnet der ehemalige Oberliga-Trainer aber als gar nicht so schlecht. "Die ersten 20 Minuten ist ja alles aufgegangen", sagt der Theleyer. Italien habe hinten gewackelt, es sei jedoch verpasst worden, bei deren Defensiv-Schnitzern ein Tor zu erzielen.

Der Experte sieht zu diesem Zeitpunkt schon: "Bei Ballbesitz der Italiener stehen die deutschen Spieler zu weit vom Mann weg." Gerade bei langen Bällen würde sich ein Gegentreffer förmlich andeuten. "Die Gegentore waren zu einfach", kritisiert der frühere Zweitliga-Spieler das schlechte Defensivverhalten der deutschen Spieler. Beide Male sei der Ball vorher lange in der Luft gewesen.

Jerome Boateng habe vor dem 0:1 durch Italiens Mario Ballotelli falsch gestanden und Mats Hummels sich zu leicht verladen lassen. "Ich wüsste nur zu gern, ob er in solchen Situationen die Order hatte, zum Doppeln die Viererkette zu verlassen", grübelt Warken.

Beim 0:2 durch Mario Ballotelli fehlt ihm erneut die Abstimmung. Ursächlich ist für ihn Philipp Lahms Stellungsfehler und das Holger Badstuber, statt zu sichern, nur im Raum steht. "Ich glaube, Badstuber wollte auf Abseits spielen", denkt Warken laut. Denn der Innenverteidiger sei bereits bei einigen vorangegangenen Zweikämpfen nie konsequent zum Ball gegangen. "Mit dem 2:0 für Italien ist das Ding praktisch fast gelaufen", prophezeit der Ex-Trainer des FC Homburg und des 1. FC Saarbrücken zur Pause.

Die Auswechslungen von Gomez und Lukas Podolski findet Warken folgerichtig. Eine Verbesserung nach den Wechseln erkennt er im deutschen Angriffsspiel nicht. Mesut Özil ist Warken zu schnell abgetaucht und die Zahl der Ballkontakte ist ihm zu hoch. "Dann hohe Bälle aus dem Halbfeld in den Strafraum zu spielen, ist doch Quatsch", so er 61-Jährige, der mehr Kombinations-Fußball fordert. Dass diese Spielweise ausbleibt, dafür macht er die starke Leistung der Italiener verantwortlich: "Italien verteidigt überragend gegen den Ball und verliert nach vorne kaum Bälle." Der Sieg sei verdient, weil Italien immer offensiv gedacht habe und auf das dritte Tor gespielt habe. Warkens EM-Bilanz lautet: "Deutschland hat viele tolle Offensivspieler. Aber ein Turnier wie eine EM gewinnt man in der Defensive. Und da hapert es noch." Deshalb müsste beim Deutschen Fußball-Bund, überhaupt in den Nachwuchs-Mannschaften, der Schwerpunkt auf die Vertiefung der Defensivarbeit gelegt werden.

 SZ-Mitarbeiter Frank Faber (rechts) schaute mit Gerd Warken das Spiel der deutschen Mannschaft gegen Italien. Foto: frf

SZ-Mitarbeiter Frank Faber (rechts) schaute mit Gerd Warken das Spiel der deutschen Mannschaft gegen Italien. Foto: frf

 SZ-Mitarbeiter Frank Faber (rechts) schaute mit Gerd Warken das Spiel der deutschen Mannschaft gegen Italien. Foto: frf

SZ-Mitarbeiter Frank Faber (rechts) schaute mit Gerd Warken das Spiel der deutschen Mannschaft gegen Italien. Foto: frf

Sein Ausblick in Richtung Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien. "Wir werden in Zukunft noch viel Freude an dieser Mannschaft haben. Nur Schlechtreden darf man das Ausscheiden deshalb jetzt nicht." Eine personelles Fragezeichen setzt Warken, der derzeit keine Mannschaft trainiert: "Was wird, wenn Klose aufhört. Wer bietet sich dann hinter Gomez für das Sturmzentrum an?"

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