Volksbegehren Die erste Unterschrift für die Rückkehr zu G9

Saarbrücken · Die Initiatoren konnten den Start kaum erwarten. Bis zum 3. Januar haben Saarländer nun Zeit, das Volksbegehren zu unterstützen.

 Die Sprecherin der Initiative Katja Oltmanns unterschreibt das Volksbegehren für die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium als erste. Zum Auftakt versammelten sich rund 20 Unterstützer zu einem Mini-Flashmob vor dem Saarbrücker Bürgeramt.

Die Sprecherin der Initiative Katja Oltmanns unterschreibt das Volksbegehren für die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium als erste. Zum Auftakt versammelten sich rund 20 Unterstützer zu einem Mini-Flashmob vor dem Saarbrücker Bürgeramt.

Foto: BeckerBredel

„Drei, zwei, eins – jetzt geht’s los, Start des Volksbegehrens G9 jetzt!“, jubelt Katja Oltmanns um 8 Uhr vor dem Saarbrücker Bürger­amt City in St. Johann. Ihre Unterschrift soll die erste von gut 54 000 sein, hofft die Sprecherin der Bürgerinitiative „G9 jetzt!“. So viele Unterschriften, nämlich von sieben Prozent der wahlberechtigten Saarländer, braucht das Volksbegehren, damit entweder der Landtag reagiert und das neunjährige Gymnasium wieder einführt oder es zum Volksentscheid kommt.

Doch das städtische Wahlamt macht Oltmanns und ihrer Gefolg­schaft erst mal einen Strich durch die Rechnung. Als sich die entschlossene Prozession mit ihren Luftballons in G9-Form und Transparenten auf den Weg in den zweiten Stock des Rathauses macht, stehen die rund 20 Lehrer und Eltern mit Kindern vor verschlossener Tür. Das Wahlamt öffnet im Gegensatz zum Bürgeramt einen Stockwerk tiefer erst um 8.30 Uhr. „Für Arbeitnehmer mal wieder sehr gut“, echauffiert sich eine der Anwesenden.

Rainer Waespi-Oeß, Leiter des Amtes für Entwicklungsplanung, Statistik und Wahlen, zeigt jedoch guten Willen und öffnet das Amt an diesem Tag schon früher. Den Wunsch der Initiative, dem Illinger Beispiel zu folgen und auch samstags zu öffnen, lehnt er ab, verweist jedoch auf den „Dienstleistungs-Donnerstag“, an dem das Wahlamt von 8 Uhr bis 18 Uhr geöffnet ist.

Für Oltmanns scheint es eine Herzensangelegenheit zu sein, als erste zu unterschreiben: „Wir haben so lange gekämpft und jetzt will ich natürlich mit gutem Beispiel vorangehen“, sagt sie, bevor sie am Schreibtisch von Waespi-Oeß Platz nimmt und im Beisein von Fernsehkameras und Fotografen ihre Unterschrift auf das schlichte Formular setzt. 60 000 dieser Unterstützungsbögen hat die Initiative drucken lassen und an Gemeinden und Städte verteilt. „Ich bin total aufgeregt und habe auch gerade mit zittrigen Händen unterschrieben“, sagt Oltmanns anschließend. „Jetzt gilt es. Die Eltern müssen sich bewegen.“

Dazu fordert sie alle Saarländer auf, denn: „Demokratie lebt vom Mitmachen. Wir haben nur den Grundstein gelegt. Jetzt ist es an den Bürgern zu entscheiden.“ Die wahlberechtigten Bürger benötigten nur ihren Personalausweis und etwas Zeit. Teilnahmeberechtigt ist, wer auch zum Landtag wahlberechtigt ist. Das heißt, das Unterstützungsblatt unterschreiben darf, wer am Tag der Unterzeichnung mindestens 18 Jahre alt ist, den Hauptwohnsitz seit mindestens drei Monaten im Saarland hat und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Der Unterstützungsbogen kann im Bürger­amt oder Rathaus der jeweiligen Stadt oder Gemeinde unterschrieben werden. Für Saarbrücken ist ausschließlich das Bürgeramt City in der Gerberstraße 4 zuständig.

Die betroffenen Schüler dürfen aufgrund ihres Alters überwiegend zwar nicht unterschreiben. Was einige vom Bildungswesen halten, zeigen sie dennoch deutlich. Magnus und Simon Hahn haben sich als „Bildungsunwesen“ verkleidet. Über zwei Meter groß, spitze Hörner, graues Fell und ein großes, mit Zähnen durchsetztes Maul. Damit können sie ordentlich Lärm machen. Ihre Mutter Heidi Hahn erklärt: „Das sind eigentlich sogenannte Schnappviecher, eine Tradition aus Südtirol, um den Winter zu verjagen.“ Als Bildungsunwesen sollen sie die Missstände zeigen, die nach Meinung der Initiative herrschen: „Das Stresslevel ist groß“, sagt Hahn. „Eines meiner Kinder ist in der siebten Klasse und hat drei mal die Woche bis 14.30 Uhr Schule. Dann müssen sie noch Hausaufgaben machen. Die Kinder arbeiten mehr Stunden in der Woche als Arbeitnehmer“, kritisiert die Mutter, die sich seit drei Jahren für die Initiative stark macht. Die Umstellung von G9 auf G8 machte in ihren Augen pädagogisch keinen Sinn: „Das war eine rein finanzielle Entscheidung“, sagt sie kopfschüttelnd. Auch Sabine Schäfer beklagt vor allem die ständige Leistungsbereitschaft: „Die Kinder haben jeden Tag Druck. Es kann jederzeit ein Test kommen“, sagt sie. „Meine Kinder beklagen sich zu Recht: ‚Wann habe ich mal Freizeit? Ich kann ja gar nichts mehr machen’.“

„Mir fällt nichts Positives zu G8 ein, obwohl ich versuche, es objektiv zu bewerten“, sagt ein Lehrer. Auch Katja Oltmanns hat aus eigener Betroffenheit 2014 die Initiative ergriffen, als ihre Tochter aufs Gymnasium wechselte. „Wir hatten ein weinendes Kind zu Hause. Meine Tochter war völlig überfordert“, sagt sie. Sie ist der Überzeugung: „Bildung braucht Zeit.“ Außerdem sei mit G8 keine Effizienzsteigerung gelungen. „Bildung muss nachhaltig sein. Das hat G8 nicht geschafft, deshalb müssen die Bürger in der Lage sein, es rückgängig zu machen“, fordert Oltmanns.

Das Volksbegehren zum neunjährigen Gymnasium ist erst das zweite auf Landesebene. 2015 wollten die Saar-Linken die Zinsen für Dispo- und Überziehungskredite begrenzen. Das Vorhaben scheiterte, nur 1400 Saarländer gaben ihre Unterschrift. Damit für das jetzige Volksbegehren mehr Leute den Weg in ihr Wahlbüro auf sich nehmen, wird die Elterninitiative auch weiterhin die Werbetrommel rühren, wie Oltmanns sagt. Drei Monate bleibt dafür Zeit. Stichtag ist am 3. Januar.

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