Die Entdeckung der Langsamkeit

Welch ein Glück, mein Internet-Anbieter optimiert mein E-Mail-Center. Sicher, damit ich meine Mails noch besser, schneller und schöner öffnen und ansehen kann. Eigentlich war ich mit dem vorherigen Zustand meines Mail-Faches ganz zufrieden und mit dem vor der x-ten Optimierung noch mehr. Vor allem, weil sich zeigte, dass mein Internet-Anbieter und ich von Optimierung grundverschiedene Vorstellungen haben. Die Tat sollte meiner Meinung nach eine Verbesserung, eine Perfektionierung bedeuten, nicht bloß eine Umstellung. Aber nach jeder dieser angeblich fortschrittlichen und in die Zukunft weisenden Änderungen finde ich mein Mail-Fach unübersichtlicher vor als meinen unaufgeräumten Kleiderschrank. Jede Handhabung entbehrt zunehmend der Logik, zeichnet sich dafür aber durch ziemliche Trägheit in der Anwendung aus. Die neueste so genannte Optimierung nun führt dazu, dass ich überhaupt nicht mehr auf meine Mails zugreifen kann, schon den ganzen Tag nicht. Das sollte ich aber können, denn besagte Kontakte benötige ich zum Arbeiten. Hotline-Anrufe führen zu wenig effektiven Auskünften. Meine Arbeit kann ich heute vergessen, plötzlich habe ich viel Zeit. Mir dämmert, dass mein Internet-Anbieter es vielleicht wirklich gut meint mit mir und bloß mein Arbeitspensum optimieren will, Motto: Weniger ist mehr. Nun könnte ich ja einfach Briefe schreiben, sensuelle Erfahrung mit Papier und Tinte machen und auf dem Weg zur Post Frischluft tanken. Und so die Langsamkeit wiederentdecken. Optimal, was?