Die eisernen Schönheiten von Nancy

Nancy · „La Place Stanislas“ im Zentrum von Nancy gilt als einer der schönsten Plätze Europas. Angelegt, gebaut und gestaltet wurde er im 18. Jahrhundert unter Stanislas Leszczynski, dem Schwiegervater des französischen Königs Ludwig XV. Der Goldschmuck gibt dem Platz eine ganz besondere Note.

Der vielleicht schönste Augenblick eines Besuches in Nancy ist, wenn man durch eines der vergoldeten Gittertore den riesigen Platz vor dem Rathaus der lothringischen Metropole betritt. Das Gedränge vor Schaufestern, der Lärmpegel des Verkehrs, der Stress an Verkehrsampeln - das alles kann man nun vergessen. Man hat sozusagen die Epoche gewechselt und wird zurückversetzt in die verspielte Pracht des barocken Nancy .

Ort geschichtlicher Ruhe

Ob Regen oder Sonne, ob heller Tag oder abendliche Dämmerung, "La Place Stanislas" wirkt als reich besticktes Polster zwischen verwinkelter Altstadt und geschäftiger Neustadt. Es ist ein Ort geschichtlicher Ruhe, geprägt vom Charme einer Zeit, die mehr als 200 Jahre zurückliegt und heute zum Verweilen einlädt. Dasitzen in einem Café. Sehen, nach links, nach rechts. Zeitung, Buch, Handy vergessen. Immer wieder über den Platz schauen, der ein Rechteck von 124 mal 106 Metern bildet. In seiner Mitte steht das Denkmal für den lothringischen Herzog Stanislas Leszczynski (1677-1766), dem die Stadt den Platz verdankt. Er bildet eine einzigartige Kulisse, vor der Menschen sich im reizvollen Lichtwechsel der Tages- und Jahreszeiten begegnen.

Zwei große Namen sind mit dem Platz und seiner Geschichte verbunden: Emmanuel Héré, Architekt und Baumeister des Herzogs, und Jean Lamour, der als Kunstschmied tätig war. Beide entwarfen, gestalteten und bauten im Auftrag des Herzogs, der sich mit seiner Bauwut und dem Hang zu Pomp und Pracht ein urbanes Denkmal setzen wollte und gesetzt hat.

Blickfang und Augenweide sind bis heute die vergoldeten Ornamente auf Gittern, Bögen und Laternen rund um den Platz. In manchen Details nehmen sie Formen des Jugendstils vorweg, für den Nancy rund hundert Jahr später berühmt werden sollte. Dolden, Kelche, Stengel und Blätter waren die dekorativen Motive dieser Kunst. In Stein gehauen oder aus Eisen geschmiedet sind sie Schmuckstücke an Gebäuden, Treppenhäusern, Mauern und den Gittern des Jean Lamour (1698-1771), der im 18. Jahrhundert zu den Berühmtheiten der Schmiedekunst gehörte. Héré und er gestalteten den Platz in einer Harmonie des Gegensätzlichen. Die strenge Architektur der Rokokofassaden trifft dabei auf die verspielten Formen der verbindenden Gitter.

Auf der Place Stanislas hat man sie ständig im Blick. Senkrecht nebeneinander ragen Eisenstangen in den Himmel. Quer, in rechten Winkeln, einer Sprossenwand ähnlich, ordnen sich Eisenteile nach oben. Sie tragen vergoldete Präziosen wie phantasievolle Gebilde, die an Muscheln erinnern, an Raupen und Schmetterlinge. Gefiederte Blätter suggerieren Farne, gewundene Stengel symbolisieren die wuchernde Kräfte der Natur. Dem Betrachter wird eine märchenhafte Formenvielfalt geboten.

Weite Bogen spannen sich vergoldet über zwei mächtige Brunnen von Barthélemy Guibal. Einer erweist dem römischen Meeresgott Neptun die Ehre, der hier fern seines salzigen Elements über plätscherndes Süßwasser herrscht. Der Längsseite des Platzes folgend, steht man dann ganz plötzlich vor dem Brunnen der Amphitrite, der Sage nach Gattin des griechischen Meeresgottes Poseidon.

Leuchtende Verbindungen

Zwischen den imposanten Bauwerken von Rathaus, Kunstmuseum, Theater und Grand Hotel sind Jean Lamours Gitter leuchtende Verbindungsglieder, die über die Einmündungen von Straßen und Gassen hinweg das große Ganze, die harmonische Eleganz des Platzes zusammenhalten.

Verlässt man mit ein paar Schritten die Place Stanislas durch einen wuchtigen Triumphbogen, dann steht man erneut vor Gitterwerken von Jean Lamour. "La Place da la Carrière" ist die kleine, aber nicht weniger feine Schwester der Place Stanislas. Den Turnierplatz der ehemaligen Residenz widmete Stanislas seinem Schwiegervater König Ludwig XV. Hier verfolgten einst Volk und Adel Reiterspiele und Schaukämpfe, feierten Feste und Gelage unter freiem Himmel. Macht und Herrlichkeit höfischen Lebens hatten hier ihre Bühne, zu der die eisernen Schönheiten des Jean Lamour den goldenen Rahmen bildeten. Auf beiden Plätzen spiegeln sie sich in den Fenstern der Fassaden, wenn sie im Schein der Morgensonne und im Abendlicht leuchten, während sich die Stammgäste in Cafés und Bistros, an die goldene Pracht gewöhnt, über ihre Smartphones und Laptops beugen, um virtuelle Welten zu entdecken. Kaum mehr als einen Blick widmen diese Zeitgenossen der alten Welt, dem Platz, den Gittern.

Unbeeindruckt eilen Kellner hin und her, Gäste und Tische fest im Blick. "S'il vous plaît?" - "Un espresso." Die ältere Dame genießt den Platz bei einer Zigarette. Schon damals, als noch Autos an den Gittern vorbeifuhren, kam sie her. "Da war mehr Leben auf dem Platz", meint sie, "in ruhigen Augenblicken übertönte schon mal ein Lied von Becaud oder von der Piaf den Lärm."

Die Autos sind längst verbannt und Musikboxen sind inzwischen auch aus der Mode. Geht heute ein Raucher vor die Tür, dann sieht er, das rundum das Gold der angestrahlten Gitter leuchtet. Die Szenerie auf dem Platz erinnert an eine vergangene Zeit, die so ganz anders war als die heutige.

Zum Thema:

Auf einen BlickAnfahrt: Von Saarbrücken über die französischen Autobahnen 4 und 31 zur Ausfahrt Nancy Centre Ville; der Weg zur Place Stanislas ist ausgeschildert. Allgemeines: Bei einem Besuch in Nancy sollte man unbedingt auch einen Rundgang durch die sehenswerte Altstadt einplanen. gbenancy-tourisme.fr

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