„Die Champagnerflaschen bleiben im Kühlschrank“

Dillingen · 2014 soll ein tolles Jahr für die deutsche Wirtschaft werden, klingt es aus vielen Ecken. Wie sieht das für die Dillinger Hütte aus? Das wollte die SZ vom Vorstandsvorsitzenden Karlheinz Blessing wissen.

 Die Dillinger Hütte lebt stark vom Projektgeschäft, zum Beispiel beim Bau von Offshore-Windparks. Das erfordert laut DH-Chef Karlheinz Blessing viel mehr Flexibilität. Foto: Dillinger Hütte

Die Dillinger Hütte lebt stark vom Projektgeschäft, zum Beispiel beim Bau von Offshore-Windparks. Das erfordert laut DH-Chef Karlheinz Blessing viel mehr Flexibilität. Foto: Dillinger Hütte

Foto: Dillinger Hütte

"Fragen Sie auch nach dem Großauftrag?" Karlheinz Blessing, Vorstandsvorsitzender der Dillinger Hütte (DH), begrüßt zum Gespräch über die Perspektiven im neuen Jahr mit einer Frage. Kein Termin sei nämlich in jüngster Zeit vergangen, ohne dass er darauf angesprochen wurde. Ein Großauftrag, der fast alle Sorgen vertreiben würde, stehe der Hütte ins Haus, lautete das Gerücht.

Leider nein, das heißt eher im Gegenteil: Seit Januar gilt im Walzwerk Kurzarbeit. Dazu sah sich die DH gezwungen, weil geplante Reparatur-Stillstände, wie es sie 2013 gab, nicht ausreichen, um die Differenz zu überbrücken, die sich zwischen den Kapazitäten auf dem Stahlmarkt und der Nachfrage auftut. "Das können wir auf dem Markt nicht regulieren", sagt Blessing. "Wir können weder die Nachfrage steuern, noch können wir die Kapazitäten anpassen." Das könnten vielleicht die ganz großen Hütten, wenn sie einen von sechs Hochöfen stilllegen. Die saarländische Stahlindustrie mit zwei Hochöfen kann das nicht.

Deshalb herrscht in Dillingen nicht die von allen Seiten heraufbeschworene Hochstimmung einer kräftig wachsenden Wirtschaft und toller Konjunkturaussichten. Blessing: "Wir haben im Stahl eine Strukturkrise, auch wenn das viele noch nicht verstanden haben." Es handele sich um ein "spezielles Branchenproblem in Europa und in Deutschland". Und da zurzeit - bei ungewisser Dauer dieser Lage - vom Markt eben keine Entlastung à la Großauftrag winkt, müsse die Dillinger Hütte die Kosten reduzieren. "Das wird ohne Stellenabbau nicht gehen", räumt der Vorstandsvorsitzende ein, der werde aber sozialverträglich ablaufen können.

"Unsere Bürgermeister und der Landrat werden weiterhin Sorgen haben", möchte Blessing kaum Hoffnung auf schnelle Besserung der kommunalen Einnahmen durch sprudelnde Abgaben der Hütte machen. "Ich kann nur sagen: Seid vorsichtig mit großen Planungen."

Auch wenn die Hütte gut und breit aufgestellt sei, könne sie zurzeit wenig mehr "als die Nulllinie erreichen", doch selbst die beste Technologie nütze nichts, wenn es keine Gewinne gebe. Nein, auch wenn es andere Wirtschaftslenker in Deutschland anders erleben. In Dillingen gilt für Blessing: "Die Champagnerflaschen bleiben im Kühlschrank."

"Wir sind finanziell relativ gut ausgestattet", sagt der Vorstandsvorsitzende zwar. Aber trotzdem müsse "an allen Ecken und Enden" auf die Kosten geschaut werden, "damit wir wieder in die Gewinnzone kommen". Und auf Flexibilität komme es an. Die Zeitspanne zwischen Vergabe und Bau wird immer kürzer - "zumal ja die Auftraggeber auch um die Lage der Stahlindustrie wissen". Da die Hütte stark vom Projektgeschäft etwa mit Röhren oder beim Bau von Offshore-Windparks abhängt, kann es sein, dass kurzfristig von Kurzarbeit auf Zusatzschichten umgestellt werden muss. "In anderen Unternehmen kennt man solche Nachfrageschwankungen, in Dillingen müssen wir das erst noch lernen."

Stellt der DH-Chef Forderungen? "Ja, unsere Politiker müssen schon aufpassen, dass uns nicht noch Zusatzlasten aufgebürdet werden, zum Beispiel durch hohe Energiekosten." Wenn die Deutsche Bank unlängst vor einer schleichenden De-Industrialisierung Deutschlands gewarnt habe, weil Investitionen ausbleiben, müsste die Politik das "sehr ernst" nehmen. "Ich denke zwar, dass es viele vom Grundsatz her verstanden haben, dass die Stahlindustrie unseren Wohlstand mehrt. Ob alle verstanden haben, dass es schon fünf vor zwölf und nicht erst elf Uhr ist, da bin ich nicht so sicher", sagt Blessing. An vielen Stellen sei Umdenken gefragt - "da kann jeder auch in seinem Kopf beitragen".

Dennoch macht Blessing nicht den Eindruck, als wolle er - um das prickelnde Bild noch einmal zu bemühen - die Champagnerflaschen in den tiefsten Keller verlagern. Der Vorstandsvorsitzende sagt: "Unsere Substanz ist gut. Wir können das aus eigener Kraft stemmen. Das müssten wir hinkriegen."

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