Die Blies scheint hier etwas unberechenbar

Oberlinxweiler · Die Blies entspringt in 420 Metern Höhe im Nordsaarland und durchfließt auf 95 Kilometern Länge schöne Landschaften, aber auch Industrieregionen. Zum Schluss ist die Blies Grenzfluss zwischen Frankreich und Deutschland. Wer sind die Menschen, die am Fluss wohnen? Und wie lebt es sich an der Blies?

 Drei verschiedene Blicke auf Oberlinxweiler – links im Winter, in der Mitte im Sommer und rechts auf einem Ölbild. Fotos: J. Zimmer

Drei verschiedene Blicke auf Oberlinxweiler – links im Winter, in der Mitte im Sommer und rechts auf einem Ölbild. Fotos: J. Zimmer

 ,,Oberlinxweiler ist unsere Heimat!“ Das sagen aus voller Überzeugung Sascha Feldbauer, Manfred Caspari, Jürgen Zimmer und Hans Werner Schmeer (von links). Foto: D. Gräbner

,,Oberlinxweiler ist unsere Heimat!“ Das sagen aus voller Überzeugung Sascha Feldbauer, Manfred Caspari, Jürgen Zimmer und Hans Werner Schmeer (von links). Foto: D. Gräbner

Foto: D. Gräbner

Es ist ein kalter Dezembermorgen. Die hügelige Landschaft hinter Ottweiler versinkt im Schneeregen. Von der Blies ist nichts zu sehen. Ich bin auf der Bundesstraße 41 Richtung Oberlinxweiler unterwegs und im Gemeindezentrum mit drei Männern verabredet: mit Jürgen Zimmer, einem Diplom-Soziologen, der auch Ortsvorsteher von Oberlinxweiler ist, mit Hans Werner Schmeer, der Betriebsrat bei der Post in Saarbrücken war, und mit Manfred Caspari, einem pensionierten Versicherungskaufmann. Die Männer wohnen in Oberlinxweiler und wurden hier geboren beziehungsweise wuchsen hier auf. Einzige Ausnahme ist Schmeer, der vor 15 Jahren von Saarbrücken hierher zog. Alle drei sind in Oberlinxweiler vielfältig engagiert in Vereinen und sind auch Hobby-Heimatforscher. Die drei sitzen erwartungsvoll im Gemeindezentrum an einem Tisch. Wir kommen schnell ins Reden.

Ich habe vorher im Internet nachgelesen. Oberlinxweiler hat 2100 Einwohner und eine lange Vorgeschichte, die bis in die Zeit der Kelten und Römer zurückreicht. Urkundlich wurde Oberlinxweiler zum ersten Mal in einer Urkunde aus dem Jahr 871 von Kaiser Ludwig II. (genannt "der Deutsche") als "Lainchesivilliare" erwähnt.

Jürgen Zimmer nickt: "Die Geschichte des Ortes reicht weiter zurück. Hier wurden Überreste einer keltischen und römischen Festungsanlage ausgegraben, die der älteste Siedlungspunkt hier in der Region war. Der Ort wuchs stetig. Mein Elternhaus wurde 1840 zum ersten Mal in einer Karte aufgezeichnet. Es ist in Wirklichkeit viel älter." Er holt ein altes Foto aus dem Jahr 1918 , auf dem sein Urgroßvater Jakob Zimmer abgebildet ist: "Es ist eine Feldpostkarte, die er im Januar 1918 an seinen Sohn, meinen Großvater Johann Zimmer, schickte. Auf der Postkarte ist mein Elternhaus abgebildet."

Ortsvorsteher Zimmer kennt die Heimatgeschichte wie vermutlich kaum ein anderer. Wenn ein Stichwort fällt, hat er schon die Antwort: "Die erste Eisenbahnbrücke wurde 1850 gebaut. In Oberlinxweiler gab es früher fünf Mühlen. Um 1840 wurden bei Ausgrabungen Überreste einer römischen Villa und Münzen aus der Römerzeit entdeckt. Wir sind eine steinige Gegend. Das hat sich ausgezahlt. Wir hatten im Jahr 1900 drei Steinbrüche. Hier kamen immer mehr Arbeiter her, die in den Steinbrüchen arbeiteten und Pflastersteine herstellten. Viele Steine wurden auch nach Paris geliefert. Sogar die Champs-Élysées soll zum Teil mit Steinen von hier gepflastert worden sein."

Manfred Caspari, Vorsitzender des Vereins für Orts- und Familiengeschichte , erzählt von "den alten Zeiten, von der Hochmühle, die zerfiel und heute ganz traurig dasteht, und von der alten Bliesbrücke, die abgerissen wurde und deren Steine in der Stadtmauer von St. Wendel verbaut wurden."

Und wie ging es weiter? Caspari: "Oberlinxweiler hatte um 1900 rund 1000 Einwohner und war im Zweiten Weltkrieg auch Ziel alliierter Bombenangriffe . Der Ort wuchs vor allem nach dem Krieg ständig. Viele zogen hierher. Oberlinxweiler liegt landschaftlich schön. Viele Zugezogene kauften ein Grundstück und bauten ihr Eigenheim. Die Verbindungen nach St. Wendel sind gut. Arbeit gibt es hier genug. Viele arbeiten bei Globus oder Fresenius. Wir haben ein reges Vereinsleben."

Hans Werner Schmeer, der ehemalige Betriebsrat bei der Post, nickt und meint: "Die Zugezogenen fühlen sich wohl hier. Viele sind Vereinsmitglieder geworden." Zimmer sagt: "Wir versuchen, die dörfliche Gemeinschaft zu erhalten und zu stabilisieren. Neue Bürger sind uns wichtig. Wir werben, dass sie in die Vereine eintreten und dass sie sich auch politisch engagieren: Die SPD ist die stärkste Partei hier. Aber wir kommen auch mit der CDU zusammen. Wenn die CDU ihre alljährliche Ostereiersuche veranstaltet, suchen wir mit. Und zum SPD-Dämmerschoppen kommen auch viele CDU-Mitglieder. Beim Dorffest, das wir alle zwei Jahre im August feiern, haben SPD und CDU einen gemeinsamen Bierstand."

Zimmer steht auf und holt aus seinem Arbeitszimmer eine Liste der Oberlinxweiler Vereine. Es sind insgesamt 25. Als ich nach den einzelnen Vereinen frage, hat er sofort die Antwort. "Der Fußballverein SVO 1919 spielt in der Bezirksliga St. Wendel. Die sind gut drauf. Der Schützenverein Ruhig Blut hat eine schöne Schießanlage. Der Verein für Orts- und Familiengeschichte Oberlinxweiler hat zwar nur zwölf Mitglieder, ist aber sehr engagiert." Herbert Caspari, der Vorsitzende des Vereins, erklärt: "Wir haben fleißig Informationen über die Ortsgeschichte gesammelt. Einer der Grundstöcke ist die Sammlung von unserem Heimatforscher Heinrich Schwingel, Jahrgang 1918, der leider 2010 gestorben ist. Der konnte auch malen. Die Federzeichnung der Römerbrücke in Oberlinxweiler ist die bekannteste Ansicht des Dorfes."

Dann erzählt wieder Jürgen Zimmer: "Es gibt einen Rassekaninchenzuchtverein, einen Kickerverein, der allerdings nur Tischfußball spielt, einen Hundetreffpunkt, den Obst- und Gartenbauverein, der eine gute Kelteranlage hat, und seit jüngstem einen Freizeit- und Karnevalsverein, der die Fastnacht hier beleben will."

"Und was gibt es Neues über die Blies? Wegen der Blies bin ich hergekommen", frage ich. Zimmer: "Die Probleme sind ähnlich wie in den Nachbargemeinden. Die Hochwassersituation hat sich deutlich verschärft. Die Bliesaue hier wurde zugebaut, die Blies streckenweise kanalisiert. Das zuständige Landesamt für Umweltschutz hat in den letzten Monaten zwar Renaturierungsarbeiten durchführen lassen, die Begradigung aber nicht aufheben lassen. Das wäre eine riesige Baumaßnahme. Wir hoffen aber, dass die Renaturierung die Hochwassersituation im Unterdorf entschärft. In der Blies haben sich vor einigen Jahren wieder Biber angesiedelt, die wohl von Wiebelskirchen hierher hochgewandert sind. Verschärft hat sich die Situation auch durch den Bahndamm an der B 41. Das schnelle Wasser bleibt hier stehen. Wenn zum Beispiel Hochwasser in Saarbrücken ist, dann fließt auch bei uns nichts mehr."

Es regnet ziemlich heftig. Wir machen einen kleinen Rundgang und bleiben dann vor drei Häusern, einem denkmalgeschützten Ensemble, stehen: Es handelt sich um zwei Schulen, eine mit Baujahr 1818, eine von 1880, und um eine Scheune von 1850. Zu uns gesellt sich nun noch Sascha Feldbauer. Er ist Vorsitzender der überparteilichen Interessengemeinschaft Oberlinxweiler : "Guten Tag", sagt er. Dann zeigt er uns die sogenannte "Kulturscheune", eine alte Mühle mit einem großen Veranstaltungssaal im ersten Stock: "Hier wird gefeiert, wenn es was zu feiern gibt. Und das gibt es oft bei uns."

Jürgen Zimmer sagt abschließend: "Wenn es drauf ankommt, stehen wir in Oberlinxweiler zusammen. Ein Beispiel dafür ist der Sportplatz. Das war früher ein Braschenplatz. Der Verein hat dort einen Naturrasenplatz angelegt. Das hat rund 150 000 Euro an Barmitteln gekostet. Viele Bürger haben geholfen. Die Eigenleistung betrug 80 000 Euro Das war im Juni 2008. Und dann gab es ein großes Fest. Zur Eröffnung kam die Traditionsmannschaft von Bayern München und spielte gegen den FC Union, eine Landesauswahl der CDU ."

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