Erholung für jedermann Der Wald

Ein Dreiklang aus Ökologie, Ökonomie und Soziologie. Der Wald steckt den Deutschen tief im Gemüt. Und die Saarländer lieben ihn.

 Das Dunkle, das Geheimnisvolle, das Mythische des Waldes kann einem auch zwischen weniger alten Bäumen begegnen. Hainbuchen, Vogelkirschen, Eichen, Ahorn und Erlen stehen östlich von St. Wendel so dicht, dass ihr Schatten bei Hitze Abkühlung bietet.

Das Dunkle, das Geheimnisvolle, das Mythische des Waldes kann einem auch zwischen weniger alten Bäumen begegnen. Hainbuchen, Vogelkirschen, Eichen, Ahorn und Erlen stehen östlich von St. Wendel so dicht, dass ihr Schatten bei Hitze Abkühlung bietet.

Foto: Robby Lorenz

Der Wald. Für die saarländische Politik ist er heute vor allem dreierlei: Lebensraum, Wirtschaftsraum und Erholungsraum. Alles in Einklang zu bringen, ist eine schwere Aufgabe für sie. Zumal der Wald für die Menschen mehr ist. Er steckt ihnen tief im Gemüt. Den Deutschen spätestens seit der Romantik. Diese Kultur-
epoche manifestiert ab Anfang des 19. Jahrhunderts den Wald als etwas typisch Deutsches. Wagners „Nibelungenlied“, Kleists „Hermannsschlacht“, Grimms Märchen. Stets ist der Wald Kulisse großer deutscher Erzählkunst. Maibäume und Weihnachtsbäume sind deutsche Erfindungen. Germanen und Kelten verehrten schon Jahrhunderte zuvor heilige Bäume als Sitz von Geistern. Das Dunkle, Geheimnisvolle, das Mythische, Undurchdringliche, auch das Beschützende und Erhabene der Wälder fasziniert die Deutschen wie kaum ein zweites Volk. Der Nationalsozialismus treibt den Waldmythos letztlich auf die Spitze. Nach dem Krieg spenden die Heimatfilme vor der Kulisse des heilen Waldes Trost; die Studenten der 1968er Generation hinterfragen den deutschen Waldmythos kritisch, in den 1980er Jahren kämpfen und demonstrieren die Deutschen vehement gegen das Waldsterben und sauren Regen. Abends schauen sie die Schwarzwaldklinik. Heute haben Waldkindergärten, Waldschulen, Waldlehrpfade, Nacht- und Nacktwanderungen, Baum-Umarmungen und Waldfriedhöfe Hochkonjunktur. Der Forst ist für die Deutschen, die keinen Müll dort illegal ablagern, mehr als ein Dreiklang aus Ökologie, Ökonomie und Soziologie: Sie lieben ihn.

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Foto: Robby Lorenz

Vor allem die Saarländer. Und das zu Recht. Sie haben mit die schönsten Wälder der Republik. Das wissen inzwischen auch Tausende Touristen. 2016 knacken die Übernachtungszahlen im Saarland zum ersten Mal die Drei-Millionen-Marke. Nicht zuletzt wegen der Wanderer, die auf Premiumwanderwegen die saarländischen Wälder erkunden. Ob im Warndt, im Hochwald, im Saarkohlenwald, im Nationalpark Saar-Hunsrück. Die Mischwälder faszinieren, zeigen sich besonders naturnah und bieten jedem Menschen genügend Raum, seine persönliche Beziehung zum Wald auszuleben.

Immerhin bedeckt der Wald rund 93 500 Hektar des Saarlandes. Das sind etwa 36 Prozent der Landesfläche. Damit ist das Saarland eines der waldreichsten Bundesländer. Nur Hessen und Rheinpfalz haben einen größeren Waldanteil. 38 000 Hektar der saarländischen Wälder sind Staatsforst, bewirtschaftet von „SaarForst“. 30 Prozent des Saarwaldes sind „Kommunalwald“. Rund 26 500 Hektar sind in privaten Händen. Diese Parzellen teilen sich etwa 40 000 (!)
Besitzer. Ein weiterer Spitzenwert: 70 Prozent der saarländischen Holzgewächse sind Laubbäume. 23 Prozent aller Bäume heißen Buche. 21 Prozent sind Eichen, etwa 14 Prozent Fichten. Dazu kommen noch Esche, Birke, Lärche, Ahorn, Douglasie, Tanne und weitere Arten.

Im Saarbrücker Stadtwald stehen zum Beispiel 46 Baumarten. Ein Vorteil. Der Borkenkäfer, Temperaturanstieg, Stürme, saurer Boden, Ozon, Stickoxide, Ammoniak aus der Landwirtschaft. Das setzt Bäumen zu. Dem einen mehr, dem anderen weniger. Je mehr Arten im Wald wurzeln, desto höher ist seine Chance, Verluste auszugleichen. Monokulturen gelingt dies nicht. Den Fichten im Saarland geht es zum Beispiel schlecht – der Borkenkäfer und die Stürme machen ihnen zu schaffen. Die Weißtanne könnte sie perspektivisch ersetzen, meint das Umweltministerium.

Der saarländische Wald ist erdzeitgeschichtlich noch sehr jung. Erst als sich die Eiszeit zurückzieht, wandern Buchen aus Vorderasien ein. Etwas früher kommen Birken, Weiden und Kiefern zu uns. Vor mehr als 9000 Jahren treffen die ersten Eichen ein. Bevor die ersten Bäume hier ankommen, ist einer schon da: der Mensch. Als er den Wald sieht, nutzt er ihn. Sofort. Bereits in der Jungsteinzeit roden Saarländer nachweislich Bäume.

Für die heutige Forstwirtschaft ist der saarländische Wald ein „Aufbaubetrieb“. Etwa die Hälfte der Wälder ist jünger als 60 Jahre. Die, die zwischen 60 und 120 Jahre alt sind, nehmen ein Drittel der Fläche ein. Lediglich 16 Prozent des Waldes sind älter als 120 Jahre. Die meisten Bäume sind zwischen 40 und 80 Jahre alt.

Die Altersstruktur hat Gründe: Die Gruben benötigten vor und nach dem Krieg viel Holz und Flächen, die Stahlwerke auch. Auch der Zweite Weltkrieg zerstört massiv die saarländischen Wälder. Das Aufforsten dauert bis in die 1970er Jahre. Straßenbau, Industriegebiete – die saarländische Waldlandschaft verändert immer wieder ihr Gesicht. Die Stürme Vivian und Wiebke in den 1990er Jahren setzen der Kulturlandschaft wieder zu. Auch Kyrill (2007) und Xynthia (2010) lassen weit mehr als 100 000 Bäume im Saarland fallen. Allein zwischen 2005 und 2015 gehen im Land pro Jahr 33 Hektar Wald verloren. Den Trend will das Umweltministerium umkehren. Ein Zuwachs soll her. 40 Prozent Waldanteil sind das Ziel.

Ein weiteres Ziel: Zehn Prozent des Staatsforstes sollen ohne Nutzung sein. Naturschutzparzellen. Mit 3808 Hektar hat es das Saarland bereits erreicht: „Der Urwald vor den Toren der Stadt“ Saarbrückens ist mit 1043 Hektar Flächen-Spitzenreiter unter den ungenutzten. Dabei passt der Name „Urwald“ zwar ganz gut ins Waldmythosbild, ist aber irreführend. Urwälder hat es im Saarland nie gegeben. Der saarländische Forst ist und war ein Wirtschaftswald. Seit der Eiszeit (siehe oben). Die zweitgrößte nicht bewirtschaftete Waldfläche liegt in der Kernzone der Biosphäre. Im Bliesgau (812 Hektar). Auf Platz drei landet der saarländische Waldanteil am Nationalpark Saar-Hünsrück (665). Von den privaten Parzellen, die meist von Staatsforst umschlossen sind, sind etwa 50 Prozent nicht bewirtschaftet. Da gibt es nur Schätzungen. Fest steht: Nicht viele Bundesländer lassen dem Wald so viel Raum zur freien Entwicklung.

Dazu kommt: Die Saarländer betreiben ihre Waldwirtschaft seit 1988 naturnah. Das heißt: Für die Natur besonders wertvolle Bäume bleiben stehen. Totholz darf auch mal liegen bleiben. Die Artenvielfalt im Wald wird so gestärkt. Seltene Tiere wie Biber, Fledermäuse, Eulen, Dachse, Wildkatze gibt es schon, der Luchs steht kurz vor der Rückkehr. Damit sie naturnahe Wälder vorfinden, pflanzt der Forst viele Baumarten an. Verschafft ihnen Licht zum Wachsen. Weg von den Monokulturen. Hin zu naturnahen Laub-Mischwäldern, zu Dauerwäldern, in denen unterschiedlichste Arten und Altersstufen nebeneinanderstehen. Und die in 1000 Jahren vielleicht mal Urwälder sind. Problem bei den Aufforstmaßnahmen ist das Wild. Es liebt die Knospen der jungen Bäume. Sie vor ihm zu schützen, ist teuer.

In naturnah bewirtschafteten Wäldern gehören auch Kahlschläge der Vergangenheit an. „Reife“ Bäume müssen aus dem Wald „seziert“ werden. Rückepferde sind dazu ab und an im Saarland im Einsatz. Sie schonen den Waldboden am besten. Schweres Gerät ist zwar auch noch im Einsatz, ist aber meist Gift für den Boden. 2013 hat der Naturschutzbund Deutschland das Saarland als einzige deutsche Landesforstverwaltung für vorbildliche Waldbewirtschaftung ausgezeichnet.

Holz ist für das Saarland dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – ein millionenschwerer Markt. Rund zehn Millionen Euro Umsatz macht das Saarland mit seinen Holzernten pro Jahr, zieht pro Saison 230 000 Festmeter aus dem Staatswald. „Brotbaum“ der saarländischen Forstindustrie ist die Fichte. Bis zu 58 Prozent der Holzverkauf-Einnahmen erwirtschaftet das Land mit dem Nadelholz, das im Saarland am meisten unter dem Klimawandel zu leiden hat. Der Brennholzabsatz des „SaarForsts“ hat sich in den vergangenen Jahren mehr als verdreifacht. Das Holz der Fichte, Kiefer, Douglasie bleibt meist in Deutschland. Eichen bleiben weitgehend in Europa, einige davon verkauft „SaarForst“ nach Asien. Auch Buchen gehen nach Fernost. Und stehen ein paar Wochen später wieder in deutschen Baumärkten. Als Latten oder Leisten.

Insgesamt sind in Deutschland etwa 1,1 Millionen Menschen im Holz- und Forstsektor beschäftigt. In der Autoindustrie sind es 800 000. Das zeigt vor allem eines: Der deutsche Wald ist ein Wirtschaftsraum. Im Saarland ein besonders schöner. Recht nah am Mythos dran.

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