Prostitution „Der Mann zahlt für eine Vergewaltigung“

Saarbrücken · Wer kauft sich Frauen und wie sind diese „Freier“? Eine Fachtagung in Saarbrücken ging diesen Fragen rund um die Prostitution nach. Die Fachleute forderten, die Freier nach französischem Vorbild zu bestrafen.

 Der Menschenhandel mit jungen Mädchen aus Osteuropa und Afrika blüht, berichten die Experten, auch der Straßenstrich wächst.

Der Menschenhandel mit jungen Mädchen aus Osteuropa und Afrika blüht, berichten die Experten, auch der Straßenstrich wächst.

Foto: dpa/Ole Spata

Drei düstere Gemälde stehen neben dem Rednerpult. Sie zeigen traurige Frauengesichter – schemenhaft. Denn das schreckliche Leid der Frauen, die sich in schummrigen, schmierigen Bordellen und auf düsteren Straßen- und Waldwegen prostituieren, wird oft und gerne übersehen, verharmlost, als „ältestes Gewerbe der Welt“ romantisiert.

Es gibt keine freiwillige Prostitution (bis auf eine verschwindend geringe Anzahl an Ausnahmen), gekaufter Sex ist immer ein Akt der Gewalt, und Freier sind deshalb Gewalttäter und müssen bestraft werden. Nicht nur Claire Quidet, Sprecherin von „Mouvement du Nid“, der größten französischen Organisation gegen Prostitution, vertrat diese Meinung in ihren beiden Vorträgen am Samstag, in denen sie den letztlich erfolgreichen Kampf für das französische Freierbestrafungsgesetz skizzierte. Alle Referenten der Fachtagung zum Thema „Der Freier. Warum Männer zu Prostituierten gehen“, organisiert von dem jungen Saarbrücker Verein „Hadassah initiative féminine“, berichteten von den verheerenden psychischen und körperlichen Auswirkungen der Prostitution. Und sie fordern auch für Deutschland ein Gesetz, das die Freier bestraft, wie es schon länger in Schweden und seit April 2016 auch in Frankreich gilt. Zwar wurde das extrem liberale deutsche Prostitutionsgesetz im Juli verschärft, gerade hat der Landtag die Umsetzung konkretisiert: Es gilt künftig die Kondompflicht, eine Anmeldepflicht für Prostituierte und strengere Kontrollen für Bordellbetreiber. Doch die Freier bleiben außen vor – in der Annahme, das Sex-Gewerbe sei ein Markt wie jeder andere und die Prostituierte eine selbstständige Marktteilnehmerin, die nur auf die Nachfrage reagiert.

Für die Grenzregionen, auch an der Saar, hat das verheerende Folgen: Freier werden jetzt in Frankreich kriminalisiert, also kommen sie vermehrt über die Grenze in die vielen Großbordelle, die in den vergangenen Jahren auch im Saarland entstanden sind (rund 50 Prozent der Kunden sind Franzosen). Der Menschenhandel mit jungen Mädchen aus Osteuropa und Afrika blüht, berichten die Experten, auch der Straßenstrich wächst.

Zu Zahlen, Studien und Statistiken gab es viele Informationen auf dieser Tagung. Erschütternd waren jedoch die Berichte über die ausufernde, perverse Gewalt, denen die Frauen tagtäglich ausgesetzt sind. Nachzulesen auch in diversen Freier-Foren im Internet, wo sich Männer völlig empathiefrei über die gebotenen „Leistungen“ der Frauen austauschen, die oft schlimmer als Vieh behandelt werden. Neben den Aktivistinnen erzählten ein Gynäkologe, eine Psychologin, ein Kriminalhauptkommissar und eine ausgestiegene Prostituierte von ihren Erfahrungen.

„Der Mann zahlt für eine Vergewaltigung“, sagt Rosen Hilcher, die 22 Jahre ihren Körper verkaufte und als selbstständige Prostituierte zumindest noch Preise und Praktiken aushandeln konnte. Diese „Freiheit“ werde den jungen, meist ausländischen Frauen, in den völlig legalen Bordellen mit menschenverachtenden Flatrates und widerlichen Sex-Praktiken, zu denen sie gezwungen werden, verweigert.

Bis zu 25 000 sexuelle Kontakte habe sie gehabt – genug also, um zu wissen, wie psychisch krank und zum Teil auch pervers viele der Männer sind, die sich Frauen kaufen. Vom Psychiater bis zum Pfarrer seien alle Berufsgruppen und sozialen Schichten ihre Kunden gewesen. „Ich habe in den vergangenen Jahren eine zunehmende Verrohung festgestellt, die Freier fordern immer mehr, es gibt keine Tabus mehr“, erzählt die Französin, die heute Prostituierten beim Ausstieg hilft. Das liege auch am ausufernden Pornografie-Angebot im Internet, das man unbedingt kontrollieren müsse. Die Aussteigerinnen nennt sie „Überlebende“ der Prostitution. Doch auch für viele Freier seien deren sexuelle Obsessionen und ihr fehlendes Selbstbewusstsein „die Hölle“, räumt Rosen Hilcher ein.

Angewidert schilderte der Gynäkologe und Menschenrechtsaktivist Wolfgang Heide, wie krank und verletzlich die Prostituierten sind, die er oft kostenlos in seiner Mannheimer Praxis behandelt, weil sie keine Krankenversicherung haben. Er war als Sachverständiger am Gesetzgebungsprozess für das neue Prostituiertengesetz beteiligt und zeigte sich entsetzt: „Schwangere Prostituierte bekommen weiterhin bis zur 34. Woche eine Anmeldebescheinigung, aber Erzieherinnen beispielsweise beurlaubt man, sobald sie schwanger sind, damit sie sich keine für das Ungeborene gefährlichen Infektionskrankheiten zuziehen können, Nachtarbeit ist für schwangere Arbeitnehmerinnen verboten“, sagt er. „Die Öffentlichkeit weiß zu wenig, viele Freier kennen kein Erbarmen.“ Auch er plädiert für die Bestrafung der Freier. Das dämme die Prostitution zwar nur ein, aber es setze Normen und führe zu einem Umdenken in der öffentlichen Diskussion, in der Kauf und Konsum menschlicher Körper immer noch bagatellisiert würden. Der Arzt  forderte: „Beziehen Sie Stellung, wenn jemand mit dem Bordell prahlt oder die Prostitution verharmlost! Männer, zeigt Anstand!“

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