Der Ex-Genosse, das Geld und die Macht

Hartmut Ostermann (58) bereitet ein großes Projekt vor. Nahe der portugiesischen Hauptstadt Lissabon plant er ein Mehrgenerationen-Feriendomizil, das auch speziell auf die Bedürfnisse betuchter Senioren ausgerichtet werden soll. Der Saarbrücker Unternehmer und eher medienscheue FDP-Politiker ist weiter bemüht, sein Firmenimperium unter dem Dach der Victor's AG zu vergrößern

Hartmut Ostermann (58) bereitet ein großes Projekt vor. Nahe der portugiesischen Hauptstadt Lissabon plant er ein Mehrgenerationen-Feriendomizil, das auch speziell auf die Bedürfnisse betuchter Senioren ausgerichtet werden soll. Der Saarbrücker Unternehmer und eher medienscheue FDP-Politiker ist weiter bemüht, sein Firmenimperium unter dem Dach der Victor's AG zu vergrößern. Deutscher Branchenprimus ist der schwergewichtige Investor bereits im Sektor der privaten Senioren- und Pflegeheime. Eine eigene Hotelkette mit Nobelherbergen gehört ebenso zur kaum überschaubaren Firmengruppe mit mehr als 100 Gesellschaften (siehe Grafik). Während der Chef von bundesweit rund 11 000 Mitarbeitern - davon etwa 1100 im Saarland - an seinen Expansions-Plänen an der Atlantikküste Portugals schmiedet, stellt sich die Opposition im Landtag die Frage, ob der Stratege und Taktiker Ostermann an der Saar bereits ein Großprojekt vollendet hat: die "Jamaika-Koalition".Linke und SPD widmen dem Mann, den kritische Zeitgenossen als "Paten von der Saar" oder "talentierten Strippenzieher" charakterisieren, einen eigenen Untersuchungsausschuss. Die Polit-Aufklärer wollen wissen, ob der Gönner, Großsponsor, Finanzier, FDP-Politiker, Investor und Konzernchef hinter den Kulissen die Fäden für die Regierungsbildung nach den Landtagswahlen 2009 gezogen hat. Immerhin sitzt Ostermann im "Jamaika"- Koalitionsausschuss, war bei den Koalitionsverhandlungen am Tisch und ist oder war geschäftlich oder persönlich mit den drei beteiligten Fraktionschefs Klaus Meiser (CDU), Horst Hinschberger (FDP) und Hubert Ulrich (Grüne) verbunden. Eine umstrittene Spende von 38 000 Euro sechs Wochen vor der Wahl an die Grünen und die Einstellung von fünf Verfahren wegen Steuerhinterziehung nach jahrelangen Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft sorgen für weiteren Zündstoff. Am 24. März trifft sich im Landtag erstmals der "Ostermann-Ausschuss".

Wer ist dieser mächtige Mann, der von seiner Residenz im Saarbrücker Victor's Hotel im Deutschmühlental sein Imperium (Jahresumsatz 480 Millionen Euro) lenkt und beste Kontakte in die Politik hegt und pflegt? Über sich selbst sagt der Millionär mit eigenem Geschäftsflugzeug: "Ich habe keine Scheuklappen auf, ich bin Pragmatiker, kein Ideologe." In der Bergstadt Altenau im Harz geboren, wuchs Ostermann in Worms bei der Mutter und den Großeltern auf, absolvierte eine Lehre als Maschinenbautechniker und besuchte das Abendgymnasium. Gedanken an ein Medizinstudium gab er nach einem ersten Klinik-Praktikum auf. Über einen Freund kam er zum Arbeitersamariterbund (ASB), mit einem Bauträger aus Bayern realisierte er erste Seniorenheim-Projekte. Über München (Vaterstetten) führten die Wege 1992 ins Saarland. Mit dem damaligen Bauunternehmer Udo Geitlinger machte er gemeinsame Geschäfte, wirkte an der Spitze des FC Homburg und ließ sich schließlich an der Saar nieder. Er holte die Zentralverwaltung der stetig wachsenden Victor's-Gruppe nach Saarbrücken. Die Entwicklung des Unternehmens ging steil nach oben. Heute ist Ostermann Aufsichtsratschef der Victor's Bau und Wert AG (Sitz in Berlin), unter deren Dach unter anderem die Pro Seniore AG mit Sitz in Saarbrücken (Seniorenresidenzen) und die Hotel GmbH (Sitz in Berlin) stehen. Die Aktien der Victor's AG hält ein eingetragener Verein namens "Pro Seniore" mit weniger als zehn Mitgliedern. Dessen Vorsitzender ist Ostermann, der mit seiner Lebensgefährtin in St. Ingbert lebt.

Erste Erfahrungen in der Politik hat der dreifache Vater Ostermann, den Freunde als "Kumpeltyp" mit ausgleichendem Wesen beschreiben, bei den Jungsozialisten in Worms gemacht. In der Nibelungenstadt stand der damalige Willy-Brandt-Anhänger zeitweise an der Spitze des SPD-Ortsvereins. Mit seinem Wechsel nach München kehrte er 1984 der SPD den Rücken, fand zwei Jahre später bei der FDP in Vaterstetten eine neue politische Heimat. "Ich bin heute immer noch ein Sozial-Liberaler", verrät der Self-made-Manager und Befürworter eines Mindestlohnes von 8,50 Euro in der Pflegebranche seine politische Grundeinstellung. Im Saarland trat er 1994 erstmals für die Liberalen ins Rampenlicht: Der damalige Landesparteichef Harald Cronauer präsentierte ihn als Überraschungskandidaten für den Bundestag. Heute führt der Mann mit der Vorliebe für schwarze Klamotten den mitgliederstärksten FDP-Kreisverband in Saarbrücken. In das Amt kam er, "weil sich kein anderer dafür gefunden hat". In dieser Funktion ist er Mitglied im Landesvorstand und gibt Parteichef Christoph Hartmann kritische Ratschläge.

Freunde hat Ostermann, der mittlerweile im Saarland Wurzeln geschlagen hat, nicht nur in der FDP. Mit Finanzspritzen von insgesamt 368 800 Euro soll er in den letzten Jahren die Partei vor der Pleite bewahrt haben. Reinhard Klimmt, Ex-SPD-Ministerpräsident, nimmt Ostermann vor scharfen Attacken seines früheren Wegbegleiters und heutigen Linken-Chefs Oskar Lafontaine in Schutz: "Er hat nie versucht, Entscheidungen in seinem Sinne zu beeinflussen." Klimmt ist Aufsichtsratschef des 1. FC Saarbrücken. Dieser Verein ist Ostermann lieb und teuer. Freunde und Ratgeber wollen ihm schon wiederholt erklärt haben, dass das Bild des "Paten von der Saar" dann besonders gepflegt wird, wenn er mit schwarzem Hemd, Anzug und dunkler Sonnenbrille auf der Tribüne im Ludwigspark sitzt. Pro Saison macht der Großsponsor für den FCS Millionen locker. Der Verzicht auf ein Millionen-Darlehen bescherte dem Unternehmer vor Jahren auch Riesen-Ärger mit dem Fiskus - damals war Klimmt im Land an der Macht. Im Jahr 2002 saß Ostermann wegen Verdachts der gewerblichen Steuerhinterziehung sogar kurze Zeit in Untersuchungshaft. Das Strafverfahren wurde eingestellt, die Steuern bezahlt, Ostermann für die erlittene Haft (karg) entschädigt. Das Geld hat er gespendet - wie so oft. Derzeit dümpelt noch in Mannheim ein altes Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Untreue.

Ein eigenes politisches Netzwerk hat der erfolgreiche Firmenboss zweifelsohne geknüpft. Klaus Meiser, Ex-Innenminister und heute CDU-Fraktionschef, gehört zum Freundeskreis. Der frühere FCS-Vize war als Landtagsabgeordneter über Jahre für "Pro Seniore" im Projektmanagement aktiv. Mit FDP-Fraktionschef und Landesschatzmeister Horst Hinschberger hat Ostermann einen Vertrauten an der Spitze des 1. FC Saarbrücken und der Fraktion. Sebastian Pini, Schatzmeister bei Ostermanns Stadt-Liberalen, ist zum Gesundheitsstaatssekretär aufgestiegen. Und Grünen-Parteichef Hubert Ulrich war bis vor wenigen Monaten nebenberuflich "Marketingexperte" der Software-Schmiede "Think & Solve", an der Ostermann eine Minderheitsbeteiligung hält. Klimmt hatte übrigens Ulrich für diesen Job empfohlen, als der 1999 aus dem Landtag geflogen war. Zum Polit-Netzwerk gehört auch Ex-SZ-Chefredakteur Friedhelm Fiedler, der in der Geschäftsleitung von Pro Seniore sitzt und die FDP-Fraktion im Saarbrücker Stadtrat führt. Saarbrückens Ex-Oberbürgermeister Hajo Hoffmann (SPD) steht schon länger in "Pro-Seniore-Diensten", ist Verwaltungsrat der Luxemburger Tochterfirma und Vorsitzender des Zukunftsbeirates. "In Köpfe investieren" war übrigens ein Rat des Strategen Ostermann an die Politik in einem liberalen Werbeblatt für die Wahl 2009.

Investiert hat Ostermann in Hotels und Seniorenheime im Saarland, in Sport und Kultur und in die Politik. Dass ihm jetzt ausgerechnet von Oskar Lafontaine vorgeworfen wird, er habe die Jamaika-Regierung quasi gekauft, empfindet er als "Frechheit". Natürlich habe er den Grünen-Chef Ulrich "nicht geschmiert". Dessen Partei habe in höchst eigener Sache entschieden. Ostermann spricht von einem "Totalangriff", äußert sich dennoch moderat über Lafontaine: "Ich habe eine relativ lange Geduldsstrecke. Lass' ihn doch quatschen. Ich empfehle ihm vielleicht etwas mehr Demut." "Ich bin heute immer noch ein Sozial-Liberaler."

Ex-Sozialdemokrat Hartmut Ostermann zu seiner politischen Grundeinstellung

Hintergrund

Im Saarland gehören mittlerweile fünf Hotels in Saarbrücken (2), Nohfelden-Bosen, Saarlouis und Perl-Nennig (Fünf Sterne Hotel mit Drei-Sterne Gourmet-Restaurant) sowie vier Senioren-Residenzen in Homburg (3) und Saarlouis zu der von Ostermann geführten Victor's Unternehmensgruppe. Zudem hat die Zentralverwaltung des Konzerns ihren Sitz in Saarbrücken. Landesweit beschäftigt Victor's rund 1100 Mitarbeiter. mju

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