Der Club des toten Gonzos

St. Johann. Am Dienstag um kurz vor Elf sind Nicola Trub, Boris Pietsch, Bernd Nixdorf und Hans Gerhard so müde, dass sie beschließen: Jetzt ist Mitternacht. Vor Mitternacht das Schiff auf dem Landwehrplatz zu verlassen, kommt nicht in Frage. Schließlich hat sich die Crew der "Joyce/Medea" getroffen, um den achten Todestag von Hunter S. Thompson zu würdigen - und der ist am 20

 Boris Pietsch, Hans Gerhard, Nicola Trub und Bernd Nixdorf am Dienstag beim Gonzo-Grog auf der "Joyce/Medea". Foto: Rich Serra

Boris Pietsch, Hans Gerhard, Nicola Trub und Bernd Nixdorf am Dienstag beim Gonzo-Grog auf der "Joyce/Medea". Foto: Rich Serra

St. Johann. Am Dienstag um kurz vor Elf sind Nicola Trub, Boris Pietsch, Bernd Nixdorf und Hans Gerhard so müde, dass sie beschließen: Jetzt ist Mitternacht. Vor Mitternacht das Schiff auf dem Landwehrplatz zu verlassen, kommt nicht in Frage. Schließlich hat sich die Crew der "Joyce/Medea" getroffen, um den achten Todestag von Hunter S. Thompson zu würdigen - und der ist am 20. Februar, am Mittwoch also.Dass Boris Pietsch und die anderen an Bord des Nachdenkschiffs einfach die Wirklichkeit verändern, hätte Hunter S. Thompson womöglich gefallen. Der amerikanische Journalist und Autor hat in seinen Reportagen gelegentlich selbst die Wirklichkeit außer Kraft gesetzt. Gonzo-Journalismus nannte Hunter S. Thompson das, was er seit Ende der 60er Jahre unter anderem im "Rolling Stone"-Magazin betrieb. Unter "gonzo" verstehen die Amerikaner etwas Exzentrisches, Verrücktes.

Einige Stunden lang haben sie sich und dem ein oder anderen Gast im Bauch der "Joyce/Medea" aus Paul Perrys Buch über "Das sagenhafte Leben des Hunter S. Thompson" vorgelesen. Sie haben Hunter selbst zu Wort kommen lassen durch seine Geschichten, in denen er Politiker auch mal als "Arschgeigen" oder Schlimmeres bezeichnet, sich über Elite-Journalisten lustig macht und am amerikanischen Football verzweifelt. Pietsch hat "Dr. Gonzo" und Goethes "Dr. Faust" verschmelzen lassen.

Bernd Nixdorf hat seinem "Spinnerei trifft auf Wirklichkeit"-Text über Boris Pietsch und das Schiffsprojekt vorgelesen, der im März in den Saarbrücker Heften erscheinen wird. Und Hans Gerhard hat schließlich die Idee entwickelt, ein Stück zu schreiben, in dem - zum Beispiel - der junge Hunter auf den alten treffen könnte.

Hunter S. Thompson hat das große Theaterstück, das sein Leben zu sein schien, am 20. Februar 2005 selbst beendet - mit einem Schuss in den Kopf, nachdem er beschlossen hatte, dass es mit 67 Jahren "keine Spiele mehr, keine Bomben mehr, kein Laufen mehr, kein Spaß mehr, kein Schwimmen mehr" gibt. Der Schauspieler Johnny Depp schoss die Asche seines Freundes Hunter bei der Trauerfeier ein halbes Jahr später mit einer Kanone in den Himmel.

Und weil Boris Pietsch als Schauspieler ein theatralischer Mensch ist, geht er zu der Stunde, die uns seine Freunde gerade zur Mitternacht erklärt haben, zum Holzofen der "Joyce/Medea" und füllt eine Papiertüte mit Asche. Dann steigen Nicola Trub, Boris Pietsch, Bernd Nixdorf und Hans Gerhard aufs Deck. Boris Pietsch lässt die Tüte mit einem Klatschen zerplatzen. Die Asche weht über den Landwehrplatz - ein Hauch von Gonzo.

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