Der Bahnhof Nennig im Wandel der Zeit
Die Bahnhöfe Nennig und Perl erhalten eine neue Nutzung. Struktureller Wandel bei der Bahn hat dazu geführt, dass großflächige Bahnanlagen aufgegeben werden.
So hat die Gemeinde Perl die beiden Empfangsgebäude in Nennig und Perl (SZ berichtete) von der DB AG gekauft. Vorausgegangen war bahnseits die Entwidmung der Bahnhöfe einschließlich ihrer Entbehrlichkeitsprüfung. Als Ergebnis kam heraus, dass die beiden Empfangsgebäude in Nennig und Perl für das Kerngeschäft der Bahn nicht mehr gebraucht werden.
Die Gemeinde Perl hat daraufhin rechtzeitig erkannt, welche positiven Potenziale sich für die Dorf- und Kommunalentwicklung durch den Kauf beider Anlagen für die Zukunft ergeben. Die Bahnhöfe sollen als kulturelle und kommunikative Zentren später ausgebaut werden.
Mehrmaliger Umbau
Das erste Bahnhofsgebäude in Nennig wurde Ende des 19. Jahrhunderts gebaut. Nach mehrmaligem Umbau stammt das jetzige Gebäude von 1929. Viele Eisenbahnfamilien wohnten in den Beamtenwohnungen. Schon 1897 wurde in einer kirchlichen Statistik auf Bahnwärterwohnungen in Nennig hingewiesen. Der Bau der Bahnhöfe war in der Frühzeit der Eisenbahn zunächst für den Architekten eine neue, bis dahin unbekannte Bauaufgabe, bei der der Planer nicht wusste, auf welchen Baustil er zurückgreifen soll, was dazu führte, dass die Architekturstile der Empfangsgebäude in den Städten und Dörfern vielfältig waren. Heute stellen die Bahnhöfe in der Region, so auch in Nennig und Perl, eine wesentliche Epoche der Architektur- und Eisenbahngeschichte dar, die zu bewahren ist, sie sind ein wichtiger Bestandteil der dörflichen Baukunst.
Der Bahnhof Nennig war ein Personenbahnhof, der ausschließlich oder überwiegend der Beförderung von Reisenden, Gepäck, Express-, Eil- und Postgut diente, wobei der Schwerpunkt auf dem Reisezugverkehr lag, der bis heute übrig geblieben ist. Am 15. Mai 1878 hielt im Bahnhof Nennig der erste Zug nach dem Bau der Eisenbahnstrecke Koblenz-Perl. 1897 sind in alten Unterlagen Bahnwärterwohnungen im Bahnhofsbereich erwähnt.
Strategisch wichtig
Strategisch spielte der Bahnhof Nennig im Ersten Weltkrieg eine wichtige Rolle. Viele Militärzüge wurden an der langen Seitenrampe entladen. Die Soldaten mit Ausrüstung marschierten über die Moselbrücke durch Luxemburg zum Kriegseinsatz nach Belgien und Lothringen. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg wurde 1923 das Rheinland, wozu auch Nennig gehörte, von französischen Truppen besetzt. Nachdem sich die Eisenbahner den Anweisungen des französischen Militärs widersetzten und die Arbeit verweigerten, wurden viele Eisenbahnfamilien aus Nennig, Besch und Perl aus dem Rheinland 1923 ausgewiesen und konnten erst ein Jahr später wieder in ihre Heimat zurückkehren.
Im Empfangsgebäude waren für die Reisenden die wichtigsten Einrichtungen untergebracht, wie zum Beispiel die Schalterhalle mit Fahrkartenausgabe, die Gepäckabfertigung sowie der Warteraum. Neben dem Warteraum links befanden sich die Bahnhofgaststätte und rechts davon die Diensträume des Bahnhofspersonals. Im Obergeschoss des Empfangsgebäudes war die Dienstwohnung des Bahnhofsvorstehers. In nördlicher Richtung an das Empfangsgebäude angebaut war der Güterschuppen mit Verladerampe. Außerhalb des Empfangsgebäudes in südlicher Richtung waren die Toilettenanlage sowie der Gepäckraum der Post. In diesem Gebäude hat nach Restaurierung der Verkehrsverein Nennig sein Touristenbüro eingerichtet.
Stellwerke abgerissen
In nördlicher Richtung des Empfangsgebäudes stand das Befehlsstellwerk und am Bahnübergang zu den Sandgruben das Wärterstellwerk. Von beiden Anlagen aus wurden die Signale und Weichen des Bahnhofs Nennig mittels Drahtzug mechanisch gestellt. Die Stellwerke wurden 1961 durch ein Drucktastenstellwerk, das im Empfangsgebäude installiert war und heute noch in Betrieb ist, ersetzt. Anschließend wurden die beiden nicht mehr benötigten Stellwerke abgerissen. Der überdachte Mittelbahnsteig ist für die Reisenden durch eine Personenunterführung vom Empfangsgebäude aus zu erreichen. Der Bahnhof Nennig besaß in früheren Jahren ein Kohlenlager zur Bestückung der Dampflokomotiven sowie zwei Wasserkräne, einen Wasserturm, einen Gleiskran und eine Gleiswaage mit einer Tragfähigkeit von 26 Tonnen.
Schäden durch den Krieg
Zum Bau des Westwalls im Zweiten Weltkrieg wurde ein großer Teil des Baumaterials über die Schiene transportiert und im Bahnhof Nennig und bei Schloss Thorn auf der freien Strecke entladen. Nach dem Krieg 1945 waren die Bahnanlagen sowie der gesamte Ort schwer beschädigt. Bei einem Luftangriff amerikanischer Jagdflieger am 26. August 1944 auf einen Personenzug unweit des Bahnhofs Nennig gab es neben vielen Verletzten elf Tote. Nach der Elektrifizierung der Strecke Koblenz-Perl verließ am 11. Januar 1975 die letzte Dampflok den Bahnhof Nennig.
Bis etwa 1958 war Nennig Sitz einer Bahnmeisterei mit einer Streckenlänge von zirka neun Kilometern, einer Signalwerkstatt, Schlosserei und einer Schreinerei. Nach 1958 wurde die Bahnmeisterei Nennig aufgelöst und der Bahnmeisterei Wellen zugeteilt. Um 1910 waren in der Bahnmeisterei Nennig, die damals bis Palzem ging, 54 Rottenarbeiter und sechs Rottenführer für die Unterhaltung der Strecke zuständig. Neben dem Bahnmeister waren nochmals im Büro elf Beamte für den anfallenden Bürodienst verantwortlich. In den Jahren 1946/47 wurde im Bahnhof Nennig der Zollbahnhof eingerichtet. Die Zollabfertigung wurde 1957 nach Apach (Frankreich) verlegt. 1960 wurde der Bahnhof zur Nebendienststelle erklärt. Im Jahre 2009 gingen die beiden Empfangsgebäude von Nennig und Perl durch Kauf an die Gemeinde Perl über.
Treppen in schlechtem Zustand
Der Verkauf des Empfangsgebäudes Nennig an die Gemeinde Perl erfolgte unabhängig vom Betrieb der Bahnstation. Der Zugang zu den Gleisen, die Treppen zum Bahnsteig sowie die Personenunterführung bleiben im Besitz der Deutschen Bundesbahn. Gerade diese Anlagen befinden sich in einem schlechten Zustand. Seit längerer Zeit sind die Wände der Unterführung mit Graffitis stark beschmiert, und es riecht nach Urin. Der minimale Qualitätsstandard wird sicherlich nicht erreicht. Gehbehinderte Menschen oder Eltern mit Kinderwagen haben keine Möglichkeit, ohne Schwierigkeiten den Bahnsteig zu erreichen. Dem Radfahrer geht es nicht besser. Es fehlen die Barrierefreiheit und ein stufenfreier Zugang zum Bahnsteig, der heute zum Standard jeder Bahnanlage gehört. Sie sind der erste Eindruck des Reisenden und prägen somit wesentlich das Image des Ortes.
Mit Blick auf die künftigen Herausforderungen, vor allem den demographischen Wandel in der Gemeinde Perl, ergibt sich eine Veränderung der Reiseströme, die eine stetige Weiterentwicklung der Bahnhöfe Nennig und Perl unverzichtbar machen. Es wäre daher wünschenswert, dass der Zugang zu den Bahnsteigen in Nennig und Perl in das Bahnhofsmodernisierungprogramm des Bundes und des Landes aufgenommen würden. Mit dem Bau zur Neugestaltung des Bahnhofvorplatzes und mit dem Abriss der Güterabfertigung in Nennig hat die Gemeinde Perl bereits begonnen.