"Der alte Ortskern ist praktisch ausgelöscht"

Ittersdorf. Der so genannte Wiederaufbau war überwiegend Zerstörung. Was von 1940 bis 1944 auf dem Saargau durch deutsche Behörden beseitigt wurde, veränderte die Struktur zahlreicher Dörfer und das Leben der Einwohner. "Der alte Ortskern ist praktisch ausgelöscht worden

 Die Loren zum Abtransport der Abrisstrümmer stehen schon bereit. Etwa 58 Prozent der Häuser von Rammelfangen waren in den 1940er Jahren zerstört worden. Foto: Albert Hilt/Repro: Johannes A. Bodwing

Die Loren zum Abtransport der Abrisstrümmer stehen schon bereit. Etwa 58 Prozent der Häuser von Rammelfangen waren in den 1940er Jahren zerstört worden. Foto: Albert Hilt/Repro: Johannes A. Bodwing

Ittersdorf. Der so genannte Wiederaufbau war überwiegend Zerstörung. Was von 1940 bis 1944 auf dem Saargau durch deutsche Behörden beseitigt wurde, veränderte die Struktur zahlreicher Dörfer und das Leben der Einwohner. "Der alte Ortskern ist praktisch ausgelöscht worden." Von vormals 45 Häusern in Rammelfangen seien 26 abgerissen worden, führte Albert Hilt im Ittersdorfer Gasthaus Fedick weiter aus. Mit Fotos veranschaulichte er die Folgen der nationalsozialistischen Ideologie Anfang der 40er Jahre auch auf dem Saargau. Die dahinter stehenden Absichten stellte der gebürtige Picarder Historiker Uwe May dar.Zur Veranstaltung "Bollwerk oder Feldversuch? Der Wiederaufbau 1940-1944" des Wallerfanger Vereins für Heimatforschung war May extra aus Berlin angereist. Alfred Bach, Wolfgang Kremer und Albert Hilt zeigten zeitgenössische Bilder zu Zerstörungen in Ittersdorf, Gisingen und Rammelfangen. Diese Schäden waren in geringem Umfang Auswirkungen des Frankreich-Feldzuges. Vielmehr wollten die Machthaber durch Sprengen und Abriss von Gebäuden Platz schaffen für ein neues Bauerntum in modernen Dörfern.

Kleinere Gehöfte sollten zu größeren Einheiten zusammengelegt werden, mit markanten Erbhöfen. Die dann überzähligen Bauern waren für die Ansiedlung im eroberten Osten und in Lothringen vorgesehen. Aber auch zur Deckung des Arbeiterbedarfs in der Industrie. Eine wesentliche Rolle spielte dabei Josef Bürckel, damals Gauleiter für die Saarpfalz, erklärte May im voll besetzten Fedick-Saal.

Bürckel habe aus taktischen Gründen die Angst vor Frankreich geschürt und die Region als Bollwerk idealisiert. Er wollte die Bauern im Westen behalten. Damit verband Bürckel auch die Vorstellung einer neuen germanischen Rasse. Für den so genannten Wiederaufbau hätten Planer die betroffenen Menschen "umgesetzt wie kleine Schachfiguren". Häuser, die nicht ins Ortsbild passten, bekamen ein weißes Kreuz - das Zeichen zur Sprengung durch französische Gefangene.

Vieles davon lief während der ersten Evakuierung 1939 und stellte die Betroffenen bei ihrer Rückkehr vor vollendete Tatsachen. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe es Probleme und Streit gegeben, führte May weiter aus. Denn zum Teil standen neu entstandene Gebäude ohne klare Regelungen auf den Grundstücken unterschiedlicher Besitzer.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort