Die AfD im Landtag und die Erderwärmung Debatten über Klimawandel auf dünnem Eis

Saarbrücken · Die Diskussion über den Klimawandel hat längst den Landtag erreicht. Die AfD bezweifelt, dass der Mensch ihn verursacht – und erntet Widerspruch.

Foto: Harm Bengen

Als die Grünen am 26. März 2017 aus dem Landtag flogen, fürchteten viele Umweltbewegte, dass von nun an Themen wie der Klimaschutz im Parlament keine Rolle mehr spielen würden. Die Realität ist: Selten zuvor wurde im Landtag so grundsätzlich über das Klima debattiert – allerdings unter völlig anderen Vorzeichen, als es den Grünen lieb sein kann. Denn mit der AfD sitzt seit 2017 eine Partei im Landtag, die den menschengemachten Klimawandel für ein Märchen hält.

Die Landtagsdebatten zum Thema laufen in etwa so ab: Die Redner der großen Koalition sprechen über sich häufenden Starkregen, Überschwemmungen, Hitze und Dürre, schmelzende Polkappen, den Rückgang der Gletscher in den Alpen oder den Borkenkäferbefall im saarländischen Wald. SPD-Umweltminister Reinhold Jost sagt, der Klimawandel habe das Saarland schon mit voller Wucht erreicht. „Wer das leugnet oder glaubt, kleinreden zu können, der hat kein Interesse an einer sachlich geführten Debatte. Das gilt für beide Richtungen in diesem Haus.“

Mit den beiden Richtungen sind AfD und Linke gemeint. Beide sind gegen den Ausbau der Windkraft. Als kürzlich im Landtag über Windräder in Wäldern diskutiert wurde, bescheinigte Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine dem AfD-Abgeordneten Lutz Hecker, der vor ihm sprach, einen „sehr sachlichen Vortrag“.

Lafontaine hält Josts Vorwurf für absurd. Im Landtag entgegnete er Jost kürzlich, er habe nicht gehört, dass jemand die Folgen des Klimawandels wie den Starkregen oder die Erderwärmung in Abrede gestellt habe. „Ich weiß nicht, warum ihr immer irgendwelche Pappkameraden aufbaut – man kennt das ja rhetorisch – und darauf schießt“, sagte Lafontaine. Sprich: Erst wird behauptet, dass ein anderer den Klimawandel leugnet – und dann wird er dafür kritisiert.

Trotz einer Schnittmenge bei der Windkraft gibt es in der Klimapolitik einen entscheidenden Unterschied zwischen AfD und Linken. Lafontaine und Co. sind für mehr Klimaschutz (ohne Windräder, dafür mit mehr Wärmedämmung), während die AfD das für überflüssig und unwirksam hält. AfD-Mann Hecker bestreitet nicht, dass sich das Klima wandelt – das tue es schon, solange die Erde existiere. „Wir bestreiten jedoch, dass der menschengemachte Ausstoß von CO2, der geschätzt maximal vier Prozent des Gesamtausstoßes beträgt, einen mehr als allenfalls marginalen Einfluss auf das Klima hat.“ Heckers Fraktionskollege Rudolf Müller reimte sich einmal zusammen: „Das Märchen vom bösen CO2 wird verdampfen rückstandsfrei.“

Die AfD beruft sich auch auf Bundesebene dabei gerne auf Horst-Joachim Lüdecke, von 1975 bis 2008 Professor für Physik und Informatik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) des Saarlandes. Der 75-Jährige befasst sich nach eigenen Worten mit Klimaforschung und Energiepolitik, seitdem er im Ruhestand ist. In der Szene der Klimaskeptiker ist er eine feste Größe. Bei einem seiner Auftritte in Zweibrücken sagte er 2017 einmal: „Regt euch nicht auf über das bisschen Wärme von heute, freut euch darüber und genießt es.“

Zwar wies Hecker im Landtag den Vorwurf, dass die AfD wissenschaftliche Erkenntnisse leugne, zurück. Ziemlich sicher aber ist, dass sich seine Fraktion in Widerspruch zu den Forschungsergebnissen der wissenschaftlichen Institutionen begibt, die sich in Deutschland und darüber hinaus mit dem Klimawandel beschäftigen, darunter das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, der Deutsche Wetterdienst sowie mehrere Helmholtz-Zentren sowie Leibniz- und Max-Planck-Institute. Sie sind im Deutschen Klima-Konsortium zusammengeschlossen. Fragt man dort nach den Thesen der AfD, verweisen die Wissenschaftler unter anderem auf die Seite www.klimafakten.de.

Kurz zusammengefasst: Es stimmt, dass das Klima sich schon immer gewandelt hat, aber der Schluss, der heutige Klimawandel habe wie frühere auch natürliche Ursachen, sei falsch. Für die menschlichen Ursachen gebe es erdrückende Beweise. Zwar sei es richtig, dass die vom Menschen verursachten CO2-Emissionen relativ klein seien, aber entscheidend sei, dass sie das natürliche Gleichgewicht des von der Natur freigesetzten und wieder absorbierten Kohlendioxids durcheinanderbringen. Über 90 Prozent der Klimaforscher seien überzeugt, dass der Klimawandel maßgeblich vom Menschen verursacht wird. Erst gestern bestätigten mehr als 12 000 Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, der Temperaturanstieg sei „nahezu vollständig auf die von Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen“ zurückzuführen (siehe dazu auch Seite A 3).

„Wer die Fakten nicht anerkennt“, rief der SPD-Umweltpolitiker Magnus Jung im Landtag in Richtung AfD, „der kann nicht mehr an einem demokratischen Diskurs teilnehmen, denn das Anerkennen von Fakten ist die Voraussetzung dafür, dass man überhaupt miteinander reden kann.“ Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) bezeichnete die AfD wegen der Klimawandel-Debatte kürzlich als „Brandstifter“.

Die Wissenschaftler sind es leid, zum x-ten Mal zu erklären, warum die AfD aus ihrer Sicht gewaltig irrt. Ein bekannter deutscher Klimaforscher lehnte auf Anfrage unserer Zeitung eine Stellungnahme ab: Er äußere sich nicht zu den „abstrusen Thesen“. „Das Thema ist durch.“

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