Das Versprechen einer neuen PolitikDie Wechselwahl zog viele Bürger an die Urne

St. Ingbert. Viele Hände galt es für Hans Wagner am Sonntagabend im Rathaus-Foyer zu schütteln. Der Rohrbacher Ortsvorsteher (Familien-Partei), als unabhängiger Kandidat zur Oberbürgermeisterwahl angetreten, hatte Amtsinhaber Georg Jung (CDU) in der Stichwahl bezwungen. 8594 Bürger (52,14 Prozent) votierten für ihn

St. Ingbert. Viele Hände galt es für Hans Wagner am Sonntagabend im Rathaus-Foyer zu schütteln. Der Rohrbacher Ortsvorsteher (Familien-Partei), als unabhängiger Kandidat zur Oberbürgermeisterwahl angetreten, hatte Amtsinhaber Georg Jung (CDU) in der Stichwahl bezwungen. 8594 Bürger (52,14 Prozent) votierten für ihn. 7887 Wähler (47,86 Prozent) sprachen sich für eine zweite Amtszeit Jungs aus. Die Wahlbeteiligung war mit 54 Prozent für eine Stichwahl hoch. Vor acht Jahren gingen in der Mittelstadt im zweiten Anlauf 42 Prozent an die Urnen.Bürger, Parteifreunde, Kommunalpolitiker anderer Fraktionen umringten Wagner in den ersten Minuten nach seinem Triumph. In der Stunde Null der St. Ingberter Kommunalpolitik gehörten auch die Grünen zu den ersten, die dem Wahlsieger ein paar freundliche Worte mit auf den Weg geben wollten. Vom Wunsch nach guter Zusammenarbeit sprachen der Fraktionschef Jürgen Berthold und die gescheiterte Kandidatin Charlotte Mast. Adam Schmitt, nicht nur grünes Stadtratsmitglied, sondern auch Beigeordneter der Verwaltung, wurde gegenüber der SZ deutlicher: Es gelte jetzt aufzuräumen, der Klüngel müsse weichen, ein neuer Umgang in der Kommunalpolitik sei dringend erforderlich. Die Grünen haben sich damit rasch beworben für ein neues Koalitionsbündnis im Stadtrat. Die Jamaika-Koalition hatten sie schon vor der Wahl begraben mit den Worten, es finde innerhalb der Trias aus CDU, Grünen und FDP kein Dialog mehr statt. Andreas Gaa, Fraktionssprecher der Liberalen, war mit dieser Aussage nicht froh. Der Partner sei damit unabgesprochen vorgeprescht, sagte er an gleichem Ort.

Einen neuen Politikstil und eine andere Art der Zusammenarbeit mit dem Stadtrat hat Hans Wagner im Wahlkampf versprochen. "Die Leute wollen nicht einen, der mit dem Kopf durch die Wand geht," erläuterte er seinen Sieg. Vettern- oder Cousinenwirtschaft - damit spielte Wagner auf den Ankauf eines Gebäudes durch die Ferdinand-Bläse-Stiftung an - kämen nicht gut an. Wagner: "Der Bürger will ehrliche Personen. Die Menschen wollen mitgenommen werden in der Politik." Auch auf die eigene christdemokratische Vergangenheit ging er ein. 2003 habe er den Wahlkampf Jungs unterstützt. Schon im Jahr darauf hätten ihn aber erste Entscheidungen des damals neuen Verwaltungschefs enttäuscht. Der Versuch, das CDU-Stadtoberhaupt mit der Fraktion "an die Kandarre" zu nehmen, sei gescheitert. Nach andauernden Auseinandersetzungen mit dem OB habe die Partei ihn 2009 bekanntermaßen nicht mehr als Kandidaten zur Kommunalwahl nominiert. Wagner: "Da habe ich einen Schlussstrich gezogen." Der Rest ist bekannt. Wagner wechselte zur Familien-Partei und sorgte mit ihr für einen Erdrutschsieg im Stadtteil. Den Ortsrat Rohrbach, zuvor fest in der Hand der CDU, dominiert heute eine absolute Mehrheit der Familien-Partei. Wagner ließ es nicht darauf beruhen und stellte sich zur OB-Wahl. Längst nicht jeder hätte ihm zugetraut, den Chefsessel des St. Ingberter Rathauses zu erobern.

Wie geht es mit der Zusammenarbeit zwischen Rat und Verwaltung in den kommenden Monaten bis zum Machtwechsel weiter? Hans Wagner setzt auf ein großes Bündnis der Vernunft: "Es gibt keine fixen Blöcke mehr. SPD und CDU sind gespalten." Familie, Freie Wähler und Linke stützten ihn seit der Bekanntgabe seiner Kandidatur. SPD (in Teilen) und Grüne zogen vor der Stichwahl nach. Der Rat müsse jetzt den Verwaltungschef stärker in die Pflicht nehmen. OB Jung war gestern im Rathaus nicht zu erreichen. Er weile im Urlaub, teilte die Pressestelle mit.St. Ingbert. Mehrere Faktoren haben am Sonntag Hans Wagners Sieg bei der St. Ingberter OB-Wahl ermöglicht. So war allem voran die Wahlbeteiligung mit 54 Prozent relativ hoch. In der Stichwahl gingen 791 St. Ingberterinnen und St. Ingberter weniger an die Wahlurne als im ersten Wahldurchgang. Damit war die Wählerresonanz jedoch deutlich höher als bei der OB-Stichwahl 2003, als noch gut 3000 Wähler zu Hause blieben, die bei der ersten Stimmrunde noch ihr Votum abgegeben hatten. Die Erwartung, der Amtsinhaber würde womöglich von einer geringen Wahlbeteiligung in der Stichwahl profitieren, ging nicht auf.

Zudem hat Hans Wagner, der in der Stichwahl fast 4000 Stimmen mehr bekam als im ersten Durchgang, offenkundig viele Wähler für den Wechsel im Rathaus gewonnen, die am 23. Oktober ihr Kreuzchen noch bei anderen Kandidaten machten. Rein rechnerisch verbuchte der Rohrbacher Ortsvorsteher gut vier Fünftel der vorherigen Wähler von SPD-Mann Sven Meier. Und während Georg Jung in St. Ingbert-Mitte gegenüber dem ersten Wahlgang noch rund 600 Stimmen hinzugewann (Wagner jedoch sogar fast 1650), waren die Unterschiede in Rohrbach eklatant. Hier stagnierte das Ergebnis des Amtsinhabers, während Hans Wagner seinen Riesenvorsprung vom 23. Oktober weiter ausbaute - und letztlich in der Summe mehr als jene 349 Stimmen zusätzlich hatte, die Sven Meier im ersten OB-Wahlgang in seinem Heimatort holte. Geradezu historisch gut waren jedoch auch die Stimmenergebnisse, die Wagner in einigen der Wahlbezirke in Rohrbach erzielte. In einem der Wahllokale in der Rohrbachhalle verbuchte der Wahlsieger 80 Prozent, in der Pestalozzischule sogar 81 Prozent der Stimmen. Summa summarum: Diesmal konnte Jung den Ergebnis-Erdrutsch in Rohrbach nicht ausgleichen.

 Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer hat das Handy am Ohr, Markus Hauck (rechts) erläutert die Lage. Die Stimmung auf der CDU-Wahlparty war am Sonntag gedrückt. Foto: Schetting

Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer hat das Handy am Ohr, Markus Hauck (rechts) erläutert die Lage. Die Stimmung auf der CDU-Wahlparty war am Sonntag gedrückt. Foto: Schetting

Letzteres hatte auch damit zu tun, dass die Briefwahlergebnisse - am Wahlabend letzter Hoffnungsschimmer im CDU-Lager - nicht für den Rathauschef, sondern ebenfalls für seinen Herausforderer sprachen. Von den gegenüber dem ersten Wahlgang nochmals gestiegenen Zahl der Briefwähler, fast jeder vierte Wähler nutzte diese Möglichkeit, profitierte Hans Wagner stärker als Jung. Hatten sich am 23. Oktober noch 744 Briefwähler für den Rohrbacher entschieden, waren es in der Stichwahl über 2000 - mehr als Wagner, Meier, Mast und Hönig zusammen im ersten Durchgang an Briefwählerstimmen hatten. schet

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