"Das Regenwasser hat uns gerettet"

Lebach. Die Familie Nguyen wurde auf der Flucht aus ihrer Heimat getrennt. Sie gehörte zu den ersten Boot-Flüchtlingen, die 1980 ihre Heimat aus religiösen Gründen verließen. Diesen Entschluss vor fast 30 Jahren hat Truc Dinh Nguyen (55) nie bereut. Die Familie war sich damals bewusst, dass sie ein großes Risiko einging. Die Hälfte der Flüchtlinge überlebte damals die Flucht nicht

 Truc Dinh Nguyen, seine Frau Lieu Cao Thi Xuan und Sohn Truong verließen ihre Heimat. Foto: Engel

Truc Dinh Nguyen, seine Frau Lieu Cao Thi Xuan und Sohn Truong verließen ihre Heimat. Foto: Engel

Lebach. Die Familie Nguyen wurde auf der Flucht aus ihrer Heimat getrennt. Sie gehörte zu den ersten Boot-Flüchtlingen, die 1980 ihre Heimat aus religiösen Gründen verließen. Diesen Entschluss vor fast 30 Jahren hat Truc Dinh Nguyen (55) nie bereut. Die Familie war sich damals bewusst, dass sie ein großes Risiko einging. Die Hälfte der Flüchtlinge überlebte damals die Flucht nicht. Seine Frau und den jüngsten Sohn Truong brachte er auf einem ihm sicherer erschienen Boot unter, er und Sohn Truc gingen auf dem "schlechteren Boot" an Bord. Doch sein Schiff erreichte zusammen mit 131 anderen Flüchtlingen das offene Meer, das Boot mit seiner Frau wurde von der Küstenwache erwischt. "Wir trieben 13 Tage auf dem Meer, hatten nichts mehr zu essen und zu trinken. Zum Glück hat es viel geregnet, das Regenwasser hat uns gerettet." Dass sie mehr als froh waren, als sie ein Schiff entdeckte - es war die Cap Anamur - und sie aufnahm, versteht sich von selbst. "Wir wollten nur frei sei." Ihnen war es egal, wohin sie das Schiff brachte. Da es ein deutsches Schiff war, wollten sie nach Deutschland, wussten allerdings nicht, wo Deutschland liegt. In Lebach fanden dann Vater und Sohn ihre erste Bleibe. "Wir kamen mit leeren Händen, hatten keine Koffer, keine Papiere, nichts." Noch bevor Vater Truc einen Sprachkurs fertig absolvieren konnte, fand er Arbeit bei den Fordwerken, wo der 55-Jährige heute noch tätig ist. Dank der Familienzusammenführung konnte seine Frau mit dem damals vierjährigen Truong fast zwei Jahre später kurz vor Weihnachten nach Deutschland ausreisen. Die Familie war wieder vereint.In Vietnam war Truc Nguyen Reisbauer und Fischer. "Als Katholiken konnten wir bei den Kommunisten nicht beten." Zwei Schwestern von ihm sind Ordensleute, eine ist Dominikanerin, die andere Benediktinerin. Sie werden von der Familie aus Lebach unterstützt. Ihre Religion üben Truc und seine Frau Lieu Cao Thi Xuan (52) auch als aktive Mitglieder der Lebacher Kirchengemeinde aus. "Wir gehen besonders gern in die Messe, wenn der Kirchenchor singt." Aber auch zu Hause wird viel gebetet. Die Vietnamesen im Saarland sind untereinander vernetzt. Es sind 26 Familien. Diese treffen sich jede Woche, meist samstags reihum, um zusammen den Rosenkranz zu beten, zu singen und anschließend gemeinsam zu essen. "Da sitzen wir an einem ganz langen Tisch", so Frau Nguyen. Zwischen 30 und 40 Personen seien sie immer. Und noch etwas verbindet die Familien miteinander. Sie haben einen Marienstatue. Diese geht reihum für eine Woche von einer Familie zur anderen. "Das ist für uns eine große Ehre, wenn die Mutter Gottes bei uns ist."Als die Familie wieder vereint in Lebach war, mietete sie eine Wohnung an. Später kauften sie ein Haus in der Jabacher Straße. In Lebach kam ihre Tochter Thu zur Welt, die 25 Jahre alt ist. Der 31-jährige Truong lebt noch zu Hause. Vor ein paar Jahren besuchte er Vietnam. "Aber ich fühle mich als Deutscher, hier ist meine Heimat." Truong ist Raumausstatter in einer Lebacher Firma. Frau Nguyen putzt im Kindergarten. In die alte Heimat wollen sie nicht zurück. "Wir sind dankbar, dass uns ein deutsches Schiff gerettet hat, wie leben und arbeiten hier in Freiheit."

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