Das katholische "Titanic-Gefühl"

Saarbrücken. Der Name fiel in Benedikt Welters Rede nicht. Aber auch wenn ihn der Dechant des katholischen Dekanats Saarbrücken beim Neujahrsempfang seiner Kirche am Donnerstagabend offiziell nicht nannte: Der Name des Mannes, der bis im September Pastor in Burbach war, wurde oft ausgesprochen im Johannes-Foyer in der Ursulinenstraße. Der ehemalige Pastor von St

Saarbrücken. Der Name fiel in Benedikt Welters Rede nicht. Aber auch wenn ihn der Dechant des katholischen Dekanats Saarbrücken beim Neujahrsempfang seiner Kirche am Donnerstagabend offiziell nicht nannte: Der Name des Mannes, der bis im September Pastor in Burbach war, wurde oft ausgesprochen im Johannes-Foyer in der Ursulinenstraße.Der ehemalige Pastor von St. Eligius, das hatte der Trierer Bischof Stephan Ackermann mitgeteilt, habe zugegeben, in den 80er Jahren sexuelle Kontakte zu zwei Messdienerinnen gehabt zu haben. Kurz zuvor hatte der Bischof "gravierende Fehler" im Umgang mit dem Priester eingeräumt. Der Pastor hätte bereits im Januar vergangenen Jahres beurlaubt werden müssen, als die ersten Vorwürfe aufgetaucht seien. Weil er bei einem bis heute nicht aufgeklärten Überfall in sein Pfarrhaus am Heiligen Abend 2010 schwer verletzt wurde und zunächst nicht mehr im Dienst war, habe man nicht gehandelt. Aber auch im April, als der Priester in Burbach wieder Messen las, und im Juni, als er an einer Kindergarten-Eröffnung teilgenommen hat, schritt der Bischof nicht ein.

Bischof Ackermann habe ein "klares Signal gesetzt" und sich seinem eigenen "Fehlverhalten" gestellt, sagt Dechant Benedikt Welter. In der Saarbrücker Kirche sei "das Erschrecken und Entsetzen" nach wie vor groß. Die Burbacher Katholiken, so habe er es in Gesprächen vor Ort erlebt, seien aber "mit Sensibilität und Größe mit dieser Situation umgegangen". Was er damit meinte, erklärte Welter nach seiner Rede so: Man dürfe und könne die sexuelle Gewalt, die von diesem Priester ausgegangen ist, nicht aufrechnen gegen die Verdienste, die er für Burbach hat. Anders formuliert: All das, was der Burbacher Pastor Gutes getan hat, sei durch das Böse nicht einfach entwertet.

Die Vorfälle zeigen, sagt Welter: "Nicht alles Menschliche ist gut. Und manchmal wäre es gut, wenn uns Menschliches fremd wäre." Aber für die Katholiken gelte: "Wir müssen auf der Spur des Lebens bleiben, auch auf der Spur des verwundeten Lebens."

Das heiße auch, dass die Kirche wieder mehr "versuchen muss, Kultur zu prägen". Dafür reiche es nicht, "Kirchen zu Kulturtempeln zu machen". Der Dialog mit Künstlern sei wichtig. Die Kirche müsse Künstler fördern - und zwar nicht nur solche, die bequem sind und ins kirchliche Weltbild passen. Seinen Humor hat der Dechant nicht verloren. Wenn er mit den "evangelischen Brüdern und Schwestern" rede, merke er immer, "dass nicht nur uns das Wasser bis zum Hals steht". Es gebe da ein "gemeinsames Titanic-Gefühl". Foto: bip/Schneider

"Nicht alles Menschliche ist gut."

Benedikt Welter, Dechant

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