Reformation „Das Jubiläum hat unser aller Horizont erweitert“

Saarbrücken · Der Superintendent des Kirchenkreises Saar-Ost der Evangelischen Kirche zieht eine positive Bilanz des Luther-Jahres.

 Gerhard Koepke, Superintendent im Kirchenkreis Saar-Ost.

Gerhard Koepke, Superintendent im Kirchenkreis Saar-Ost.

Foto: Robby Lorenz

Das zurückliegende Jubiläumsjahr zum 500. Jahrestag der Reformation hat auch in der evangelische Kirche im Saarland viel bewegt, sagt der Superintendent Gerhard Koepke.

Herr Koepke, eines haben die Jubiläums-Feierlichkeiten ohne Zweifel geschafft: Der Reformator ist in aller Munde. Durch Konzerte, Lesungen, Luther-Feste, aber auch durch allerlei Verkaufsprodukte wie Luther-Playmobil-Figuren und Luther-Büsten. Aber hat das Reformations-Jahr der evangelischen Kirche auch als Glaubensgemeinschaft neuen Schwung verliehen?

KOEPKE Ich denke schon, dass das Reformations-Jubiläum innerhalb der evangelischen Kirche einiges bewegt hat. Dabei blicke ich nicht nur auf die Großveranstaltungen, die alle super besucht waren. Sondern vor allem auf das, was sich in den Gemeinden abgespielt hat – wie viele Kreise sich gebildet haben, um darüber nachzudenken, wie mit diesem Luther-Jubiläum umgegangen wird.

Kann man die Wirkung des Jubiläums auch etwa an Neueintritten in die evangelische Kirche, speziell hier im Saarland, ablesen?

KOEPKE Nein, die Statistik liegt noch nicht vor. Auch die Langzeitwirkung dieses Reformationsjahrs kann ich noch nicht einschätzen. Allerdings kann ich sagen, dass dieses Jubiläum die evangelischen Landeskirchen intern zusammengeschweißt hat, dass es unser aller Horizont erweitert hat. Rheinische und pfälzische Kirche etwa haben so eng wie selten zusammengearbeitet, unter anderem bei der Eröffnungsveranstaltung des Luther-Jahrs in Homburg.

Die Reformation hatte einst die Spaltung der Kirche eingeleitet. Und gerade hier im Saarland leben wir ja in einer katholisch dominierten Region. Wie haben Sie im Jubiläumsjahr die Resonanz der katholischen Christen erlebt?

KOEPKE Ja, das Saarland ist das katholischste Bundesland – katholischer noch als Bayern. Trotzdem ist die Zusammenarbeit im Saarland zwischen katholischen und evangelischen Christen ausgezeichnet. Was sich auch daran zeigt, dass sich an der morgigen „Nacht der Reformation“ viele katholische Gemeinden mit eigenen Programmen zum Thema  beteiligen. Das Ganze ist also durchaus eine ökumenische Veranstaltung. Auch der Eröffnungsgottesdienst dieser „Nacht der Reformation“ in der Saarbrücker Ludwigskirche wird überkonfessionell gestaltet – von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, in die auch Alt-Katholiken, Freikirchen und andere eingebunden sind.

Hat das Luther-Jahr nicht gerade das Trennende der Konfessionen wieder ins Bewusstsein gerückt?

KOEPKE Nicht in dem Sinn, dass dies zu einer neuen Kluft zwischen Katholiken und Protestanten geführt hätte. Aber das Reformationsjahr bot durchaus einen Anlass, die Unterschiede katholischer und evangelischer Glaubenslehre noch einmal zu thematisieren. Dabei geht es unter anderem um die Feier des gemeinsamen Abendmahls beziehungsweise der Kommunion – da sehe ich vorläufig auch noch keine wirkliche Annäherung. Auch bei der Auffassung der Geistlichkeit und der Hierarchien werden wohl Unterschiede bestehen bleiben: die katholische Priesterweihe etwa und der von der Gemeinde beauftragte evangelische Pfarrer.

Es gibt also noch viel in der Ökumene zu tun...?

KOEPKE Die Unterschiede haben wir einfach. Ich sehe darin kein Problem, damit muss man leben. Ähnlich wie mit verschiedenen politischen Parteien.

Gab es auch Kritik?

KOEPKE Es gab von Anfang an eine Kontroverse darüber, wie wir das Jubiläum begehen. Auf ein Jubel-Jubiläum haben wir in unserer Landeskirche bewusst verzichtet. Wir hatten insbesondere die Langzeitwirkung im Blick und uns vorgenommen, nicht das Trennende, sondern das Gemeinsame, also Christus, in den Vordergrund stellen. Damit haben wir frühzeitig versucht, auf Kritik zu reagieren. Im Saarland sind wir auf großes Wohlwollen gestoßen, weil wir eben mit Christen aus der ganzen Gesellschaft zusammengearbeitet haben.

Wurden in Ihren Augen die dunklen Seiten der Reformation – vor allem Luthers Judenhass – ausreichend thematisiert?

KOEPKE Ich würde sagen ja. Es gab viele Veranstaltungen und Vorträge, die diesen Antijudaismus Luthers thematisiert haben. Mir selbst ist das bei diesem Jubiläum wieder ganz deutlich und bewusst geworden. Ich finde, man kann Luthers unsägliche Äußerungen auch nicht mit dem Zeitgeist entschuldigen – also mit einer in der Gesellschaft weit verbreiteten Judenfeindlichkeit. Das geht überhaupt nicht. Da hätte ich mir völlig andere Worte von ihm gewünscht.

Welches Resümee zieht die evangelische Kirche für sich selbst aus dem Jubiläumsjahr?

KOEPKE Wir hatten in der Vergangenheit sehr viele Struktur-Debatten. Dieses Jubiläum hat uns wieder näher an die Inhalte geführt: von der Notwendigkeit weiterer Modernisierung bis hin zur Forderung, auch gesellschaftlich wieder mutiger Stellung zu beziehen. Dazu gehört, dass wir unter anderem den Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung wieder stärker in den Vordergrund rücken.

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