Das ist wie mit der Prostitution

Sie schreiben immer so schön", hat neulich jemand gesagt. Früher hätte mich das peinlich berührt, vielleicht wäre ich sogar rot angelaufen. Heute streiche ich in Gedanken das Wörtchen "immer" aus dem Satz, denke, ohne rot zu werden: "stimmt." Weil Eigenlob ja angeblich stinkt, sage ich aber nur: "Na ja, ich verdiene mein Geld damit

Sie schreiben immer so schön", hat neulich jemand gesagt. Früher hätte mich das peinlich berührt, vielleicht wäre ich sogar rot angelaufen. Heute streiche ich in Gedanken das Wörtchen "immer" aus dem Satz, denke, ohne rot zu werden: "stimmt." Weil Eigenlob ja angeblich stinkt, sage ich aber nur: "Na ja, ich verdiene mein Geld damit." Womit ich dann beim großen, aber schon seit über 300 Jahren toten Franzosen Molière bin, der gesagt haben soll, dass es "beim Schreiben ist wie bei der Prostitution: Zuerst macht man es aus Liebe, dann für ein paar Freunde und schließlich für Geld."Wobei ich mein Geld nicht nur mit Schreiben, sondern unter anderem auch mit Lesen verdiene - also mit dem Genießen dessen, was andere geschrieben haben. Wobei diese anderen mir das Geschriebene gelegentlich schicken, weil sie wollen, dass ich zu dem, was sie geschrieben haben, wiederum etwas schreibe. So sind in diesen Tagen zwei Bücher bei mir gelandet. Das eine hat der Exil-Saarbrücker Walter Schmidt geschrieben, das andere die Saarbrückerin Christine Lawens.

Letztere hat einen Roman im Tredition-Verlag herausgebracht. Titel: "Der gebrochene Zweig". Ich habe beim Lesen schnell festgestellt, dass ich nicht zur Zielgruppe dieser Art von Roman gehöre. Was also dazu schreiben? Ich habe mich entschieden, einige der letzten Sätze des Buches abzuschreiben: "Vor den Stufen zum Haus sah Rafael Sheila wortlos an, dann blickte er zum Himmel. Es war ein sonniger Herbsttag … aber er hätte schwören mögen, von weitem Blitze zucken zu sehen und Donner zu hören, als er sie küsste." Jetzt überlasse ich es denen, die das hier lesen, ob sie wissen wollen, wie diese Lawens-Geschichte anfängt.

Walter Schmidt hat für sein Buch "Dicker Hals und kalte Füße - Was Redensarten über Körper und Seele verraten" gerade einen Publizistikpreis bekommen. Jetzt hat er nachgelegt. In seinem im Rororo-Verlag erschienen neuen Buch "Morgenstund ist ungesund" stellt er Sprichwörter auf den Prüfstand.

"Stille Wasser mögen tief sein, aber oft sind sie schlicht höchst gefährlich! Wir mögen unseres Glückes Schmied sein, aber wer sorgt für das nötige Werkzeug, wenn die Eltern es nicht können? Rache mag süß sein, aber sie ist meist töricht oder gar fatal", schreibt Walter Schmidt.

Und er erklärt die Sache mit dem "Eigenlob stinkt"-Sprichwort. Diese "Demutslehre" habe wohl die Obrigkeit einst in die Welt gesetzt, weil ihr bescheidene und genügsame Untertanen lieber waren als selbstbewusste und aufmüpfige. Ohne Walter Schmidts Buch gelesen zu haben, hätte ich die Stelle mit dem Lob am Anfang dieser Kolumne nie zu schreiben gewagt.

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