„Das ist für uns ein Sport“

Schwalbach · Die SPD will Großkaliberwaffen verbieten lassen, Anlass ist der Amoklauf von Winnenden von vor vier Jahren. Sportschützen aus Schwalbach wehren sich gegen ein Verbot und sagen: Es ist doch bloß ein Sport.

Was ist das für ein Gefühl, eine Waffe in der Hand zu halten, mit der man einen Menschen töten könnte? Darüber habe er noch nie nachgedacht, sagt Rainer Spies. Der 53-Jährige schießt seit fast 20 Jahren in seinem Schwalbacher Schützenverein mit Großkaliberwaffen. Irgendwann sagt er: "Man kann auch mit einem Messer jemanden töten."

Die Europäische Kommission befragt die Bevölkerung aktuell dazu, welche Maßnahmen getroffen werden müssen, um die Gefährdung der in der EU lebenden Menschen durch Feuerwaffen zu verringern. Die Antworten auf diesen Fragebogen sollen in künftige Vorschläge für EU-Rechtsakte einfließen. Wenn es nach der SPD geht, sollen großkalibrige Waffen nicht mehr zum Arsenal von Sportschützen gehören. Diese Reform des Waffenrechts wäre für die SPD eine Konsequenz aus dem Amoklauf von Winnenden. Am 11. März 2009 hatte ein Schüler 15 Menschen und sich selbst erschossen, mit einer Großkaliberwaffe aus dem Schrank seines Vaters.

Sportschützen in ganz Deutschland wollen das Verbot verhindern. "Das wäre fatal für alle Vereine", sagt Spies, "es gäbe einen riesigen Mitgliederschwund." In dem Moment, in dem Großkaliber verboten werden, hätten die Schützen keinen berechtigten Besitz mehr und müssten ihre teuer bezahlten Waffen entsorgen. Illegale Waffen, sagt Spies, würden aber kaum abgegeben werden. Die seien das eigentliche Problem. Bloß bei einem Bruchteil aller Menschen, die in Deutschland an einer Schussverletzung sterben - Spies nennt 1,2 Prozent - sei mit einer legalen Waffe geschossen worden.

Am Schießstand ist höchste Vorsicht geboten. Es knallt, ein Funke lodert auf, es riecht nach Schießpulver. Der Lauf der Pistolen zeigt immer nach vorne. Immer. Sogar wenn die Waffe nicht geladen ist. Die Schützen schießen auf Papier und Styropor in 50 Metern Entfernung. Sie sind sich einig: Es ist gefährlich, aber passieren kann eigentlich nichts.

"Das ist für uns ein Sport", sagt Schütze Herbert Hoen. "Wenn alle Grundregeln befolgt werden, ist es unmöglich, dass ein Mensch verletzt wird." Besondere Kleidung, einen Schutzanzug oder eine kugelsichere Weste gibt es nicht. Die Schützen lachen sogar bei der Frage. "Die Sportordnung sieht das nicht vor", heißt es.

Die SPD kritisiert insbesondere, dass ein Sportschütze seine Waffe zu Hause aufbewahren darf. Zwar gibt es dafür strenge Kriterien. Waffe und Munition müssen getrennt in Tresoren aufbewahrt werden, selbst der Ehepartner darf nicht wissen, wo der Schlüssel versteckt ist. Kontrollen behalten die Behörden sich zwar jederzeit vor. Tatsächlich kontrolliert worden ist von den Schwalbacher Schützen bislang aber noch niemand.

Spies weiß, dass es Menschen gibt, die dem Verein bloß beitreten wollen, um eine Waffe zu bekommen. Aber: "Wir sind kein Waffenbeschaffungsverein", sagt er, "wir beobachten genau, ob jemand wirklich Interesse hat oder nur eine Waffe haben möchte." Nach Winnenden ist das Mindestalter für Großkaliberschützen von 18 auf 21 Jahre hochgesetzt worden. Der Amokläufer war damals 17 Jahre alt. "Aber wer zur Bundeswehr geht, ist sogar gezwungen mit 18 Jahren zu schießen", sagt Spies.

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