Das Hören auf den Körper ist wichtig

Nonnweiler. Matthias de Zordo ist der Ehrengast. Und vor dem interessierten Publikum in der überfüllten Benkelberghalle in Sitzerath plaudert der Speerwurf-Weltmeister auch gerne mal aus dem Nähkästchen

Nonnweiler. Matthias de Zordo ist der Ehrengast. Und vor dem interessierten Publikum in der überfüllten Benkelberghalle in Sitzerath plaudert der Speerwurf-Weltmeister auch gerne mal aus dem Nähkästchen. Nachdem unter tosendem Applaus ein Video seines sensationellen Sieges bei der Weltmeisterschaft in Daegu (Südkorea) im September dieses Jahres gezeigt wurde, beantwortet der 23-Jährige brav alle Fragen von Werner Zimmer, dem Präsidenten des Leichtathletik-Bundes Saar. Zimmer ist an diesem Abend Moderator des 19. Sportmedizin-Symposiums.Dabei verrät de Zordo auch einige taktische Kniffe, die ihm bei der WM, bei der er schon im ersten Versuch mit 86,27 Metern die Bestweite erzielt hatte, zum Titel verholfen haben. "Ich habe beim Einwerfen nur aus dem Gehen heraus geworfen. Danach wollte ich schon in den ersten Versuch alles reinlegen, um die Gegner zu schocken. Danach hab' ich Stärke gezeigt, vielleicht auch ein bisschen Arroganz. Es hat gewirkt", sagt der Sportsoldat.

Schlaf und Wechselduschen

Darüber hinaus spricht de Zordo auch über Gewohnheiten und das Medieninteresse. "Vor einem Wettkampf brauche ich viel Schlaf. Und Wechselduschen, kalt und warm, damit der Kreislauf in Schwung kommt", erzählt er. Dass er den Medienrummel genießt, davon kann man sich beim Auftritt des sympathischen Athleten vom SV schlau.com Saar 05 in Sitzerath selbst überzeugen. Doch es gibt auch die Kehrseite. "Manchmal nervt es. Ich wurde sehr oft gefragt, wie ich denn mit einem verhältnismäßig geringen Trainingspensum solche Erfolge feiern kann. Ich wurde auch schon als ,der faulste Weltmeister aller Zeiten' tituliert. Das hat genervt", gibt de Zordo zu, dessen Schlusssatz von den Zuhörern mit Beifall honoriert wurde: "Wer Weltmeister in seiner Disziplin wird, der kann nicht zu wenig trainiert haben."

Sowieso ist Training das Thema eines Vortrags im Rahmen des Symposiums. Und de Zordo bildet mit seinen Aussagen ein gutes Beispiel dafür. Thema des Referats von Lothar Schwarz, dem Präsidenten des Sportärzteverbandes Saar, ist: "Überlastung - Übertraining: Wenn Leistungssportler übertreiben". Dabei erklärt der erst vor kurzem von der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS) zum Sportarzt des Jahres 2011 ausgezeichnete Schwarz, wie sich Leistungssportler durch zu viel Training um ihren Ertrag bringen können. "Sportler müssen ihre Trainingsbelastung immer in Relation zu den vorhandenen Ressourcen setzen. Das heißt, sie können nur so viel trainieren, wie sie auch imstande sind, zu verkraften. Wenn dann aber anstelle der Regeneration ein weiterer Trainingsreiz gesetzt wird, dann kann es vorkommen, dass der Körper zumacht. Das ganze Fortschrittssystem, also die Trainingsresultate der vergangenen Einheiten, würde zusammenfallen."

Dies sei auch in den Alltag übertragbar, erklärt der Sportmediziner: "Das Prinzip des Burnouts ist dasselbe: Übertraining im Kopf. Wenn man sich keine Pausen gönnt, sprich Regeneration, dann kann man sich auch im psychischen Bereich überlasten." Ein großes Problem sei das Phänomen in der heutigen Gesellschaft, dass man sich dauernd beweisen müsse und bewertet werde. "Man muss auch planvoll Nein sagen können. Es ist wichtig, auch im Alltag zum richtigen Zeitpunkt regenerative Einheiten einzubauen", sagt Schwarz.

Ressourcen schwanken

Und aus solch einem Überlastungszustand, körperlich wie psychisch, kommt man nicht so einfach wieder raus: "Beim Übertraining schützt sich das vegetative Nervensystem selbst und stoppt die Leistung. Und ein Neustart dauert. Manche Sportler kamen auch nie wieder heraus, und die Karriere war vorbei." Wichtig sei auch die Tatsache, dass die Ressourcen eines Menschen schwanken. Beispielsweise sind sie bei Krankheit geringer, was bedeutet, dass damit auch die Belastung geringer sein müsse, was nicht immer der Fall sei. Praktisch gibt Lothar Schwarz den einen Hinweis: "Man muss in seinen Körper hinein hören und auch auf ihn hören."

Matthias de Zordo tut dies, wie er erklärt - manchmal auch zum Widerwillen seines Trainers Boris Henry. "Bei mir ist Übertraining selten, weil ich schon immer auf meinen Körper gehört habe. Boris schmeckt das nicht immer", sagt der Weltmeister.

"Sportler müssen ihre Trainingsbelastung immer in Relation zu den vorhandenen Ressourcen setzen."

Lothar Schwarz (Foto: rup), Sportarzt des Jahres 2011

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