Das grausame Geheimnis

Saarbrücken. Der Saarbrücker Verein Intact (Internationale Aktion gegen die Beschneidung von Mädchen und Frauen) weist anlässlich des "Internationalen Tags der Null-Toleranz gegenüber weiblicher Genitalverstümmelung" am 6. Februar, der vom Inter-African Committee on Traditional Practices (IAC) 2003 ins Leben gerufen wurde, auf einen neuen Erfolg der Vereinsarbeit hin

 Das somalische Super-Model Waris Dirie ist als fünfjähriges Mädchen auf Wunsch seiner Mutter mit einer Rasierklinge beschnitten worden. Dirie schrieb dies in ihrer bewegenden Autobiografie "Wüstenblume". Der Bestseller wurde auch verfilmt. Foto: Majestic

Das somalische Super-Model Waris Dirie ist als fünfjähriges Mädchen auf Wunsch seiner Mutter mit einer Rasierklinge beschnitten worden. Dirie schrieb dies in ihrer bewegenden Autobiografie "Wüstenblume". Der Bestseller wurde auch verfilmt. Foto: Majestic

Saarbrücken. Der Saarbrücker Verein Intact (Internationale Aktion gegen die Beschneidung von Mädchen und Frauen) weist anlässlich des "Internationalen Tags der Null-Toleranz gegenüber weiblicher Genitalverstümmelung" am 6. Februar, der vom Inter-African Committee on Traditional Practices (IAC) 2003 ins Leben gerufen wurde, auf einen neuen Erfolg der Vereinsarbeit hin. "Togo ist das zweite Land in Afrika nach Benin, in dem die Genitalverstümmelung quasi überwunden ist", sagte Projekt-Koordinatorin Katharina Mbondobari-Hartleb der Saarbrücker Zeitung auf Anfrage. Dieser Erfolg werde im Mai in Togo mit einem großen Fest gefeiert, bei dem sowohl die togoische Regierungals auch deutsche Regierungsvertreter anwesend sein würden. "Das gesetzliche Verbot der Beschneidung gab es in Togo schon länger, aber die Praxis wurde bis jetzt im Geheimen durchgeführt", so die Vertreterin des Vereins, der von Christa Müller geführt wird. Dass Togo es geschafft habe, mit dem alten, grausamen Ritual zu brechen, bestätigten Aussagen der Intact-Projektpartner. Eine von Intact in Auftrag gegebene Studie läuft gerade, sagte Mbondobari-Hartleb. "Die traditionellen Autoritäten in Togo konnten überzeugt werden, in ihren Dörfern zu beschließen, dass Mädchen und junge Frauen nicht mehr verstümmelt werden", so die Intact-Projektleiterin. Der Erfolg sei flächendeckend: Im Norden des Landes habe man alle Gemeinschaften erreicht und auch in bestimmten Bezirken der Hauptstadt Lomé. Im Süden des Landes spiele der Ritus keine Rolle. "Alle Beschneiderinnen sind registriert worden. Das war ein Prozess, der einige Jahre in Anspruch genommen hat", sagte Mbondobari-Hartleb. Die Beschneiderinnen mussten demnach zunächst identifiziert und aufgespürt werden. Jetzt seien alle in Registern mit Foto und überzeugt worden, die schreckliche "Arbeit" aufzugeben. "Sie haben Kleinkredite bekommen, um sich andere Beschäftigungsmöglichkeiten aufzubauen", beschrieb die Intact-Expertin die Überzeugungsarbeit, die mit Hilfe der Bundesregierung finanziert wurde.Die Grünen im Bundestag kündigten jetzt einen Gesetzentwurf an, der am 9. Februar im Plenum debattiert werden soll. Genitalverstümmelung soll danach ausdrücklich als Fall von schwerer Körperverletzung ins Strafgesetzbuch aufgenommen werden. Auch die bayerische Sozialministerin Christine Harderthauer (CSU) und Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) fordern, die Genitalverstümmelung als Straftatbestand ins Gesetz aufzunehmen. Haderthauer bezeichnete sie als eine der "brutalsten Menschenrechtsverletzungen überhaupt".

"Wichtiger als die explizite Aufnahme von Genitalverstümmelung in den Paragraphen 226 finden wir die Präventionsarbeit", sagte die Intact-Expertin. In Großbritannien gebe es ein Gesetz gegen die Genitalverstümmelung schon viel länger, aber es sei noch zu keinem einzigen Verhandlungsfall gekommen. "Keine einzige Tat ist dort erkannt und bestraft worden", erklärte Mbondobari-Hartleb. Wichtiger sei eine Ausweitung der U-Untersuchungen der Mädchen bei den Kinder- und Jugendärzten bis zum Alter von 18 Jahren. "Die Untersuchung der Genitalien muss zwingend mit eingeschlossen sein. Das sollten die Kinderärzte auch tun, ist aber nicht immer Praxis", kritisierte die Intact-Vertreterin. Sie forderte eine Meldepflicht der Kinderärzte, wie es sie in Frankreich gebe, was dort bereits zu Verurteilungen und Beschneiderinnen und Eltern geführt habe. Es gebe ja vielfach auch noch kleinere Schwestern in den Familien, die geschützt werden müssten. Zudem seien Intact-Experten auf Anfrage in saarländischen Schulen unterwegs, um aufzuklären.

Auch zum Saarbrücker Verein "Haus Afrika" versuche man, einen Kontakt zwecks einer Aufklärungsveranstaltungherzustellen. Bürgern aus Afrika die hierzulande leben, hatte Lamine Conté im vergangenen Jahr dringend empfohlen, das Ritual der Genitalverstümmelung von Mädchen einzustellen. "Ich bedauere, dass die Art und Weise, wie Bilder der Beschneidung in Medien publiziert werden, zu einem negativen Image von Afrika beitragen", hatte der Geschäftsführer des Vereins "Haus Afrika" der SZ gesagt.

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