Das Geschäft mit dem Mitleid

St. Wendel. Sie geben vor, taubstumm zu sein und Geld für den Bau eines Taubstummen-Zentrums zu sammeln. Mit dieser Masche sammeln Männer meist südosteuropäischer Herkunft seit Wochen in Fußgängerzonen und auf Parkplätzen im Saarland Spenden. Zuletzt wurden sie am Montag vor einem Einkaufszentrum in Namborn gesehen

 Nicht jeder Spendeneuro, der gesammelt wird, kommt tatsächlich einem guten Zweck zugute. Foto: dpa

Nicht jeder Spendeneuro, der gesammelt wird, kommt tatsächlich einem guten Zweck zugute. Foto: dpa

St. Wendel. Sie geben vor, taubstumm zu sein und Geld für den Bau eines Taubstummen-Zentrums zu sammeln. Mit dieser Masche sammeln Männer meist südosteuropäischer Herkunft seit Wochen in Fußgängerzonen und auf Parkplätzen im Saarland Spenden. Zuletzt wurden sie am Montag vor einem Einkaufszentrum in Namborn gesehen. Dabei haben sie ein Schreiben, über dem "Zertifikat des regionalen Verbundes für Taubstumme unde korpelich Behinderte" steht. Doch nichts an der ganzen Sache ist echt. Deshalb warnte die Polizei im Saarland mehrfach vor den falschen Spendensammlern, auch die Staatsanwaltschaft ist involviert (wir berichteten auf der Seite "Saarland").Im Kreis St. Wendel tauchten die vermeintlich Taubstummen nun in dieser Woche in Namborn auf, doch aufmerksame Kunden riefen die Polizei. Der Vorwurf: Betrug. Sowohl Polizei, Ordnungsamt der Stadt St. Wendel als auch Innenministerium weisen darauf hin, dass im Saarland für eine Spendensammlung eine Sammlungsgenehmigung erforderlich ist. Diese muss je nach Sammlungsbereich bei unterschiedlichen Behörden beantragt werden. "Bei Sammlungen auf Gemeindeebene ist das dortige Ordnungsamt zuständig, wenn im Kreis gesammelt wird das jeweilige Landratsamt und bei saarlandweiten Sammlungen ist das Innenministerium zuständig", erklärt eine Mitarbeiterin des Ordnungsamtes auf Anfrage. Im Antrag müsse klar ersichtlich werden, wofür das Geld gedacht ist. "Eine Gemeinnützigkeit der Sammlung wird nicht unbedingt geprüft beim Antrag. Aber wenn die Sammlung abgelaufen ist, muss eine Abrechnung vorgelegt und der Erlös muss seinem Zweck zugeführt werden."

Wer unsicher ist, ob eine Sammlung von Geld- oder Sachspenden rechtens ist, solle sich die Spendenerlaubnis zeigen lassen. "Die Polizei wird über jede Sammlungserlaubnis informiert. Man kann sich also auch dort rückversichern", erklärt die Ordnungsamts-Mitarbeiterin. Mehr als fünf Sammelaktionen pro Jahr gebe es in der Kreisstadt St. Wendel aber kaum. "Und bei denen sind die sammelnden Vereine in der Regel schon bekannt."

Nicht immer ist die Betrugsabsicht jedoch so offensichtlich wie bei den vermeintlich Taubstummen. Oft stecken dahinter real existierende Vereine, die Spenden sammeln, diese aber nicht oder in nur geringem Umfang dem Spendenzweck zukommen lassen. Als einziges Bundesland lässt Rheinland-Pfalz in großem Umfang Vereine, die Spenden sammeln, überprüfen und zwar durch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier. "Wer nicht nachweisen kann, dass das gesammelte Geld ordnungsgemäß für den beworbenen Zweck verwendet wird, erhält ein Sammlungsverbot und darf in Rheinland-Pfalz keine Spenden mehr sammeln", erklärt Eveline Dziendziol, Sprecherin der ADD. Die Verbote veröffentlicht die ADD auf ihrer Internetseite. Gesammelt wurde da für Kinder in Afrika, behinderte Kinder, die Vereine nennen sich Kindernothilfe, Christliche Partnerhilfe oder Tierhilfe-Verband.

Wer in Rheinland-Pfalz Sammlungsverbot erhält, hat es auch im Saarland bei der Spendensuche schwer. Wie das Saar-Innenministerium auf Anfrage erklärt, meldet der ADD die Verbote ein bis zwei Mal im Jahr nach Saarbrücken. Über das Innenministerium erhalten dann die untergeordneten Sammlungsbehörden bei den Kreisen und Kommunen diese Informationen. Ein Verbot im benachbarten Bundesland bedeute zwar nicht automatisch ein Verbot im Saarland. Vielmehr werde den gemeldeten Vereinen im Saarland keine Sammlungserlaubnis mehr erteilt, heißt es aus dem Innenministerium. Von dort wird in der Regel auch die örtliche Polizei darüber unterrichtet, die meist gerufen, um Spendenaktionen zu überprüfen.

Sind Sie auf Betrüger reingefallen und wollen andere vor dem gleichen Schaden bewahren? Melden Sie sich in der SZ-Redaktion und erzählen Sie uns Ihre Geschichte. Kontakt: Tel. (0 68 51) 9 39 69 50, per E-Mail an redwnd@sz-sb.de.

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Auf einen Blick

Wer Opfer von Betrügern geworden ist, sollte diesen Betrug unbedingt anzeigen, rät die Polizei. Auch der Betrugsversuch oder andere Aktivitäten, die auf betrügerische Abzocke hinweisen, sollten gemeldet werden. Polizeiinspektion St. Wendel: Mommstraße 37-37, Tel. (0 68 51) 89 80. Auch die Seniorensicherheitsberater im Landkreis dienen als Ansprechpartner. Jeden ersten Mittwoch im Monat ist von 14 bis 16 Uhr Sprechstunde (auch telefonisch). Kontakt: Seniorenbüro St. Wendel, Mommstraße 21-31, Tel. (0 68 51) 8 01 52 01, E-Mail seniorenbuero@lkwnd.de. lk

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